Nun rücken Italien und Belgien ins Visier

Die Ratingagenturen weiten erwartungsgemäß die negativen Prognosen für Euroländer aus

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Spanien begibt sich, nachdem Portugal erfolgreich abgeschossen wurde, weiter auf den Weg in Richtung Absturz. Die Börse in Madrid ging nach dem Debakel für die Regierung bei den Wahlen am Sonntag auf Tiefflug und die Zinsen und Kosten für Kreditausfallversicherungen stiegen gefährlich an. Doch auch andere Länder geraten immer deutlicher in den Strudel. Ratingagenturen haben inzwischen Abstufungen für das große Italien und Belgien angekündigt, womit sich die Eurokrise ausweitet.

Eigentlich müsste es erstaunen, wenn die Börse in Madrid abstürzt, nachdem den Sozialisten (PSOE) am Sonntag bei den Wahlen in Spanien die rote Karte gezeigt. Schließlich war die ultrakonservative Volkspartei (PP) der Wahlgewinner. Doch der Name der PSOE steht wahrlich nicht für die Politik dieser Partei. Sie hat mitten in der Krise ihre Politik vollständig auf die Interessen von Banken und Großunternehmen ausgerichtet und wurde auch dafür von ihren Wählern abgestraft. So war es auch der Chef der großen BBVA-Bank, der von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero gefordert hatte, keine vorgezogenen Neuwahlen anzusetzen.

Erwartet wird, dass die PP mit ihrem brachialen Politikstil auf deutlich stärkeren Widerstand stößt. Sie könnte eben kaum erreichen, dass zahme Gewerkschaften, die der PSOE nahe stehen, sogar eine Anhebung des Renteneintrittsalters abnicken. Mit den weiter andauernden Platzbesetzungen der Demokratiebewegung zeigt sich aber, dass die Durchsetzungsfähigkeit der neoliberalen PSOE-Politik angesichts von fünf Millionen Arbeitslosen immer weiter schwindet (Mit dem abstürzenden Spanien spitzt sich die Euro-Krise zu). Entsprechend steigt mit den Wahlergebnissen und den Protesten nun die Zinslast für Spanien gefährlich an. Der Zinsunterschied (Spread) im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit wuchs auf über 260 Basispunkte an.

Es gibt inzwischen Vermutungen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) massiv Staatsanleihen Spaniens aufkauft, um den Zinssatz bei etwa 5,5% zu deckeln, weshalb der Spread wieder auf 250 Basispunkte gesunken Doch derlei Manöver sind allseits bekannt und diese zaghafte Unterstützung hat nicht verhindert, dass Portugal letztlich doch unter den Rettungsschirm getrieben werden konnte. Die harten Sparprogramme führen auch in Spanien dazu, dass das Land weiter am Rand der Rezession herumdümpelt. Die OECD hat deshalb die Prognose für Arbeitslosigkeit nach oben und die Wachstumsperspektive für 2012 nach unten korrigiert.

Es fehlen nun eigentlich nur noch weitere Abstufungen der Kreditwürdigkeit, die angesichts der negativen Einschätzung von Ratingagenturen drohen und dann dürfte das eintreten, was Experten ohnehin längst erwarten: dass Spanien das nächste Land ist, das unter den Rettungsschirm gehen muss. Ausgelöst könnte das auch durch Turbulenzen aus der Umschuldung Griechenlands werden, die kaum abzuwenden ist. Mit dem Absturz Spanien bekäme dann wiederum der temporäre Nothilfefonds (EFSF) in Probleme, weshalb gerade seine Ausweitung beschlossen wurde.

Nun dürfte auch Italien größere Schwierigkeiten bekommen

Bei Belgien und Italien werden ebenfalls nun die Schrauben fester angezogen. Die europäische Schuldenkrise rückte zum Wochenende mit der Nachricht wieder stärker in den Fokus, als die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) den Ausblick für die Bonität Italiens von "neutral" auf "negativ" gesetzt hat. Noch wird das von einer politischen Dauerkrise geschüttelte Land mit "A+" bewertet. Dass in Italien der Zeitzünder an der Bombe immer lauter tickt (Die Zeitbombe Italien tickt lauter), ist allerdings bekannt. Nur Griechenland ist mit fast 143% im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt (BIP) höher verschuldet als Italien (119%). Angesichts der Tatsache, dass Italien einen Schuldenberg von fast 2 Billionen Euro angehäuft hat, halten sich die Probleme der Griechen mit knapp 330 Milliarden noch in engen Grenzen.

Obwohl in Italien bisher kein harter Sparkurs wie in Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien gefahren wird, dümpelt auch das große Euroland weiter am Rande der Rezession herum. Zwar ist die Wirtschaftsleistung 2010 wieder leicht gestiegen, doch das Niveau wurde längst noch nicht wieder erreicht, das vor dem Ausbruch der Finanzkrise registriert worden war. Besonders bedenklich ist, dass das schwache Wachstum von 0,3% im Quartal 3/2010 im Folgequartal sogar auf 0,1 zurückging und auch im ersten Quartal 2011 nahe der Stagnation verharrte. Deutschland oder Frankreich verzeichneten als große Euroländer gegenüber Italien und Spanien aber deutliche Wachstumsraten.

So ist es eigentlich kein Wunder, wenn auch S&P die neue Einschätzung mit schwachen Wachstumsaussichten und einem stagnierenden Reformwillen begründet. Die Agentur geht sogar davon aus, dass sich Italiens Aussichten auf eine Reduzierung der Schulden verschlechtert hätten. Noch hofft S&P auf ein Wachstum von 1,3% für das laufende und für das kommende Jahr. Die Agentur befürchtet aber, dass es wohl niedriger ausfallen könne. Rom wehrte sich und wies die Einschätzung zurück. Das Finanzministerium verwies dabei auch auf internationale Organisationen wie die der OECD. Doch darauf kann sich Wirtschaftsminister Giulio Tremonti seit Mittwoch nicht mehr beziehen, denn die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geht nun sogar noch davon aus, dass Italien 2011 nur 1,1% wächst. Nur für 2012 bleibt die OECD weiterhin etwas optimistischer.

Doch angesichts der Warnung aus Washington will nun Tremonti auch auf die Schuldenbremse treten. Er will sogar bis 2014 ein Nulldefizit erreichen. Die Zahlen, wonach der Verschuldungsgrad von 120%, die für Ende 2011 prognostiziert werden, bis 2013 dann sogar auf 117% zurückgehen sollen, glaubt Tremonti wohl genauso wenig wie man vielen Aussagen der Regierung Berlusconi Glauben schenken sollte. Denn dafür bräuchte das Land ein kräftiges Wachstum und müsste zudem sparen.

Angestrebt werden in Rom nun Einsparungen von 40 Milliarden bis 2014. Fängt nun aber Italien auch an deutlich zu sparen, dann wird auch dieses Land zurück in die Rezession gedrückt. Dann wird die Haushaltskonsolidierung schwieriger, weil Sozialkosten steigen und Steuerausfälle verzeichnet werden. Portugal, Griechenland und Irland lassen grüßen, auch was die steigenden Kosten für die Refinanzierung des Landes angeht. Nach dem Warnschuss von S&P stieg die Rendite für zehnjährige Anleihen Italiens auf 4,85%, das waren schon 187 Basispunkte mehr als Bundesanleihen. Steigende Zinsen reißen angesichts der enormen Schulden des Landes aber schnell riesige Löcher. Die sogar mit eingesparten 40 Milliarden Euro in drei Jahren nicht gestopft werden können.

Auch Belgien rückt immer weiter in den Fokus

Neben hat auch Belgien Probleme. Die politische Krise geht bekanntlich schon deutlich tiefer. Obwohl schon vor fast einem Jahr gewählt wurde, hat das Land noch immer keine Regierung, womit es den Weltrekord hält. Belgien steht aber auch direkt hinter Griechenland und Italien, was die Verschuldung angeht. Mit knapp 97% im Verhältnis zum BIP und Staatsschulden in einer Höhe von insgesamt gut 341 Milliarden Euro ist das Land nahe an der gefährlichen Schwelle von 100%, die bisher im Euroraum nur Griechenland und Italien gerissen haben.

Anders als Italien hat Belgien aber im ersten Quartal ein Wachstum von 1% verzeichnet, womit sich ein positiver Trend verstärkt hat. Das Land liegt auch bei der Arbeitslosenquote mit 7,7% unter dem EU-Durchschnitt und die Tendenz ist, anders als in Italien, fallend. Angesichts der wirtschaftlichen Daten erstaunte die Neubewertung der Bonität durch die Ratingagentur Fitch. Nur zwei Tage nach der Prognose zu Italien änderte Fitch den Ausblick für Belgien ebenfalls auf "negativ". Angeführt wird das politische Risiko, weshalb das Land die zweitbeste Note "AA+" verlieren dürfte. Im Allgemeinen leitet diese Neubewertung eine baldige Abstufung ein.

Wie schon früher im Fall von Portugal, erscheint die Einschätzung von Fitch merkwürdig und willkürlich. Schließlich erwartet die OECD für Belgien sogar ein Wachstum 2011 von 2,4%. Zudem schreitet die Haushaltskonsolidierung auch unter der geschäftsführenden Regierung voran. Das Haushaltsdefizit konnte von 5,9% (2009) auf 4,1% (2010) gesenkt werden. Das Land nähert sich damit dem Stabilitätsziel von 3% schon an, anders als zum Beispiel Frankreich, das 2010 ein Minus von 7% ausweisen musste. Auch in Belgien drängt sich also wieder der Eindruck auf, dass den Agenturen jedes Argument recht ist, um die Zinslast für Euroländer zu erhöhen und die Eurokrise zu verschärfen. Soll nun das kleine Belgien zunächst Portugal folgen