Die Rechte der Arbeitssuchenden

Grüne und Linke fordern die Abschaffung der Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger

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Am Montag beriet der Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales unter Vorsitz von Katja Kipping (Linke) zwei gleichermaßen diskussionswürdige Anträge. Die Grünen plädierten unter dem Titel "Rechte der Arbeitsuchenden stärken – Sanktionen aussetzen" dafür, die Eigeninitiative von Arbeitsuchenden zu fördern, gleichzeitig aber auch ihre Selbstbestimmungsrechte auszuweiten.

"Novum im Deutschen Bundestag"

Insbesondere sollten sie in Zukunft die Möglichkeit haben, "zwischen angemessenen Maßnahmen der Jobcenter zu wählen". Darüber hinaus traten die Grünen für die Einrichtung unabhängiger Ombudsstellen und ein Sanktionsmoratorium ein, das gelten soll, "bis die Rechte der Arbeitsuchenden gestärkt worden sind".

Die Linke ging noch mehrere Schritte weiter. Ihren Antrag wertete das "Netzwerk Grundeinkommen" bereits im Vorfeld als "Novum im Deutschen Bundestag". In der Parlamentsgeschichte sei noch nie ein Antrag eingebracht worden,

der in seiner Umsetzung das Menschen- und Grundrecht auf eine grundlegende Existenz- und Teilhabesicherung ´ohne Zwang zur Arbeit oder andere Gegenleistung´ einlösen würde.

Tatsächlich verlangt die Fraktion die Streichung sämtlicher Sanktionen im SGB II und die Abschaffung der Leistungsbeschränkungen im SGB XII.

Es liegt in der Verantwortung des Staates, Rahmenbedingungen für ausreichend gute, existenzsichernde Arbeitsplätze zu schaffen, um Erwerbslosigkeit wider Willen entgegenzuwirken.

Fraktion Die Linke

Expertenstreit und Statistiken

Die Befragung eines runden Dutzends Sachverständiger verlief schwerfällig und führte kaum zu neuen inhaltlichen Überlegungen. Auch die schriftlichen Stellungnahmen enthielten keine überraschenden Wendungen.

DGB-Vertreter Ingo Kolf bezweifelte erwartungsgemäß, dass die bestehenden Regeln mit der Vorstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar seien.

Die Jobcenter sind nicht in der Lage, vernünftige Angebote zu machen und greifen stattdessen auf diese Mittel zur Abschreckung zurück.

Ingo Kolf (DGB)

"Solidarität darf keine Einbahnstraße sein", hielt Christian Dorenkamp von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände dagegen. Schließlich trügen auch Geringverdiener zur Finanzierung der Grundsicherung bei und könnten deshalb eine Gegenleistung erwarten.

Die Antragsgegner wiesen überdies darauf hin, dass die Kürzung von Sozialtransfers nicht erst seit den Hartz-Gesetzen vorgesehen sei. Auch vorher hätten Erwerbsfähige zumutbare Schritte unternehmen müssen, um aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen.

Einige Diskussionsteilnehmer versuchten, das gesamte Thema zu marginalisieren, doch die statistischen Daten, welche die Bundesagentur für Arbeit im April ermittelte, zeigen, dass es hier um ein Problem von zunehmender Relevanz geht. Demnach wurden im Jahr 2010 insgesamt 829.000 Sanktionen ausgesprochen - 102.000, sprich: 14 Prozent mehr als 2009.

Die durchschnittliche Kürzung der monatlichen Bezüge bezifferte die Bundesagentur auf 123,72 Euro. Hauptgrund seien in gut der Hälfte aller Fälle Meldeversäumnisse der Erwerbslosen gewesen. Die Weigerung, ein vom Jobcenter als zumutbar betrachtetes Beschäftigungsverhältnis einzugehen, führte in 102.00 Fällen zu Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger.

Beispiel Oberhausen: Die gut 10.000 Langzeitarbeitslosen wurden 2010 mit 7.864 Sanktionen bedacht. Das Jobcenter kürzte bei ihnen den Regelsatz - oder die Erstattung von Miete und Heizkosten um bis zu 30 Prozent. Neueste Zahlen deuten auf einen weiteren Anstieg hin. Von Januar bis April 2011 wurden allein in Oberhausen 2.783 Sanktionen verhängt. In mehr als 60 Prozent der Fälle führte das Jobcenter auch hier Meldeversäumnisse als Grund für die Kürzungen an.