Iran baut nationales "Halal Internet" auf

Mit einem nationalen Internet will sich Iran gegen Internetangriffe von außen besser schützen und das Internet im Inneren vollständig kontrollieren

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der iranische Geheimdienstminister Heidar Moslehi warnte heute erneut Behörden und Unternehmen vor möglichen Angriffen aus dem Internet und forderte die Verstärkung der Schutzmaßnahmen. Alle staatlichen und privaten Organisationen würden heute das Internet nutzen, aber manchmal seien sie nachlässig, sagte er, und würden "geheime Informationen im Internet veröffentlichen".

Allerdings versuchte er auch den Eindruck zu erwecken, als habe seine Behörde alles im Griff. Man habe volle Kontrolle über den Cyberspace, man werde nicht zulassen, dass ein Virus aus dem Ausland ins Land gelange. Das freilich war geschehen, als der Computerwurm Stuxnet letztes Jahr entdeckte wurde. Er war darauf ausgerichtet, Anlagensteuerungssysteme vom Siemens zu schädigen, und soll geschrieben worden sein, um die iranische Urananreicherung in Natans durch die Manipulation der Geschwindigkeit der Zentrifugen zu sabotieren.

Angeblich sollen durch Stuxnet Hunderte von Zentrifugen beschädigt worden sein, weswegen die Anreicherung zeitweise ins Stocken geriet. Ende 2010 soll Stuxnet auch das AKW Bushehr betroffen haben. Davon will man aber im Iran nichts wissen. Stuxnet habe nur Rechner von Mitarbeitern befallen, nicht aber Computersysteme von Bushehr. Man habe sich mit dem im iranischen Cyberspace infiltrierten Wurm schon zwei Jahre vor den Medienberichten beschäftigt, so der Geheimdienstminister. Die Stuxnet-Attacke sei gescheitert, erklärt Außenminister Ali Akbar Salehi, der frühere Chef der iranischen Atombehörde. Vor einem Jahr hätten westliche Länder mit Stuxnet versucht, in die Atomanlagen einzudringen, aber "die jungen Experten Irans haben den Wurm genau dort stoppen können, wo die Feinde ihn einbringen wollten".

Heidar Moslehi verwies auch auf den zweiten Angriff auf iranische Industrieanlagen durch den Stars-Virus, den man im April entdeckt habe und der Spionagezwecken dienen sollte. Auch hier hätten die "jungen Experten" den Virus entdeckt und unschädlich gemacht.

Nach Informationen des Wall Street Journal soll Iran beabsichtigen, sich nicht nur besser gegen Cyberangriffe von außen zu schützen, sondern gleichzeitig auch die Kontrollmöglichkeiten des Internet zu verstärken, um die Opposition klein zu halten und die verordnete islamische Kultur durch Abschottung zu schützen.

Schon jetzt ist Iran eines der Länder, in denen das Internet am schärfsten überwacht und zensiert wird. Möglicherweise will man nun ein nationales Internet einführen, über das alle Verbindungen im Land laufen. Das könnte nicht nur zur bessern Überwachung dienen, sondern es auch ermöglichen, das Land bei Bedarf, also etwa während einer Revolte, ganz vom globalen Internet abzuschließen. Dass dies für die Machterhaltung wichtig sein kann, zeigte sich dem iranischen Regime bei der Bekämpfung der Proteste im Land, vor allem aber bei den Revolten in Ägypten, Tunesien, Libyen oder Syrien.

Der stellvertretende iranische Wirtschaftsminister Ali Aghamohammadi hatte im April auf die Einführung einer nationalen Internetinfrastruktur hingewiesen und von einem "Halal Internet" gesprochen, mit dem die "Kommunikations- und Handelsverbindungen mit der Welt verbessert" werden sollen. Das soll dann wohl vor allem unter dem Deckmantel einer islamischen Moral in dem Mullah- oder Gottesstaat die etablierten Machtstrukturen sichern. Eingeführt wird es nach dem Minister zunächst parallel zum normalen Internet und soll dann dieses ersetzen, Banken, staatliche Behörden und große Unternehmen sollen weiter direkten Zugang zum globalen Internet haben. Im Wall Street Journal mutmaßt man, dass allein aus wirtschaftlichen Gründen eine Verbindung zum globalen Internet bestehen bleiben muss und daher ein duales Netzwerk aufgebaut wird. Für die Opposition werden mit dem nationalen Internet und der virtuellen Grenze noch düstere Zeiten anbrechen, auch wenn Überwachung und Zensur jetzt schon sehr hoch sind.