Das Wahnsinns-Depot der VR-Bank

Ein Lehrstück über Riester, Aktienfonds, Sparen und Rentenversicherungen. Was ist eigentlich Wirtschaft? Teil 3

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Als Teil seiner Serie Was ist eigentlich Wirtschaft? analysiert Alexander Dill vom Basel Institute of Commons and Economics das Depot einer alleinstehenden Mutter, der ein Berater der VR-Bank acht Finanzprodukte verkauft hat, darunter sieben verlustreiche.

"Was verstehen Sie eigentlich unter Provision?" Der Anlageberater der Raiffeisen-Volksbank einer mittelgroßen Stadt stellte mir eine Frage, die ich eigentlich ihm hätte stellen sollen. Trotzdem antwortete ich: "Eine Provision ist das Honorar für eine Vermittlung eines Geschäftes." Er schwieg.

Vor ihm lag eine kleine Word-Tabelle, die ich ihm mit der Bitte um Ausfüllen gesendet hatte. Sie hatte vier Spalten: 1. Finanzprodukt, 2. Einkaufspreis/Sparleistung, 3. Provision, 4. Zeitwert der Anlage. Durch dieses einfache Schema hoffte ich, Licht in das Dunkel des Depots einer alleinstehenden Mutter zu bringen. Ihr und ihrem inzwischen fünfjährigen Sohn hatte der Berater insgesamt 11 Anlage- und Sparprodukte verkauft, die das Budget der kleinen Familie mit 700 Euro pro Monat belasteten. Da sie dadurch in Geldschwierigkeiten kam, bat sie mich, ihr Depot zu überprüfen. Sie erteilte mir schriftliche Vollmacht und ich versuchte zunächst telefonisch, die Angaben zu erhalten.

Der Anlageberater versicherte mir, dass eine Erfolgsbilanz für keines der Produkte möglich sei, da sich deren Zeitwert ständig ändere. "Wollen Sie etwa, dass ich für die letzten fünf Jahre für jeden Monat den Kurswert des Fonds ermittle?" So etwas erfordere eine kostenpflichtige, professionelle Recherche. Er könne deshalb die Tabelle nicht ausfüllen. Außerdem müsse man das bei Union-Investment, R+V Versicherung und Schwäbisch Hall erfragen. Darauf ich: "Wenn Sie keine Erfolgsbilanz der Anlagen Ihrer Kunden machen können, auf welcher Informationsbasis empfehlen Sie denn dann die Produkte?"

"Unsere Produkte sind überall Testsieger und AA geratet", belehrte er mich selbstbewusst. Wir einigten uns darauf, dass ich die Unterlagen von den drei ihm unbekannten Firmen anfordern sollte. "Da steht alles drin", versicherte er mir.

Nach einigen Wochen erhielt ich Prospekte und kryptische Zahlen. Nirgendwo waren der Gewinn oder Verlust der Anlagen aufgeführt. Offensichtlich ist dies gesetzlich nicht vorgeschrieben. Ich entnahm den Unterlagen, dass er dem fünfjährigen Sohn eine Rentenversicherung und kurz nach dessen Geburt drei Fonds verkauft hatte. In den Unterlagen war der Ablauf der Garantiezeit vermerkt: Es war der erste August des Jahres des Herren 2066. Die Mutter hatte in ihrem Portfolio einen Bausparvertrag, Festgeld, ein Sparkonto, eine auf zwei Fonds basierende Riester-Rente sowie einen Immobilienfonds.

Alle Produkte wiesen neben der nach Bankansicht völlig unmöglichen Erfolgskontrolle eine Gemeinsamkeit auf: Es waren ausschließlich Produkte der Volksbank-Raiffeisen Gruppe selbst. Obwohl die Mutter und ihr Kind nun ihr Kapital der Gruppe zur Verfügung stellten, damit diese es für 12,25% als Dispositionskredit weiterverleihen konnte, wurden für die Produkte auch noch Gebühren zwischen 1 und 5% des Produktwertes berechnet. Bei Mietobjekten darf der Vermieter keine Vermittlungsprovision verrechnen. Hier scheint das gesetzlich zu sein. Der Bankberater: "Sie werden von mir nicht in Euro erfahren, welche Provision verrechnet wird."

Sowohl der Fünfjährige wie seine Mutter investieren, versteckt in den Produkten UniWertSparplan 10+ und UniProfiRente, in eine ganz besondere Form der Geldanlage für Kleinsparer: Anteile des Fonds Uni Global. Dieser mit "erhöhtem Risiko" gekennzeichnete Fonds investiert laut Prospekt in ausländische Aktien, davon zu 42,8 % in amerikanische Aktien. Dem Fonds ist es gelungen, was fast unmöglich erscheint: Seit Jahresbeginn eine Wertentwicklung von -1,5% zu schaffen. Dafür hat er auch eine Verwaltungsgebühr von 1,2% im Jahr verdient.

Da die Fondsanteile zudem mit 5% Aufschlag verkauft werden, muss also - zusammen mit der Inflationsrate von 8% 2005-2010 - in sechs Jahren mindestens eine Rendite von 20% erwirtschaftet werden, um auch nur sein Kapital zu erhalten. Tatsächlich liegt die Wertentwicklung der letzten zehn Jahre bei 5,7% insgesamt (Prospekt 31.05.2011). Das sind 0,6% im Jahr.

Anders formuliert: Der Uno Global Fonds zehrt das Kapital der Anleger auf, anstatt es zu vermehren. Ich bleibe hartnäckig: "Wie viel erhalten Sie von dem Aufgeld?", frage ich den Bankberater. "Wir erhalten 80% des Aufgeldes", gesteht er.

Er hat also für die Empfehlung verschiedenster, durchweg verlustreicher Fonds und Versicherungen insgesamt 1.554 Euro Provision erhalten. Blickt man auf das Gesamtdepot von rund 38.000 Euro, sind das 4,01 Prozent. Ohne diese Provision sähe die Performance schon ein bisschen besser aus.

Nun brauchte die junge Mutter auf einmal Bargeld. Der Berater hatte sofort eine hilfreiche Idee: Sie könne einen Dispositionskredit über 10.000 Euro haben. Er sandte ihr den fertigen Kreditvertrag zu. Zinssatz: 12,25%. Da kam mir eine diabolische Idee. Ich rief den Bankberater an. "Ich habe eine Anlage gefunden, mit der die Dame garantiert 11,15% pro Jahr Gewinn macht!"

"Das ist sicher mit größtem Risiko verbunden? Passen Sie auf, was Sie ihr raten", warnte der clevere Anlagechamp von der VR-Bank. "Nein", frohlockte ich. "Ist todsicher. Ich empfehle ihr einfach, alle Anlagen bei der VR-Bank aufzulösen und den Dispokredit zurückzubezahlen." Er schwieg. Am nächsten Tag senkte er den Zins von 12,25% auf 8,5%.