5.800 Euro pro Ampulle

Die EHEC-Komplikation HUS wird mit dem teuersten Medikament der Welt behandelt - vorerst allerdings noch umsonst

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Das EHEC-Bakterium, das seit Mitte Mai viel Aufmerksamkeit in deutschen Medien erregt, lebt für gewöhnlich im Darm von Wiederkäuern, wo es keinen Schaden anrichtet. Gelangt es jedoch ins menschliche Verdauungssystem, dann kann es nicht nur schweren Durchfall, sondern auch ein hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) auslösen, das zu Nierenversagen, Nervenschäden und zum Tod führen kann.

Während es im gesamten letzten Jahr in Deutschland lediglich 65 HUS-Fälle (und darunter nur sechs Erwachsene) gab, lag deren Zahl alleine im Mai 2011 bei 373. Damit entwickelte fast die Hälfte der 796 gemeldeten EHEC-Infizierten die gefürchtete Komplikation - ein wesentlich höherer Anteil als in den Vorjahren. Am 26. Mai entdeckte Helge Karch am Universitätskrankenhaus Münster, dass die aktuellen Krankheitsfälle (an denen bisher 15 Menschen starben) vom seltenen Serotypen O104 verursacht werden.

EHEC-O104-Fälle aus Dänemark, Schweden, den Niederlanden, Großbritannien und anderen Ländern hielten sich vorher in Norddeutschland auf, wo der Schwerpunkt der Erkrankungen liegt. Was genau für den Ausbruch verantwortlich ist, ist bislang immer noch unklar. Gestern stellte sich heraus, dass die Erreger an den lange als Hauptverdächtige gehandelten spanischen Bio-Salatgurken zu einem anderen Serotypen gehören und deshalb nicht in Frage kommen. Bio-Rohkost gilt jedoch weiter als wahrscheinlichster Überträger, weil sie hauptsächlich von erwachsenen Frauen gegessen wird (die unter den aktuellen EHEC-Fällen stark überrepräsentiert sind) und weil viele Bio-Produzenten offensiv damit werben, dass sie auf "organische Dünger wie Mist und Gülle" setzen. Das in Deutschland für Seuchen zuständige Robert-Koch-Institut ermittelte zudem, dass die Erkrankten deutlich mehr Rohkost zu sich nahmen als der Durchschnittsbürger.

Weil HUS (unabhängig von der Resistenz der Keime) nicht mit Antibiotika behandelt werden kann, läuft seit dem 28. Mai in mehreren deutschen Krankenhäusern eine protokollierte Vergabe des von der Firma Alexion vertriebenen Medikaments Eculizumab, von dem eine Ampulle 5.800 Euro kostet und das der Zeitschrift Forbes zufolge das teuerste der Welt ist. Da sich der Eculizumab-Patentlizenznehmer von der Vergabe an deutsche HUS-Patienten jedoch eine deutlich schnellere Zulassung seines Medikaments für diesen Bereich erhofft, stellt er derzeit umsonst Ampullen zur Verfügung.

Eculizumab ist aktuell nur als Arzneimittel gegen die seltene Blutkrankheit Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie zugelassen. Vor wenigen Tagen erschien allerdings im New England Journal of Medicine ein Artikel von deutschen, französischen und kanadischen Medizinern, die drei an HUS erkrankte Kleinkinder, bei denen sonst keine Behandlung angeschlagen hatte, erfolgreich mit dem monoklonalen Antikörper behandelten, der auf die Komplementkomponente C5 wirkt. Das von EHEC produzierte Verotoxin aktiviert dieses eigentlich bei Infektionen nützliche Komplementsystem im Übermaß, wodurch es unter anderem zu einer Schädigung der Nieren kommen kann. Nachdem C5 durch Eculizumab geblockt wurde, klangen die Symptome bei den drei Kleinkindern ab und die Nierenfunktion normalisierte sich.

Gegenüber der Fachzeitschrift Nature meinte der an der protokollierten Vergabe beteiligte Medizinprofessor Reinhard Brunkhorst jedoch, man solle nicht zu optimistisch sein, da man sehr wenig Erfahrung mit dem Medikament habe. Relativ unklar ist bisher beispielsweise, in welchen Dosen und zu welchem Zeitpunkt man Eculizumab erwachsenen HUS-Patienten am besten verabreicht.

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