Der versteckte Sündenfall der FDP

Was als Kompromiss bei der Verlängerung der "Antiterrorgesetze" dargestellt wird, sind neue Befugnisse, die teilweise problematischer sind als die vorherigen

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Zum vierten Mal in Folge sind die 2001 noch unter Otto Schily beschlossenen „Antiterrorgesetze“ verlängert worden. Der „erbitterte Koalitionsstreit“ hat sich unvermutet schnell doch in Wohlgefallen aufgelöst und beide Seiten zeigten sich zufrieden mit dem Ergebnis. Wie der Stern sehr treffend konstatierte, ist dies wohl eher die Demonstration eines Zusammenhalts, denn eine bürgerrechtsfreundliche Einigung.

Betrachtet man die einzelnen Punkte näher, so ist vor allen Dingen auffallend, dass die gestrichenen Befugnisse jene sind, die sowieso kaum angewendet wurden und die durch neuere Technik überholt sind. Der „kleine Lauschangriff“ beispielsweise, bei dem Beamte mit Mikrophonen ausgestattet werden, entfällt, ebenso wie die Auskunftspflicht über den Postverkehr. Diese Zugeständnisse des Innenministers sind insofern reine Makulatur.

Die Einsicht in Bankschließfächer, die Herr Friedrich begehrte, wurde ebenfalls abgelehnt und Unternehmen, die sich weigern, den Geheimdiensten Kundendaten zu übermitteln, werden keine Bußgelder zu befürchten haben. Der letzte Punkt ist gerade dann nur wenig beruhigend, wenn die Änderungen in Bezug auf Konten(stamm)- und Flugdaten betrachtet.

Warum sich die Mühe machen?

So weigerten sich beispielsweise Fluggesellschaften, Auskunft über bestimmte Flugpassagiere zu erteilen. Dass diese Unternehmen nun bei ihrem Beharren auf Datenschutz und Privatsphäre nicht mit Bußgeldern zu rechnen haben, lässt sich nur dann gut an, wenn nicht zeitgleich diese Auskünfte von „zentralen Stellen“ aus eingeholt werden dürfen, wie es nunmehr möglich sein wird. Im Falle der Flugpassagierdaten heißt dies, dass sich die Geheimdienste nicht mehr als die Fluggesellschaft wenden müssen, sondern die Daten vom zentralen Buchungssystem Amadeus aus erhalten.

Noch unangenehmer stellt sich diese Veränderung bei den Kontodaten dar. Hier gibt es derzeit noch keine zentrale Stelle, was letztendlich also bedeutet, dass eine solche geschaffen werden wird. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar stellt in seinem Blog denn auch fest:

Zunächst einmal ist festzustellen, dass es sich - entgegen der Überschrift - bei den neuen Befugnissen nicht bloß um Effizienzsteigerungen handelt, sondern um eigenständige neue Befugnisse. Der Verfassungsschutz soll nämlich nicht nur an die Fluggesellschaften selbst herantreten dürfen, sondern die Daten bei den Buchungssystemen (etwa bei Amadeus) abfragen dürfen. Zusätzlich soll die Behörde die Befugnis erhalten, Kontenstammdaten abzufragen. Die Kontostammdatenabfrage soll dabei offensichtlich über ein zentrales System laufen, für das die Banken die entsprechenden Daten zur Verfügung zu stellen haben. Nach den Erfahrungen mit ähnlichen Befugnissen anderer Behörden ist damit zu rechnen, dass diese Befugnisse vom Verfassungsschutz rege genutzt werden.

Eine unabhängige, wissenschaftliche Evaluation der Gesetze soll es nicht geben, stattdessen wird eine Regierungskommission ins Leben gerufen, was an „ ... dann gründe ich einen Arbeitskreis“ erinnert.

Die Senkung der Höchstspeicherfrist für Daten, die im Zuge der „Terrorfahndung“ erhoben wurden, von 15 auf 10 Jahre kann ebenfalls kaum als „großer Wurf“ bezeichnet werden. Für etliche der Daten gilt diese verkürzte Speicherfrist bereits jetzt. Auch hier sieht Peter Schaar kaum Verbesserungen:

Die Herabsetzung der Speicherdauer um fünf Jahre betrifft nur Daten über Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden und für Bestrebungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Außerdem handelt es sich nicht um eine absolute Grenze, sondern um eine Aussonderungsprüffrist, bei der der Behördenleiter oder sein Vertreter in jedem Einzelfall die fortdauernde Speicherung anordnen kann.

Sein Fazit ist dementsprechend, auch wenn es sich zunächst nur um Eckpunkte handelt, wenig positiv oder gar enthusiastisch, zumal der wichtigste Punkt, die Vorratsdatenspeicherung, außen vor blieb. Dazu kommt, dass für den Bundesdatenschutzbeauftragten nicht ersichtlich ist, wie sich manche Prüfungsbefugnisse für ihn gestalten werden:

Schließlich ist davon die Rede, dass die parlamentarische Kontrolle durch die G10-Kommission des Deutschen Bundestages auf die Einholung von Auskünften von Luftfahrtunternehmen (einschließlich der Abfrage bei zentralen Buchungssystemen) und die Einholung von Auskünften von Unternehmen der Finanzbranche (einschließlich der Abfrage von Kontostanddaten) erstreckt werden soll. Hier stellt sich die Frage, ob - wie bereits bei anderen Maßnahmen, die der Kontrolle der G10-Kommission unterliegen - zukünftig keine Prüfbefugnis für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz mehr besteht.

Peter Schaar widerspricht mit seiner Einschätzung klar der Aussage der Bundesjustizministerin, die eher den Eindruck erweckte, durch die neuen Eckpunkte seien lediglich bisherige Befugnisse verlängert worden, ohne diese zu erweitern.

Bedenkt man, dass Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit ihrem „Alternativvorschlag“ zur Vorratsdatenspeicherung eine 7-tägige Vorratsdatenspeicherung etablieren will, so stellt sich die Frage, in welcher Hinsicht die FDP sich hier - gerade auch in der Person der Bundesjustizministerin - als Bürgerrechtspartei darstellen will. Das, was außer den Lippenbekenntnissen bisher dabei herausgekommen ist, stellt eher ein Einknicken gegenüber dem großen Koalitionspartner dar, hat aber mit der Bewahrung der Bürgerrechte, mit einer kritischen Betrachtung der seit 2001 geltenden „Antiterrorgesetzen“ oder gar dem Beharren auf Verbesserungen und unabhängigen Evaluationen nichts mehr zu tun. Im Gegenteil.

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