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Warnungen vor staatszersetzender Wirkung erhöhen die Aufmerksamkeit für die Open-Source-Währung Bitcoin

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Lange Zeit war es relative ruhig um die digitale Alternativwährung Bitcoin. Bis unlängst Jason Calacanis vom Investorenmagazin This Week in Startups verlautbarte, die P2P-Währung sei das "gefährlichste Projekt", das er jemals zu Gesicht bekommen habe. Ab diesem Zeitpunkt interessierten sich verstärkt Blogs und in deren Gefolge auch Mainstreammedien für die virtuellen Münzen.

Letzte Woche warnte schließlich der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) vor der Open-Source-Währung, die ihm zufolge "das Potenzial hat, dem Staat durch "Steuerhinterziehung, Geldwäsche [und] illegale Geschäfte" zu schaden. In vielen Ohren klingt das wie eine verdeckte Werbung.

Grafik: Public Domain.

Doch ist die Idee eines staatsunabhängigen digitalen Geldes nicht schon längst und oft gescheitert? Tatsächlich gab es seit den 1990er Jahren zahlreiche Versuche, solche Währungen einzuführen, die alle mehr oder weniger im Sande verliefen. Aber auch in sozialen Netzwerken wurde viel Startup-Geld verbrannt, bevor sich schließlich mit Facebook ein extrem erfolgreicher Standard durchsetzte. Und heute gibt es andere Voraussetzungen als vor 10 oder 15 Jahren:

Das Vertrauen in Dollar und Euro wird seit 2008 durch gigantische Bailouts unterminiert. Banken stehen nach der Finanzkrise als Kaiser ohne Kleider beziehungsweise zwielichtige Spieler ohne echte Deckungsreserve da. Durch Arbeits- und Risikoabwälzungsmaßnahmen wie dem SEPA-Verfahren erscheinen dem Kunden traditionelle Geldtransferangebote plötzlich gar nicht mehr so viel weniger umständlich und unsicher wie neue. Und staatliche Maßnahmen gegen Online-Glücksspiele, wie sie derzeit unter anderem in Deutschland geplant sind, könnten dem Open-Source-Geld einen Popularitätsschub geben und Anbieter sehr schnell dazu bewegen, die Währung zu akzeptieren, bevor Kunden in solchen Ländern ganz wegfallen oder zur Konkurrenz gehen.

Das liegt unter anderem daran, dass Bitcoin – ebenso wie Bargeld - den Vorzug der Anonymität bietet. Wird eine Bitmünze von einer Person zu einer anderen transferiert, dann signiert der Zahler einen Hash der vorherigen Transaktion mit seinem privaten digitalen Schlüssel und dem öffentlichen des Empfängers. Beide werden der Münzdatei an ihrem Ende hinzugefügt, so dass der Empfänger verifizieren kann, ob die Transaktion stimmt. Was er (ebenso wie bei Bargeld) nicht nachverfolgen kann, ist, für welche Zwecke das Geld in der Vergangenheit verwendet wurde.

Ein libertärer Trugschluss wäre es jedoch, anzunehmen, dass das, was man anonym hat, nicht besteuert werden kann. Die Vergangenheit zeigt nämlich, dass Staaten wenig Hemmungen haben, Abgaben pauschal oder durch Schätzung festzulegen. Allerdings können Bitcoin-Geldvorräte – anders als solche bei Banken – nicht eingefroren werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Transaktionskosten sehr niedrig liegen. Wo Banken Kontoführungs-, Karten- und Überweisungsgebühren verlangen, da kostet Bitcoin lediglich den Strom, den der Computer verbraucht. Wenig verwunderlich also, das derzeit sowohl PayPal als auch Kreditkartenfirmen den Handel mit der Bitcoin-Konkurenz verboten haben.

Das Open-Source-Geld gilt – anderes als etwa die Automaten deutscher Banken – zumindest derzeit als technisch sicher vor Manipulation. Bitcoins haben darüber hinaus den Vertrauens- und Akzeptanzvorteil, dass sie einzigartige auf der Festplatte oder auf Datenträgern gespeicherte digitale Münzen sind. Das vermittelt dem Nutzer Sicherheit – zumindest dann, wenn er regelmäßige Backups macht. Zudem sind die Münzen nicht beliebig, sondern nur durch aufwendige Rechenprozesse vermehrbar.

Grundlage der Bitcoins ist nämlich ein komplexer Algorithmus, über den die Münzen errechnet werden. Durch die frei zur Verfügung stehenden Client kann das theoretisch zwar jedermann, aber mit den derzeit normalen Notebook-Rechenkapazitäten würde das für ein einziges Exemplar fünf Jahre dauern und (ganz im Gegensatz zu einer bloßen Transaktion) mehr Strom verbrauchen, als die aktuell bei knapp 18 Dollar gehandelten Digitalmünzen derzeit wert sind.

Allerdings rechnen nicht nur die Köpfe hinter dem Projekt damit, dass der Wert der im Mai noch für weniger als sieben Dollar erhältlichen Münzen deutlich steigen wird: Dies liegt unter anderem daran, dass der Algorithmus angeblich dafür sorgt, dass bis 2040 lediglich 21 Millionen Bitcoins erzeugt werden können. Dann folgt eine geplante Deflation, die das Entwicklerteam um Gavin Andresen aufgrund der vielen Nachkommastellen der Münzen nicht als wirkliches Problem sieht.

Die Bitcoin-Entwickler gehen nach eigenen Angaben aber davon aus, dass Regierungen innerhalb der nächsten zwei Jahre beginnen werden, gegen ihr dezentrales P2P-Projekt einzuschreiten. Dann wird sich ihrer Ansicht nach zeigen, ob Besitz- und Nutzungsverbote greifen und ob Maßnahmen wie Deep-Packet-Inspection (DPI) Zahlungen aufdecken und verhindern können.

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