Angst vor dem Absturz?

Solange Anleihen einen immer positiven Zinssatz erzielen können, steigen die Geldvermögen an und mit diesen wachsen auch die Schuldenberge

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Hat Sie schon die Angst gepackt, dass der Wert ihrer Rücklagen dahinschmelzen könnte? Nehmen Ihre Sorgen zu, dass Ihre private Altersvorsorge wertlos wird? Oder sind Sie sich schon fast sicher, dass der Euro bald nichts mehr wert ist? Gut so. Vielleicht kommt mehr Bewegung in die Köpfe, wenn auch der wohlhabende Mittelstand erkennen muss, dass unser Geld und Finanzsystem auf Sand gebaut sind.

Nach Griechenland, Portugal und Irland ist nun Italien in den Fokus der Finanzjongleure geraten. Die FTD schrieb gestern, dass Italien in den "Teufelskreis steigender Zinsen und Schulden" geraten könnte. Dies ist etwas verwunderlich, da alle Welt seit Jahrzehnten weiß, dass Italiens Staatsschulden zu hoch sind. Doch "Italiens ausstehende Schulden sind mit 1800 Mrd. Euro so hoch, dass sie den europäischen Rettungsschirm sprengen würden."

Und deshalb zucken nun die verantwortlichen Politiker nervös zusammen. Haben sie doch gerade erst mit viel Tamtam einen so genannten Rettungsschirm aufgespannt. Den Finanzjongleuren, den guten wie den bösen, wollten sie damit vorgaukeln, der Steuerzahler wird schon jedes Schuldenfiasko begleichen. Und nun stampfen sie wütend mit dem Fuß auf den Boden, dass sich nicht alle Spekulanten von ihnen blenden lassen.

Wenn ein Privatmann, eine Institution oder ein Staat über Jahre und Jahrzehnte neue Schulden aufnehmen muss, um auslaufende Kredite und die Zinsen bedienen zu können, und wenn man selbst bei Rekordeinnahmen nicht mit den eingenommenen Steuern auskommt, ist ein Ruin unabwendbar. Kein vernünftiger Mensch würde diesen Regierungen seine privaten Ersparnisse anvertrauen. Und ebenso kann kein seriöser Renten- und Anlagenverwalter diesen Regierungen das ihm anvertraute Vermögen überlassen.

Die deutsche Wirtschaft boomt, Steuereinnahmen fließen in nicht geahntem Ausmaß, die Zahl der Arbeitslosen geht deutlich zurück, neue Kredite kosten den Staat kaum 3 % und dennoch kommt Finanzminister Schäuble mit den Steuereinnahmen nicht aus. Wie alle seine Vorgänger verspricht auch er, einen ausgeglichenen Haushalt in den nächsten Jahren vorlegen zu können.

Erschreckend bei alldem ist letztlich die Perspektivlosigkeit aller Protagonisten. Wer will denn noch einem Gewerkschafts-Ökonom glauben, der behauptet, es müssten nur die Löhne erhöht werden, oder der FDP, die die Steuern senken will, damit alle mehr konsumieren können und es wieder richtig Wirtschaftswachstum gibt? Hoffen wir auf die Linken oder Attac, die den Eindruck erzeugen, durch Kapitalmarkt- und Reichensteuern könnte der Staatshaushalt saniert werden? Sollen wir uns an Frau Merkel halten, die den Italienern vorschlägt, mehr zu sparen, oder an Obama, der die ohnehin absurd hohe Schuldenobergrenze wieder abschaffen möchte. Oder folgen wir der SPD, die vorschlägt, Euro-Anleihen aufzulegen, damit die völlig überschuldeten Staaten in der Masse der überschuldeten Staaten anonymisiert werden. Vielleicht kann man so die Kollektivierung der Schulden noch mal einige Jahre weiter treiben.

"Italiens Verschuldung ist beträchtlich, und die Wirtschaft wächst kaum", schreibt die FTD. Schon im letzten Jahr zahlte Italien "65 Mrd. Euro an Zinsen für die Staatsschuld. Gemessen am BIP beträgt die Zinslast damit rund vier Prozent, im Vergleich zu den Steuereinnahmen fast 15 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland sind es zwei Prozent des BIPs und etwa neun Prozent der Steuereinnahmen."

Sehr erfreulich ist, dass der Autor Martin Kaelble das Faktum der alles entscheidenden Zinslasten explizit benennt. Vergeblich allerdings seine Bemühung, einen markanten Unterschied zwischen der Situation Italiens und der Deutschlands zu suggerieren. Solange Anleihen einen immer positiven Zinssatz erzielen können und selbst der zuverlässigste Schuldner 3 % und mehr bezahlen muss, steigen die Geldvermögen an und mit ihnen wachsen auch die Schuldenberge. Daraus resultiert zwingend dass immer mehr Steuern, aber auch ein immer größerer Anteil der Konsumausgaben für die Begleichung der Zinsen fällig werden.

Es ist die Aufgabe und die Pflicht von Ökonomen und Politiker, dafür Sorge zu tragen, dass sich die Geldvermögen, die in Deutschland bereits das Volumen von 4,7 Billionen € erlangt haben, auch bei einem Zinssatz nahe Null am Kapitalmarkt anbieten. Nur wenn der Geldstreik verhindert wird, fallen alle Zinslasten und alle Schuldenberge werden langfristig abtragbar.

Für die Notenbank heißt die Aufgabe, die ausgegebene Geldmenge muss zirkulieren. Geld-Zurückhaltung muss daher Kosten verursachen. Erst wenn die Liquidität dem Spekulanten Kosten verursacht, investiert er auch bei sinkenden Zinsen. Für den Kapitalmarkt ist wichtig, dass die Summe der langfristigen Ausleihungen auch bei sinkenden Zinssätzen stabil bleibt. Davon profitieren der Staat, der Unternehmer und jeder Bürger.

Die heilige Aufgabe der Notenbank besteht darin, den Geldwert stabil zu halten. Um die nachgefragte Geldmenge zu begrenzen, erhebt sie eine Gebühr auf die ausgegebene Geldmenge. Die Höhe dieser Gebühr kann die Nachfrage nach Geld begrenzen und macht damit absolute Wertstabilität möglich. Die Rentenansprüche und Ersparnisse von heute bleiben so dauerhaft erhalten. Langfristige Ersparnisse vermehren sich zwar nicht mehr durch Zins und Zinseszins. Dafür braucht man als Konsument und Steuerzahler aber auch nicht länger ein Drittel seines Arbeitsvertrages für den Zinsdienst aufbringen. Dies allein ist die Zukunft unserer Ökonomie.