Der groteske Bericht der Internationalen Atomenergieorganisation

Anstatt kritisch zu prüfen, hilft die IAEA unverhohlen mit, die Pannen und Schlampereien rund um Fukushima zu verschleiern

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Die Internationale Atomenergieorganisation IAEA ist bekanntlich Teil der Atomlobby. Das wurde im Umgang mit dem Unfall im japanischen AKW Fukushima wieder deutlich vor Augen geführt. Die IAEA, die auch für Sicherheit im Umgang mit Atomenergie verantwortlich ist, stand unter dem aus Japan stammenden Generaldirektor Yukiya Amano sowohl den Vertuschungsaktionen und dem planlosen Reparaturarbeiten des Betreibers Tepco als auch der japanischen Regierung weitgehend unkritisch gegenüber. Man sah dem Treiben zu, verschloss wohlwollend die Augen und veröffentlichte nur die wenigen Daten, die man von Japan erhielt, anstatt deutlich zumindest die mangelnde Transparenz und das katastrophale Krisenmanagement zu rügen und auf Verbesserung zu dringen.

Jetzt legte die IAEA den Entwurf eines Berichts vor, der noch dem letzten Zweifler bestätigen sollte, dass die Organisation die Sicherheit der Atomenergie und damit die der Menschen nicht sonderlich ernst nimmt. Gerade einmal eine Woche war jetzt, zweieinhalb Monate nach der Havarie, ein Team vor Ort, um die Lage und die Ursachen zu erkunden und Lehren aus dem Unfall zu ziehen. Vorgelegt wird der endgültige Bericht am 20. Juni in Wien während eines Treffens.

Mike Weightman, der Leiter des IAEA-Teams, vor dem Reaktor 3 in Fukushima. Bild: Greg Webb/IAEA

Offenbar waren die Inspektoren nicht einmal willens, in ihren Bericht aufzunehmen, dass zumindest Reaktor 1 nicht erst durch die Flutwelle, sondern bereits durch das Erdbeben schwer beschädigt worden war, so dass das Kühlwasser auslief. Schon Stunden nach der Naturkatastrophe hatte sich die völlige Kernschmelze ereignet, was Tepco erst vor ein paar Tagen aufgrund von nicht verheimlichbaren Daten einräumen musste, zuvor war nur die Rede von einer möglichen und auch nur teilweisen Kernschmelze (Tepco konnte die Kernschmelze in Echtzeit verfolgen). Überdies hatte der Konzern mit der Duldung der japanischen Atomaufsicht bei der Kontrolle der Sicherheitssysteme geschlampt und getäuscht. Und die Regierung war vor schweren Erdbeben und Flutwellen gewarnt worden, denen Fukushima 1 nicht standhalten würden. Davon liest man im Bericht nichts, sondern nur, dass die Flutwelle die Sicherheitsvorkehrungen, die für eine maximale Welle von 5,7 m ausgelegt gewesen waren, überwunden haben.

Angeblich seien die japanische Regierung, die Aufsichtsbehörden und die KKW-Betreiber gegenüber dem IAEA-Team "extrem offen" gewesen, was man für Tepco und die japanische Regierung während der letzten Monate wirklich nicht sagen kann. Noch besser ist, dass das IAEA-Team das Krisenmanagement von Tepco vor Ort als "beispielhaft" bezeichnet, es habe "unter den außergewöhnlichen Umständen zu dem besten Ansatz zum Schutz der Sicherheit" geführt. Die japanischen Regierung wird gelobt, obgleich sie die Evakuierung hinausgezögert hatte, dass der von ihr gewährte Schutz der Menschen und die Evakuierung "beeindruckend und extrem gut organisiert" gewesen sei.

Schön ist auch, dass man noch der "Road-Map" zur "Wiederherstellung der havarierten Reaktoren" zustimmt, was zur Dekontamination der betroffenen Regionen führe, die wiederum erlaube, dass die Evakuierten zurückkehren können: "Damit wird der Welt demonstriert, was man als Antwort auf solche extremen nuklearen Ereignisse erreichen kann", heißt es in dem Bericht, wo natürlich das Wort Atomkatastrophe nicht verwendet wird, aber auch nicht erwähnt wird, dass Tepco gerade einräumen müsste, die Sicherung der Reaktoren nicht bis zum Ende des Jahres realisieren zu können, wie man zunächst angekündigt hatte, sondern dass dies mitunter sehr viel länger dauern könne (Fukushima: Weiter mit Pannen und Pleiten).

Milde wird nur im Bericht angeführt, dass die von Tsunami-Risiken ausgehenden Gefahren unterschätzt worden seien, dass zumindest Reaktor 1 bereits durch das Erdbeben beschädigt wurde, wird lieber verschwiegen. Natürlich wird ziemlich unkonkret auf die Verbesserung und die Kontrolle der Sicherheits- und Notfallsysteme durch die Atomaufsichtsbehörde hingewiesen. Der in Japan - und anderswo - existierende Filz zwischen Betreibern und Behörden (und Politikern) ist hingegen der Rede nicht wert, man muss sowieso vermuten, dass er auch bis in die IAEA hineinreicht, was dieser Bericht mit greller Deutlichkeit belegt. Geradezu grotesk ist der letzte Satz des Berichts:

Die IAEA-Mission fordert die internationale Atomgemeinschaft auf, aus der einzigartigen Gelegenheit, die vom Fukushima-Unglück geschaffen wurde, Nutzen zu ziehen, um zu lernen und die weltweite nukleare Sicherheit zu verbessern.