USA: Skepsis gegenüber dem Erdgas-Hype

"Reminds you of dot-coms" - ein Zeitungsbericht veröffentlicht den E-Mailverkehr von Unternehmern und Analysanten, die starke Zweifel an versprochenen Fördermengen äußern

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Der amerikanische Präsident Obama setzt Hoffnungen auf Erdgas als saubere Energiequelle (Was der US-Präsident unter sauberer Energie versteht). Mit ihm tun das viele Investoren, zahlreiche Förderunternehmen und die Wirtschaft in den Förderregionen.

Staatliche Subventionen für das Erdgasgeschäft sollen in der nächsten Zeit verstärkt werden. In den USA habe sich ein Rausch ("Natural Gas Rush") für diese Energiequelle, die als kostengünstig und zukunftsträchtig beworben wird, entwickelt, berichtet die New York Times.

Doch warnt die Zeitung nun davor, dass sich das Erdgasbusiness in den USA als Blase herausstellen könnte. Weil die Erdgasförderung schmutziger ist und teurer kommt, als man gedacht hat und die Reservoirs kleiner. Investitionen könnten im Sedimentgestein verschwinden und Konsumenten mit höheren Rechnungen konfrontiert werden statt mit niedrigeren, wie es ihnen der Hype ums Gas versprochen habe. Als Grundlage für eine möglicherweise notwendige Neubewertung führt die Zeitung Hunderte von E-Mails an, derer sie habhaft geworden ist und dazu Daten über Fördermengen.

Die Mails stammen aus der Chefetage von Energie- und Förderunternehmen, von Unternehmensanwälten, staatlichen Geologen und Marktanalytikern und drücken in Teils drastischer Weise ("grundsätzlich unprofitabel", "giant Ponzi schemes", "looks like crap" ) große Vorbehalte aus, was die versprochenen Förderungsmöglichkeiten und die Menge des Erdgas-Reservoirs betrifft. Beides sei übertrieben dargestellt worden, so die Tendenz der veröffentlichten Einschätzungen - denen dazu befragte Repräsentanten von Förderunternehmen, z.B. Chesapeake freilich öffentlich widersprechen: Die Mehrheit der Lagerstätten sei noch in 30 Jahren produktiv, behauptet der Chesapeake-Sprecher.

"Unprofitabel"

Demgegenüber präsentiert die Zeitung die Auswertung von Daten, angeblich von 9.000 Förderstätten im Zeitraum von 2003 bis 2009, die zeigen würden, dass bei weitem nicht soviel Erdgas produziert wird, wie man sich versprochen hatte. In den großen Schiefergesteinslagern, dem Barnett Shale in Texas, dem Haynesville im Osten Texas und in Louisiana und dem Fayetteville Shale in Arkansas, würden weniger als 20 Prozent der von den Unternehmen als profitabel angegebenen Areale unter gegenwärtigen Marktbedingungen tatsächlich als "wahrscheinlich profitabel" gewertet werden.

Als Quelle für diese Expertise gibt der Zeitungsbericht allerdings auch nur ungenannte Analytiker an. Doch laden die Vorausssagen von Förderunternehmen, die mit einer profitablen Produktion im Zeitraum von 20 bis 65 Jahren werben, zu vorsichtigeren Gegenbewertungen geradezu ein.

Um so mehr als die Erdgasförderung aus solchen sogenannten unkonventionellen Lagerstätten sehr aufwendig ist. Das Gas ist dort in kleinen Kammern im Sedimentgestein eingeschlossen und wird durch das sogenannte Fracking gewonnen. Hierzu wird mit Chemikalien versetztes Wasser unter hohem Druck in die entsprechenden Schichten gedrückt, wodurch sich zahlreiche Risse ("fractures") bilden und das Gas dadurch entweicht. Die Lösungen, die dabei verwendet werden, sind, um es gelinde auszudrücken, nicht gerade umweltfreundlich - in der Folge kann das Grundwasser und damit das Trinkwasser stark verunreinigt werden.

Ende Januar sorgte eine Meldung für größeres Aufsehen, wonach ein Kongressausschuss herausfand, dass Förderunternehmen zum Fracking 32 Millionen Gallonen Diesel in den Untergrund gepumpt hatten (mehr dazu: Pest oder Cholera?).

Währenddessen freut man sich aktuell in der Haynesville Shale-Region über die Belebung der Wirtschaft, neue Jobs, mehr Wohlstand - auch für die Kommunen, mehr verkaufte Autos, Lastwagen und Häuser:

With Haynesville Shale activity came new jobs in the oil and natural gas industry — from expanded field and pipeline operations to the opening and expansion of offices and support industry facilities — as well as new wealth for property owners and increased funding for local government. With that growth comes opportunities in other industries to feed more customers, sell more cars, trucks and homes, rent more property and do more business in many other sectors.