Die "Freiheit" will den Überwachungsstaat

Mit einer Mischung aus direkter Demokratie und staatlichen Spitzeln will die antiislamisch-rechte und gleichzeitig liberale Partei in Berlin punkten

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"Wir lieben die Freiheit" . Das ist das Motto der rechtspopulistischen Partei Die Freiheit um den ehemaligen CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz, dessen Liebe zu dem niederländischen Islamhasser Geerd Wilders selbst der Berliner CDU zu viel wurde, passt gut zu einer Partei, die sich selbst als "Bürgerrechtspartei" versteht.

Das Programm, dass sich die "Freiheit" für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September gegeben hat, scheint zunächst gut zu diesem Bekenntnis zu passen. Die Forderung nach direkter Demokratie findet sich sonst nicht als allererster Punkt in einem solchen Papier. Im Bundesrat will sich die Partei für "Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide sowie Referenden auf Bundesebene einsetzen, und auch die Forderung, Volksentscheide in Berlin vorzuschreiben, wenn es um die Privatisierung von öffentlichem Eigentum oder die Rekommunalisierung von Unternehmen geht, steht einer demokratischen Bürgerrechtspartei gut zu Gesicht.

Die Freiheit sollen allerdings nicht alle gleichermaßen genießen können. Vorurteile insbesondere gegenüber Muslimen, aber auch gegen Ausländer im Allgemeinen zeigen sich immer wieder im Wahlprogramm der "Freiheit". So beispielsweise wenn es heißt, die "staatliche Integrationsindustrie" solle auf ein Minimum beschränkt werden und von den Bedürftigen selbst finanziert werden.

Dass die Gesellschaft von gut gemachten Integrationsangeboten insgesamt profitiert, daran denken die Parteistrategen offenbar nicht. Tatsächlich stehen schon heute nicht allen interessierten Migranten Sprachkurse zeit- und wohnortsnah zur Verfügung. Doch ohne Sprachkenntnisse ist auch keine Integration in die Gesellschaft oder die Aufnahme einer geregelten Arbeit denkbar. So entstehen die Parallelgesellschaften, die die "Freiheit" selbst beklagt. Doch statt auf neue Mitbürger offen zuzugehen, will die Partei lieber die Vorschriften zum Moscheebau verschärfen. So kann Integration nicht gelingen.

Das Ergebnis ist Kriminalität, und die möchte die "Freiheit" energisch bekämpfen. "Unnütze Resozialisierungsmaßnahmen" in Gefängnissen sollen gestrichen werde, "straffällige Ausländer" ausgewiesen werden. Ähnliche Parolen plakatiert die rechtsextreme NPD.

Insgesamt hat die "Freiheit" ein äußerst gespaltenes Verhältnis zur Freiheit. Während sie sich im Bereich der Wirtschaftspolitik ausgesprochen liberal gibt, die Gewerbesteuer komplett abschaffen und eine Arbeitspflicht für alle Menschen zwischen 18 und 60 Jahren einführen will, träumt sie in der Innenpolitik vom starken Staat. Bei Ausschreitungen auf Versammlungen oder Widerstandshandlungen soll künftig Recht durchgesetzt werden, Deeskalationsstrategien sollen hinten anstehen. "Mobile taktische Reserven" der Polizei sollen Recht und Ordnung sicherstellen. Und auch die Überwachung des öffentlichen Raums soll ausgedehnt werden. Mehr Kameras sollen an Haltestellen, Bahnhöfen und in den öffentlichen Verkehrsmitteln selbst installiert werden, die Speicherfristen der Aufzeichnung will man "sinnvoll verlängern" - was das genau bedeutet, darüber schweigt sie sich aus.

Besonders am Herzen liegt der Partei die Bekämpfung politischer und religiöser Extremisten. Was genau unter Extremismus zu verstehen ist, darüber ist im Wahlprogramm der angeblichen Bürgerrechtspartei nichts zu finden, wohl aber, wie sie ihn bekämpfen will. Die Freiheit wolle eine gezielte elektronische Überwachung durchsetzen und den Einsatz von V-Leuten verstärken, heißt es da. Bezeichnenderweise verliert sie über die demokratische Kontrolle des Verfassungsschutzes kein einziges Wort.

Auch der Ex-Pirat und Mitbegründer der Freiheit, Stefan König, hat kein Problem mit dem Berliner Programm - man könne damit zufrieden sein, befindet er. Lediglich die Wirtschaftspolitik ist ihm in Teilen immer noch zu links.

Es stellt sich die Frage, wessen Freiheit es ist, die die "Freiheit" da so sehr liebt.