Zigaretten nur noch für Kranke

Ein isländischer Zehnjahresplan will dem Kulturphänomen Rauchen mit ausgedehnten Verboten, höheren Preisen und Glimmstengel auf Rezept beikommen

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Die Chancen, dass das neue Anti-Raucher-Gesetz in seiner radikalen Fassung angenommen wird, wird vom Berater des isländischen Welfare-Ministers stark angezweifelt.

Ich seh in jedem Stern, der glüht, nur deine Zigarette glimmen.

Wolf Wondratschek

Das Ministry of Welfare, Velferðarráðuneyti, ist die Adresse, wo der Gesetzesvorschlag praktisch umgesetzt würde. Wahrscheinlich werde das Gesetz mit einigen Änderungsvorschlägen vom Gesundheitsausschuss des Parlaments bearbeitet und von dort aus, modifiziert, ans Wohlfahrtsministerium gehen, spekuliert eine isländische Zeitung.

Für die Initiatorin des Gesetzesentwurfes, die frühere Umwelt- und später Gesundheitsministerin (2006-2007) Siv Fridleifsdottir ist es "nur eine Frage der Zeit", bis sich ihre radikalen Maßnahmen durchsetzen würden, sie gibt sich aber optimistisch, dass eine Reihe von Maßnahmen schon jetzt Zustimmung bekommen werden. Vor Jahren sei ja auch das Rauchverbot in Flugzeugen und später in Restaurants noch als radikal empfunden worden. So werde es sich wahrscheinlich auch mit ihren Vorschlägen verhalten.

Diese führen Gedanken, die seit geraumer Zeit in Diskussionen über Rauchen, Gesundheitsschäden und Öffentlichkeit auftauchen, noch weiter. Bis zu dem Punkt, dass Raucher als Kranke gelten, die ihre Krankheit, die Sucht, nur mehr in der engsten privaten Zone, im Zusammensein nur mit anderen Kranken, keinesfalls mit Kindern, zu hohen Preisen, mit einigem Nachschubproblemen, im Anblick einer Zigarettenpackung aus braunen Packpapier mit abschreckenden Bildern von Lungenkranken leben können sollen.

Nach dem neuen Gesetzesvorschlag soll der Verkauf von Zigaretten künftig in "normalen Geschäften" verboten sein. Sie dürfen nur mehr in Apotheken gehandelt und langfristig nur mehr an Kunden vergeben werden, die ein Rezept von ihrem Arzt vorweisen können, dessen Anstrengungen gescheitert sind, den Patienten von dessen Sucht abzubringen.

Verbote und neues Framing des Rauchens

Der Gesetzesvorschlag ist Teil eines 10-Jahres-Plans, der vorsieht, das Rauchen an allen öffentlichen Orten, einschließlich Bürgersteige und Parks zu verbieten. Und ebenso im Auto, falls Kinder mitfahren. Ähnlich wie dies in Australien ab 2012 der Fall sein soll, soll Islands Regierung die Tabakproduzenten dazu verpflichten, Zigaretten in einheitlichen, braunen Packungen zu verkaufen, mit Gesundheitswarnungen statt Markenglamour. Filme, in denen geraucht wird, sollen nicht mehr vom Staat unterstützt und gefördert werden.

Der Gesetzesvorschlag wird von einer Koalition aus Anti-Raucher/Anti-Tabak-Gruppierungen und einem Verbund isländischer Mediziner (Icelandic Medical Association) unterstützt. Fridleifsdottir geht es vor allem darum, Kinder und Jugendlichen davon abzuhalten, dass sie irgendwann zu Zigaretten greifen. Sie war bereits Initiatorin der bisher gültigen Anti-Raucher-Gesetzgebung. Aufklärungskampagnen in Schulen und in sozialen Netzwerken sollen der jüngeren Generation ermöglichen, die negativen Folgen des Rauchens zu begreifen. Pädagogik alleine reiche aber nicht.

Preispolitik

Zunächst will Fridleifsdottir die Zigarettenpreise erhöhen, jährlich um zehn Prozent. Für den Erfolg dieser Maßnahme legt sie Zahlen vor, wonach eine zehnprozentige Erhöhung zu einer 4- bis 8-prozentigen Reduktion des Tabakkonsums führt.

Am Ende des Zehnjahresplans würden sie dann so "billig wie nie" verteilt, eben über Apotheken auf Rezept, so Thorarinn Gudnason, Präsident der isländischen Kardiologengemeinschaft, gegenüber dem Guardian - Suchtkranke sollten nicht extra besteuert werden:

Under our plan, smokers who are given prescriptions will be diagnosed as addicts, and we don't think the government should tax addicts.

Die bisherigen Preise für Zigaretten entsprächen nicht den tatsächlichen Kosten für die Gesellschaft:

A packet currently costs around 1,000 krona [£5.50], but if you factor in the cost of sick leave, reduced productivity due to smoking breaks and premature retirement on health grounds, it should really be 3,000 krona.

Das süchtige Verlangen nach Zigaretten vergleicht Gudnason mit der Heroinsucht, nicht was die Nebeneffekte anbelangt, aber den Grad der Sucht und wie schnell sie den Konsumenten beherrscht. Künftig sollen seiner Auffassung nach Zigaretten wie Arzneimittel lizensiert werden, was zur Folge hätte, dass sie aufgrund bekannter möglicher Folgen, wie Lungenkrebs, COPD und Herzinfarkte, möglicherweise gar nicht auf den Markt kämen, so Gudnason, der damit einen möglichen Weg anspricht, den Verkauf von Zigaretten letzlich (im Zwanzigjahresplan?) ganz zu verbieten.

Auch er verweist auf vergleichsweise hohe Zahlen der Todesfälle durch Krankheiten, deren Entstehung durch übermäßigen Tabaksgenuss befördert wird. In Island würden jährlich 1.500 Menschen sterben und 300 davon durch Krankheiten, wie die oben geschilderten.

That's 20% of all deaths. We think that our proposals could lead to a significant reduction in smoking-related deaths - perhaps down to just 100 annually.

Dass man in Island die "Raucherquote" in den letzten 20 Jahren von 30% auf 15% halbieren konnte, wird mit der erhöhten Besteuerung in Zusammenhang gebracht. Dazu käme, dass sich die Isländer, die der Finanzkrise von 2008 besonders stark ausgesetzt waren, die hohen Preise für Zigaretten nicht mehr leisten wollten.

Als zusätzliche Sanktionsmöglichkeit bringt der isländische Kardiologenverbandschef das Beispiel schwedischer Ärztekollegen ins Spiel. Dort würden sich Chirurgen weigern, Raucher zu operieren, weil deren Sucht die Heilungschancen verschlechtert.