Ufos und Götter für den Endsieg

Die irrlichternden Ideen des Miguel Serrano

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Die Niederlage des Nationalsozialismus 1945 war total. Nirgendwo waren Anhänger der NS-Ideologie seitdem wieder politisch erfolgreich. Eine Antwort der Rechten auf diese Erfolglosigkeit ist die Flucht in höhere Sphären. Seit dem Kriegsende haben Ideologen des Nazismus begonnen, ihren Kampf ins mystische, esoterische, religiöse zu verlagern. Adolf Hitler wird das auserwählte Werkzeug höherer Mächte, der Feldzug gegen Demokratie und Judentum wird in spirituellen Regionen fortgesetzt. Ufos und Götter bereiten die Wiederkehr des Dritten Reiches vor. Einer der wichtigsten Exponenten dieser Richtung ist der Chilene Miguel Serrano. Seiner Feder entstammt eine besonders seltsame Mischung esoterischer und rechtsradikaler Lehren. In einer Zeit, in der alles Überirdische Konjunktur hat, finden die irrlichternen Ideen des Miguel Serrano wieder verstärkt Interesse.

Miguel Joaqin Diego del Carmen Fernández wird am 10 September 1917 in Santiago de Chile geboren. Mütterlicherseits stammt er aus dem gräflichen Geschlecht de la Sierra Bella. Die Serranos haben in ihren Reihen bekannte Dichter und viele Diplomaten. Als Miguel Serrano fünf Jahre alt ist, stirbt seine Mutter, nur drei Jahre später sein Vater. Er wächst zusammen mit drei Geschwistern bei seiner Großmutter väterlicherseits auf. Von 1929 bis 1934 besucht Miguel das Internado Nacional Barros Arana. In dieser Schule, die gute Beziehungen zu Deutschland hat, wird seine Bewunderung für alles, was deutsch ist, geweckt. Miguel gründet in dieser Zeit literarische Zirkel, die noch unpolitisch sind. Als Ende der 30iger Jahre sein Freund, der sozialistische angehende Schriftsteller Hector Barreto, bei einer Schlägerei mit Nazis stirbt, politisiert er sich. Er schreibt für linke Zeitschriften.

Schon bald wendet er sich aber desillusioniert von der Linken ab. Nach einem gescheiterten Putschversuch, bei dem 62 junge Angehörige des Movimento Nacional Socialista de Chile (Nationalsozialistische Bewegung Chiles) erschossen werden, ergreift er Partei für die Bewegung. Er schreibt für die Zeitung der Gruppe, die sich inzwischen Vanguarda Popular Socialista (Sozialistische Volksavantgarde) nennt. Ab 1941 gibt er das pro-deutsche Magazin La Nueva Edad (Das neue Zeitalter) heraus. 1941 liest Serrano zum ersten Mal die antisemitischen Protokolle der Weisen von Zion. Er ist beeindruckt. War sein Hauptfeind bis jetzt der Marxismus, so wird er nun zum eingeschworenen Antisemiten. Später wird er versuchen, die Juden als das transzendental Böse zu entlarven.

Schon damals beginnt Serrano, seinen Nazismus mit Esoterik zu durchmischen. 1942 schließt er sich einem Geheimorden an, der Ritualmagie und Yoga praktiziert. In diesem Orden wird Adolf Hitler als Eingeweihter betrachtet, man sucht nach spirituellen Wirkmächten hinter der Weltgeschichte. Nach dem Ende des Dritten Reiches geht man davon aus, dass Hitler in der Antarktis weiter lebt. 1947/48 schließt sich Serrano einer Expedition der chilenischen Armee dorthin an. Er veröffentlicht ein Buch über diese Reise.

1951 reist er durch Europa. Er pilgert zu Hitlers Berghof in Bayern. In der Schweiz lernt er den Literatur-Nobelpreisträger Herman Hesse kennen, mit dem er Freundschaft schließt. Er begegnet dem Psychologen C. G. Jung. Auch mit ihm entwickelt sich ein reger Gedankenaustausch. Jung Archetypenlehre beeinflusst Serrano stark. Über die Beziehung zu diesen Männern schreibt er das Buch El circulo hermético de Hesse a Jung (Meine Begegnungen mit C.G Jung und Hermann Hesse in visionärer Schau).

1953 tritt Serrano in den diplomatischen Dienst ein und wird nach Indien geschickt. Er bringt es bis zum Botschafter. Dort setzt er seine spirituelle Suche fort. Er besucht heilige Orte und Gurus. Er schließt Freundschaft mit Pandit Nehru, Indira Ghandi und dem Dalai Lama. Er schreibt weiter Bücher spirituelle Themen. 1962 bis 1964 ist er Botschafter in Jugoslawien mit gleichzeitiger Akkreditierung in Bulgarien und Rumänien, 1964-70 Botschafter in Österreich. Er wird zum chilenischen Abgeordneten der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung, United Nations Industrial Development Organization (UNIDO).

Anfang der 70er Jahre entlässt Salvador Allende, der neu gewählte linke Präsident Chiles, Serrano aus dem diplomatischen Dienst. Der verbringt die nächsten Jahre als freier Schriftsteller im Schweizer Tessin. Die linke Machtübernahme in Chile und das Ende seiner Karriere führen dazu, dass sich Serrano wieder dem Hitlerismus seiner Jugend zuwendet. Es erscheint seine NS-spirituelle Trilogie El Cordón Dorado: Hitlerismo Esoterico (Das goldene Band: Esoterischer Hitlerismus), Adolf Hitler, el Último Avatar (Adolf Hitler, der letzte Avatar) und Manu - Por el hombre quevendra (Manu - "Für den, der da kommen wird"). Seine nazistisch-gnostische Mixtur, eine Art Science Fiction für Übermenschen, sichert ihm die Aufmerksamkeit führender Aktivisten des internationalen Nazi-Untergrunds. Er schließt Freundschaft mit dem ehemaligen SS-General Léon Degrelle, dem Mussolini-Befreier Otto Skorzeny und dem Flieger-Star Hans Ulrich Rudel. Serrano trifft den Theoretiker des italienischen Faschismus, Julius Evola, den Ex-Direktor von Himmler Ahnenerbe, Herman Wirth und den antisemitischen Dichter Ezra Pound.

Nach dem Militärputsch vom September 1973 kehrt Serrano nach Chile zurück. Als rechtsradikales Enfant terrible im schwarzen Ledermantel ist er der chilenischen Öffentlichkeit bekannt. Er wirkt unermüdlich als Führer der hart gesottenen Nazi-Anhänger bei Aktionen und Großkundgebungen. Miguel Serrano stirbt am 28 Februar 2009 in Santiago de Chile.

Serrano amalgamiert in seinem Weltanschauungs-Cocktail weit auseinander liegende, oft eigentlich unverbundene Ideenfragmente: Hinduismus und Christentum, Islam, indoeuropäisches Heidentum, Alchimie, Magie und Gnosis dienen ihm als ideologischer Mosaiksteine. Wir treffen auf Katharer, Tempelritter, Druiden und Rosenkreuzer. Wild assoziierend findet Serrano sein goldenes Band auf dem Weg durch die Geschichte, die spirituelle Tradition, deren neuzeitlicher Ausdruck der Esoterische Hitlerismus ist.

Miguel Serrano entwirft ein Drama von kosmischen Ausmaßen. Exoterisch gesehen hat das Dritte Reich den Zweiten Weltkrieg verloren, doch auf der feinstofflichen Ebene geht der Kampf bis heute weiter. Es ist nicht nur ein Kampf zwischen Menschen, sondern auch zwischen überzeitlichen Mächten. Geheime Obere benutzten und benutzen Adolf Hitler im Kampf des Lichts gegen die Finsternis, der seinen Ursprung auf anderen Planeten hat. Die Arier stammen ursprünglich nicht von der Erde. Ihre Vorfahren sind weiße Götter, die bei der Schwarzen Sonne lebten, die vielleicht sogar in einer anderen Dimension liegt.

Adolf Hitler ist nicht tot. Er lebt und kämpft im Inneren der Erde, auf dem Kontinent Hyperborea, dessen Eingang in der Antarktis ist. Inzwischen ist er vielleicht sogar per UFO im Weltall verschwunden. Im Rahmen der Nietzscheanischen Ewigen Wiederkunft ist es nur eine Frage der Zeit, bis die arischen Halbgötter mit ihrem Führer wiederkehren und siegen. Die Kräfte der Verstofflichung und Dunkelheit, die im Judentum personifiziert sind, werden sie nicht aufhalten können. Adolf Hitler ist, wie Serrano im Anschluss an die ebenfalls exzentrische Wahlinderin Savitri Devi sagt, ein Avatar Vishnus. Er ist ein Boddhisattva, der eigentlich das Nirvana erreicht hat, aber noch einmal auf die Erde kommt, um den Menschen bei der Erleuchtung zu helfen. Der Hitlergruß ist ein Mudra, eine spirituelle Stellung, durch die kosmische Energie in die Chakren, spirituelle Energiezentren im Menschen, einfließt.

Wichtiges Vehikel im Kampf gegen die dunklen Mächte ist die Hitlersche SS. Sie ist ein esoterischer Orden auf der Suche nach dem Heiligen Gral. Sie ist die Erbin der Templer und Katharer. Hitler und SS sind Adepten des Tantrismus, einer unorthodoxen hinduistischen Lehre. Mit Hilfe des Yoga realisiert der Eingeweihte seine Identität mit Shiva, der auch Apollo, Luzifer und Wotan ist. Wotan ist ein Archetyp im Sinne von C G. Jung, ein Urbild im kollektiven Unbewussten des arischen Menschen. Der semitische Jehova ist hingegen der Demiurg, der böse Gegengott. Er hat die minderwertigen dunklen Rassen, Tiermenschen, geschaffen und mit den Juden ein Bündnis gegen den Arier geschlossen. Die Juden sind das absolut Böse. Alles Chaos, alles Leiden und alle Sünde gehen auf ihr Konto.

Die spirituellen Ritter der SS haben keinen Holocaust begangen. Die Opferzahl von 6 Millionen "angeblich" ermordeten Juden ist eine Erfindung. Die Zahl 6 ist in der jüdischen mystischen Kabbala von Bedeutung. Sie kommt aus dem jüdischen kollektiven Unbewussten.

Auf die Frage, wie Serrano zu seinen Einsichten kommt, weist er auf die arische "Erberinnerung" hin. Auch ist der spirituelle Meister Serranos Hitler im Ätherleib auf der Astralebene begegnet. Serranos Spiritualisierung des Nationalsozialismus ist also das Ergebnis einer religiösen Schau. Der moralische, militärische und politische Bankrott des Drittes Reiches wird einfach geleugnet, in Serranos Gnosis wird es unbesiegbar.

Der offene Nazismus Miguel Serranos scheint manche Künstler aus der Darkwave-Szene nicht abzuschrecken. Die Musik der chilenischen Formation Der Arbeiter, die Einflüsse aus dem Neofolk und Military-Pop beinhaltet, ist durchsetzt mit Referenzen zu seiner Esoterik. Auch Bands wie Barbarossa Umtrunk und Harvest Rain beziehen sich stark auf den chilenischen Seher zweifelhafter Provenienz. Ein ganzer Gedächtnis-Sampler, mit Beiträgen von Ambient über Industrial bis Black Metal, für Serrano zeugt von der vermehrten Präsenz seiner Ideen in musikalischen Subkulturen.

Selbst manchen Nazis wird die krause Mischung, die Serrano in seinen Büchern anbietet, zu weit gehen. Die Gefahr ist jedoch, dass gerade ein esoterisches Publikum, das assoziative Gedankenflüge, wie sie Serrano ausheckt, liebt, das einfach gerne irgendetwas glaubt und sich um Beweise nicht schert, die Werke des chilenischen Sehers für sich entdeckt. Die Gefahr ist, dass der Nationalsozialismus durch einen völlig neuen Kontext nicht zuletzt auch für Jugendliche wieder genießbar wird.

So geht es darum, einem zweifachen - nazistischen und esoterischen - Irrationalismus gegenüber doppelt wachsam zu sein.

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