Es darf keine überwachungsfreien Inseln geben

Versteckt im Geldwäschegesetz findet sich ein Passus, der anonyme Bezahlmöglichkeiten im Internet quasi abschaffen soll

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Give, give, give, me more, more, more

Der verstorbene Berner Politiker Kurt Wasserfallen war es, der die Weigerung der Schweiz, sich der präventiven Telekommunikationsüberwachung gegenüber aufgeschlossen zu zeigen, dahin gehend kommentierte, dass aus der Schweiz keine überwachungsfreie Insel werden dürfe. Eine Argumentation, die letztendlich auf dem wohlbekannten "Nichts zu verbergen" fußt und alles das, was nicht überwacht werden kann und wird, als Bedrohung deklariert. Nur das, was auch überwacht und kontrolliert werden kann, ist somit ungefährlich, alles andere gilt es zu diffamieren, nicht nur medial zu zerlegen und am Schluss dem Überwachungsgebilde hinzuzufügen.

Da zur Terrorbekämpfung, die für vielerlei solcher Maßnahmen als Begründung genutzt wird, letztendlich auch gehören muss, dass die Finanzierung des Terrors unterbunden wird, ist es insofern logisch nachvollziehbar, dass größere Geldströme überwacht werden sollen. Ferner muss die Geldwäsche unmöglich gemacht werden, die Terror, Kinderpornografie usw. erst möglich macht. Diese "alternativlose Logik" führt dazu, dass auch beim Thema Geld die Überwachung zumindest großer Geldströme bereits seit Langem anerkannt und akzeptiert ist.

It's yer money I'm after, baby

Durch das Internet ergeben sich nun aber Möglichkeiten, sich der Überwachung des Geldes zu entziehen, weshalb es notwendig wurde und wird, auch hier wieder einen Grund dafür zu finden, dass es keine "überwachungsfreien Inseln" geben darf. Vereinfacht gesagt muss die Überwachung auch bei Kleinstbeträgen möglich sein und anonyme Bezahlungsmöglichkeiten müssen eingeschränkt bis verboten werden.

Es verwundert insofern wenig, dass, ein wenig versteckt im neuen Geldwäschegesetzentwurf, die anonyme Bezahlung im Internet einer kontrollierten/überwachten Bezahlung weichen muss.

Wer sein Geld in sogenanntes E-Geld umtauscht, soll in Zukunft nicht mehr anonym, sondern nur noch nach kontrollierter Identitätsfeststellung dazu befugt sein. Verkaufsstellen und Händler von Karten wie der Paysafe-Card sollen künftig die Identität des Kartenerwerbers überprüfen und die entsprechenden Daten speichern, sodass diese im Bedarfsfall kontrolliert werden können.

Unbearable (Unerträglich)

Während Paysafe selbst sich gelassen gibt, ist dieses Vorgehen für den Datenschützer Dr. Thilo Weichert nicht hinnehmbar. In einer Pressemitteilung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein zeigt er sich insbesondere hinsichtlich der Tatsache, dass die Paysafecard immerhin mit EU-Forschungsgeldern finanziert wurde, konsterniert, übt aber auch sonst heftige Kritik an dem Gesetzentwurf:

Der Gesetzesvorschlag kommt aus heiterem Himmel, versteckt in einem unverdächtigen Gesetz und auf leisen Pfoten. Würde er umgesetzt, so wäre das eine Katastrophe für den Datenschutz im Internet und für dortige Bezahlsysteme: Es wäre praktisch nicht mehr möglich, im Internet - aber auch anderswo elektronisch - anonym einzukaufen. Die Identifizierungspflicht, für die kein Schwellenwert vorgesehen ist, würde dazu führen, dass anonymes Einkaufen und Bezahlen ausgeschlossen wäre, selbst wenn es nur um Centbeträge geht. Mit Geldwäschebekämpfung hat dies nichts zu tun. Zu tun hat dies mit dem Bestreben einiger Sicherheitsfanatiker, alle von uns zunehmend elektronisch hinterlassenen Spuren zu personifizieren. Dies bringt nicht mehr Sicherheit, konterkariert aber anonyme Online-Bezahlsysteme. So würde z. B. die Paysafecard, die mit EU-Forschungsmitteln entwickelt wurde, im Kern infrage gestellt. Das Gesetzesprojekt steht im Widerspruch zu dem verfassungsrechtlich begründeten Gebot im Telemediengesetz, die Nutzung von Online-Diensten anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen.

In der Langfassung der Kritik geht Weichert auch noch einmal auf die Unterschiede ein, die sich durch ein solches Gesetz zwischen dem Leben innerhalb des Netzes und außerhalb des Netzes ergeben würden:

Auch im Falle der Barzahlung ist eine Identifizierung nicht in jedem Fall geboten, was etwa beim Erwerb von Spielmarken deutlich wird. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 GwG besteht unbeschadet des Absatzes 2 für Verpflichtete im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 11 GwG die Pflicht zur Identifizierung von Kunden, die Spielmarken im Wert von 2.000 EUR oder mehr kaufen oder verkaufen. Der Erwerb einer nicht wiederaufladbaren Prepaid-Karte für etwa 20 EUR kann im Vergleich hiermit kein weitaus höheres Risikopotenzial begründen als der Erwerb von Spielmarken im Wert von z. B. 1.500 EUR.

Diese Argumentation ist nachvollziehbar, sie mündet aber eher in dem Gedanken, dass die Regelungen im "Realen Leben" denen im Internet folgen werden. Weshalb, wenn der Erwerb einer Prepaidkarte ohne Identifikation nicht mehr möglich sein sollte, eine anonyme Zahlung außerhalb des Netzes aber problemlos erfolgen könnte, würde sich kaum jemandem erschließen. Damit stünde aber der Überlegung, Bargeld an sich abzuschaffen und an dessen Stelle ein möglichst großflächig kontrollierbares und überwachbares Zahlungssystem mit Karten zu etablieren, nichts mehr im Wege. Der Begründungen gäbe es viele - Verhinderung von Schwarzarbeit und Sozialbetrug, Geldwäscheverhinderung, Verhinderung von Korruption usw.

Anonyme Bezahlmöglichkeiten im Internet zu verbieten, kann insofern nur ein erster Schritt sein, der dem Menschen eine weitere "nicht überwachbare Insel" nimmt und ihn stattdessen weiter in das Meer der Totalüberwachung wirft.

(Die Zwischenüberschriften sind The Wonderstuff gewidmet)

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