Schaufenster ins Leistungsschutzrecht

Belgische Zeitungen, die ein Urteil erwirkten, dass Google ihre Texte nicht zitieren darf, beschweren sich nun über einen "Boykott" durch die Suchmaschine

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2006 verklagte die wallonische Presseverwertungsgesellschaft Copiepresse Google. Hintergrund war, dass der amerikanische Konzern Verlagen für das Setzen von Links auf Texte aus den Zeitungen Geld zahlen sollte. Das aus der Klage folgende Urteil, das Google das Zitieren von Meldungsanrissen untersagt, wurde im Mai von einem Berufungsgericht bestätigt.

Nun zeigt sich, dass die Zeitungen auch mit dem erklagten Verbot nicht zufrieden sind: La Capitale und La Libre Belgique beschwerten sich letzte Woche darüber, dass Google die Blätter nun "boykottieren" würde. Damit bezogen sie sich darauf, dass sie nicht mehr in Suchergebnissen auftauchen.

Google erklärt dies damit, dass sich das strafbewehrte Verbot sowohl auf Google News als auch auf die Websuche erstrecke, weshalb man für letztere ebenfalls Maßnahmen ergriffen habe, um sich vor Forderungen zu schützen. Für den Fall, dass Copiepresse rechtswirksam erklärt, auf Bußgelder zu verzichten, wenn Textteile aus und Links auf die Artikel in Google-Suchanfragen auftauchen, will man nach Angaben des Konzerns die Sperren aber gerne wieder entfernen.

Die Situation gibt einen Vorgeschmack darauf, was in Deutschland nach der Einführung eines von mehreren Presseverlagen geforderten "Leistungsschutzrechts" passieren dürfte: Google wird sich kaum auf Zahlungen einlassen und stattdessen all diejenigen Texte aus seinen Übersichten herausnehmen, für die sich die Verlage Abgaben erhoffen. Was wiederum mit einiger Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass die Zugriffszahlen bei den Zeitungen (und mit ihnen die Werbeeinnahmen) einbrechen. Auf der Suche nach Ausgleichseinkommen bieten sich den Zeitungen dann Blogger an, denen eine Abmahnwelle droht.

Im Axel-Springer-Verlag, der an der Spitze der Lobbyaktivitäten für das neue Monopolrecht steht, verschickt man bereits jetzt Rechnungen für Zitate aus Texten der Welt und der Bild-Zeitung. Warum ein neues Monopolrecht notwendig sein soll, wenn für solch ein Geschäftsmodell offenbar auch die Springer-Autorenverträge ausreichen, mag man in Berlin nicht näher erklären. Möglicherweise auch deshalb, weil die Antwort zeigen könnte, dass das (sehr missverständlich benannte) "Leistungsschutzrecht" entgegen der Propaganda Autoren nichts nützen, sondern diese sogar massiv benachteiligen dürfte, weil sie ihre Texte danach sehr viel schlechter zweitverwerten können und (wenn sie zum Beispiel Bücher schreiben) selbst potenzielle Adressaten der Geldforderungen von Presseverlegern werden.

Der Axel-Springer-Verlag bewies durch die ungenehmigte Übernahmen des Sarrazin-Skandalinterview aus der Zeitschrift Lettre International, dass der gesetzgeberischen Handlungsbedarf (wenn überhaupt) darin besteht, kleinere Anbieter vor der Frechheit der großen zu schützen. Allerdings können sich auch solcherart übervorteilte Rechteinhaber schon jetzt wehren, wenn sie es wagen:

Mario Sixtus. Foto: Mathias Schindler. Lizenz: CC-BY-SA.

Als Christoph Keese, der Axel-Springer-Konzerngeschäftsführer für den Bereich "Public Affairs" in der letzten Woche ein von Mario Sixtus geschossenes und unter eine CC-BY-NC-Lizenz gestelltes Foto ohne Autorenangabe verwendete, konfrontierte ihn der Journalist öffentlich mit einer Rechnung über 1000 Euro, in der neben einem Honorar in Höhe von 500 Euro auch ein hundertprozentiger "Frechheitszuschlag" enthalten war. Diesen begründete Sixtus damit, dass der Axel-Springer-Verlag mit dem Leistungsschutzrecht ein "bedingungsloses Grundeinkommen für Verleger" fordert und für "Textschnipsel" mehrere hundert Euro verlangt, ohne vorher das Zitatrecht ausreichend zu prüfen.

Bei der Spende in Höhe von 1000 Euro an Creative Commons, auf dies sich Sixtus schließlich herunterhandeln ließ, spart sich Keese die Mehrwertsteuer. Im gleichen Text, in dem er das Foto urheberrechtswidrig nutzte, hatte der ehemalige Welt-am-Sonntag-Chefredakteur auch einen kompletten Artikel des ZDF-Bloggers Markus Hündgen kopiert und damit gezeigt, dass er entweder keine Ahnung von Immaterialgüterrechten hat1 oder dass sie ihm schlicht egal sind: Um dieses Kopieren zu verhindern, braucht Hündgen nämlich keineswegs – wie von Keese suggeriert – ein neues Leistungsschutzrecht, sondern müsste dem Springer-Mann einfach über seinen Anwalt eine kostenpflichtige Abmahnung zusenden. Ähnliche Optionen hätte das ZDF als Inhaber von Nutzungsrechten.

Gegenüber Telepolis meinte Hündgen, er habe noch nicht entschieden, ob und wie er gegen die "offensichtlich urheberrechtsverletzende Verwendung" seines Textes vorgehen wird. Was das ZDF macht, hängt möglicherweise davon ab, wie die angekündigte Bild-Kampagne gegen die öffentlich-rechtlichen Sender verläuft. Die ARD sammelt dafür bereits Material, das sie der Berliner Zeitung zufolge aber weniger zur Information der Bevölkerung, denn als Druckmittel gegen den Springer Verlag nutzen und im Bedarfsfall auch ungesendet lassen will.

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