Konsequent die Abhängigkeit von Russland verringern

In Afrika setzt Deutschland darauf, seine Erdgasversorgung zu diversifizieren

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In den vergangenen Jahren machte es Moskau immer wieder deutlich. Im Zweifel setzt Russland sein Gas als politisches Druckmittel ein. Als im Januar 2007 in Polen plötzlich bemerkt wurde, dass in der Druschba-Gasleitung deutlich weniger Gas ankommt als üblich, herrschte in den europäischen Hauptstädten Panik.

Denn der Grund für den Abfall des Gasdrucks war kein technisches Problem - sondern vielmehr ein politisches. Weißrussland hatte sich mit seinem östlichen Nachbarn überworfen. Russland nahm darauf hin den leichtesten Weg und stellte seine Erdgaslieferungen für das Land zeitweise ein. Die nachfolgenden Abnehmer, wie Polen, die Slowakei oder Deutschland mussten in dieser Zeit auf ihre Reserven zurückgreifen.

Seit diesem Zeitpunkt heißt die Devise der deutsche Regierung: Diversifikation. Noch im Sommer des selben Jahres wurde bei einem Besuch des damaligen nigerianischen Präsidenten Umaru Yar´Adua eine bilaterale Vereinbarung angestoßen. Das Ziel dabei war es, Nigeria in den Kreis der nach Deutschland Gas exportierenden Länder aufzunehmen.

Die Verhandlungen über den Deal wurden in einer kleinen Gruppe geführt, der unter anderem die Unternehmen E.on und Evionik angehörten. Im September 2008 war es dann soweit. Deutschland schloss mit dem afrikanischen Staat ein Abkommen über eine umfangreiche Energiepartnerschaft ab. Ab dem Jahr 2014 soll nun nigerianisches Gas in verflüssigter Form per Schiff nach Deutschland exportiert werden.

Der deutsche Preis für diesen Deal liegt im Ausbau des Stromnetzes Nigerias. Bis 2020 soll die Stromerzeugung des westafrikanischen Staates um das Doppelte auf 12.500 Megawatt anwachsen. In der Verhandlungsgruppe hatte man sich im Vorfeld auf etwa 20 Projekte geeinigt, die diese immense Erhöhung der Produktion möglich machen sollen. Im Gegenzug dazu erhält Deutschland Gaslieferungen und kann darüber hinaus den Bau einer Gasverflüssigungsanlage vorantreiben.

Das staatliche nigerianische Gasunternehmen wird sich ebenfalls am Bau der Anlage beteiligen und zusätzlich noch Anteile am Flüssiggasterminal in Europa erhalten. Ein Riesengeschäft für Nigeria und Deutschland.

Deutschland schafft sich weltweit Zugänge zu Rohstoffvorkommen

Die Abwendung der Bundesregierung von ihrem Hauptlieferanten folgt dabei durchaus einer tieferen und langfristig angelegten Strategie. Denn in der offiziellen Rohstoffstrategie der Bundesregierung mit Stand 2010 heißt es:

Deutschland ist als Industrieland und Exportnation in besonderem Maße auf eine sichere Rohstoffversorgung angewiesen. Die Bundesregierung unterstützt die deutsche rohstoffverarbeitende Industrie durch gezielte politische Flankierung darin, sich Rostoffe über Lieferverträge, Explorations- und Bergbauengagements, Konzessionserwerb oder Beteiligungen in ausreichender Menge und Qualität bedarfsgerecht zu sichern. Die Industrie sollte deshalb konkrete Engagements im In- und Ausland zur Absicherung des Bezugs von Rohstoffen ausweiten, sich bietende Chancen bei rohstoffrelevanten Projekten noch forcierter ergreifen und die Rohstoffbezugsquellen diversifizieren.

Die kürzlich geschlossene Rohstoffpartnerschaft mit Kasachstan verfolgt genau diese Strategie. In den 1990er Jahren wurden im Norden der Region die größten Erdölreserven der vergangenen 30 Jahre entdeckt. Diese können per Schiff nach Baku in Aserbaidschan und dort in die BTC-Pipeline eingespeist werden. Vom türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan aus kann das Öl dann per Schiff entweder in die USA oder nach Europa gebracht werden. Der ganze Transport kann so außerhalb des russischen Territoriums abgewickelt werden und damit ungestört von den Interessen Moskaus.

Angola als neuer Rohstofflieferant

Neben Nigeria und Kasachstan soll nun auch mit Angola ein entsprechendes Abkommen abgeschlossen werden. In diesem Jahr hat das Land Nigeria als größten subsaharischen Erdölproduzenten abgelöst.

Grund genug für Deutschland und seine Unternehmen, sich auf den Weg Richtung angolanische Ölfelder zu begeben. Schon auf dem Deutsch-Angolanischen Wirtschaftsforum am 16. und 17. Juni 2011 im Holiday Inn in München, wurde eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten beschlossen. Dort sagte der angolanischen Wirtschaftsminister Abraão Pio dos Santos Gourgel: "Ganz besonders wollen wir im Energiebereich einen Schwerpunkt setzen."

Auch wenn die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Angola noch lange nicht so weit gediehen ist wie zwischen Deutschland und Nigeria, der nächsten Station der Afrikareise der Kanzlerin, Angola gehört ins größere Konzept. Erst kürzlich hat das Außenministerium ein neues Konzept für die Zusammenarbeit Deutschlands mit den afrikanischen Staaten veröffentlicht. Dort heißt es:

Die Bundesregierung stützt das Engagement deutscher Unternehmen aus dem Energie- und Rohstoffsektor in Afrika verstärkt durch Energie- und Rohstoffpartnerschaften, die die Versorgung Deutschlands verbessern und gleichzeitig Afrikas Infrastruktur modernisieren und die Umwelt entlasten. Wie zuvor mit Nigeria strebt Deutschland im Jahr 2011 eine Energiepartnerschaft mit Angola an.

Beim aktuellen Besuch von Kanzlerin Merkel wurde der Rahmen der "Energie- und Rohstoffpartnerschaft" dann ziemlich weit gezogen. Zum Geschäft gehören anscheinend auch Waffenexporte, im Umfang von "von mindestens 60 Millionen Euro". So sollen sechs bis acht Patrouillenschiffe für die Küsten-und Grenzsicherung Bestandteil eines Deals sein, bei dem Deutschland von Angolas Rohstoffen profitiert und Angola vom deutschen Know How und Beistand bei "Infrastrukturprojekten, im Bildungsbereich, der Landwirtschaft, den erneuerbaren Energien" - und eben auch bei der militärischen Aufrüstung.

Etwaige Bedenken schüttelte Angela Merkel wie gewohnt ab: Angola gehöre zu den Ländern in der Afrikanischen Union, die sich für Stabilität einsetzen und es sei schließlich "in deutschem Interesse, wenn Afrika regionale Konflikte durch eigene Truppen selbst befrieden könne".

Die langfristige Afrikastrategie der Bundesregierung

Afrika wird zunehmend interessant für die großen Mächte. Denn nicht nur die alten Kolonialstaaten, wie beispielsweise Deutschland, sind auf dem Kontinent wieder präsent. Auch neue Mitspieler lassen sich ausmachen. China und Indien sind derzeit bemüht sich ihren Zugang zu den afrikanischen Rohstoffen zu sichern.

Aber auch Russland versucht, strategische Partnerschaften zu knüpfen. So hat sich Moskau - genauso wie Berlin - bemüht, eine strategische Partnerschaft mit Nigeria abzuschließen. Für die bislang völlig verarmten Staaten Afrikas ergibt sich daraus durchaus auch Potential. Ein geschicktes Hin- und Herlavieren zwischen den unterschiedlichen Interessenten kann auch einmal etwas Positives für den Kontinent bringen.

Ob es jedoch dazu kommt, hängt in erster Linie von den Regierungen der afrikanischen Staaten ab. Denn nur wenn es auch dort ein Interesse daran gibt, den neuen Wohlstand breit zu verteilen, kann diese Entwicklung für Afrika von Vorteil sein. Ansonsten bliebe alles wie gehabt. europäische und asiatische Konzerne beuten den Kontinent aus und teilen die Beute allein unter sich auf.