Das Medium ist die Botschaft

Ist die Medientheorie Marshall McLuhans in Zeiten von Smartphone und Facebook noch aktuell?

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1993 war das Jahr, in dem Stuart Brand und Kevin Kelly mit der ersten Nummer von WIRED an den Newsstands in den harten Kampf um die Gunst der US-Leser einstiegen. Sie hatten das erste Technologiemagazin kreiert, das auch mal Brian Eno oder William Gibson auf dem Cover verkraftete.

WIRED kam gerade rechtzeitig vor der großen Internet-Blase an der NASDAQ und der Popstartaufe so manches Startup-CEOs. Besser hätte der Moment kaum sein können. Zu seinen Glanzzeiten hatte WIRED dem Inhaltsverzeichnis vierzig Seiten Werbung vorgeschaltet. Und dass sich die beiden Ex-Hippies Kelly und Brand für ihre Popularisierung der Tech-Nerd-Welten den 1980 in Toronto verstorbenen Begründer der Medienforschung Marshall McLuhan zum Schutzpatron auswählten, war mehr als angebracht. McLuhan hatte bereits 1964 über die gesellschaftlichen Folgen vernetzter ("wired") Homecomputer nachgedacht. Er hatte auch, um aus dem engen Pferch einer akademischen Zuhörerschaft, die ihn argwöhnisch beäugte und ihm bisweilen feindselig gegenüberstand, den DEW Newsletter für die Entscheider in der Wirtschaft ersonnen - benannt nach dem damaligen amerikanischen Raketenfrühwarnsystem "Distant Early Warning". Die Wirtschaftskapitäne sollten wissen, wohin es mit ihrer Welt ging, denn technologische Entwicklungen waren noch nie neutral und die Informationen über Entwicklungen in diesem Bereich durften seiner Meinung nach auch nicht den Fachabteilungen überlassen werden. Sie waren Chefsache.

Kelly und Brand hatten McLuhan in diesem Sinne regelrecht beerbt und waren noch einen Schritt weitergegangen: Sie hatten aus McLuhans exklusivem Newsletter eine Plattform mit Breitenwirkung geschaffen. Kevin Kelly hat in seinem neuen Buch "What Technology Wants" (2010) den Begriff des "Technium" neu geschaffen. Sowohl Titel als auch Technium sind undenkbar ohne die Vorarbeiten des WIRED-Schutzpatronen Marshall McLuhan, der heute einhundert Jahre alt geworden wäre.

Werbung als die Kunstform des 20. Jahrhunderts

McLuhan wird 1911 in Edmonton, in der kanadischen Provinz geboren, im selben Jahr wird IBM gegründet, der erste Weltfrauentag findet statt, das Amundsen-Team erreicht den Südpol und Marie Curie erhält ihren zweiten Nobelpreis. Die makroskopische Entdeckung der Welt ist abgeschlossen, die mikroskopische mit der Kernspaltung in eine neue Dimension vorgedrungen, und mit IBM hat die Computerrevolution begonnen.

Marshall McLuhan (ca. 1936). Bild: Library and Archives Canada/PA-172791

Philip Marchand beschreibt in seiner McLuhan-Biografie den Einfluss vom McLuhans Mutter auf seine Karriere. Als eine Frau, der das Leben in Familie und Provinz nicht genügte und die als Vortragende in Sachen Literatur und Kunst das ganze Land bereiste, kam Marshall früh in Berührung mit der Öffentlichkeit, mit Kultur und insbesondere dem Wunsch, seine Herkunft durch Bildung zu verbessern. Zum Studium drängt es ihn nach Cambridge. Die klassisch-europäische Bildung scheint ihm das probate Mittel, Abstand zur kanadischen Provinz herzustellen. Und so promoviert er folgerichtig über die das Trivium - Grammatik, Logik und Rhetorik, der zentralen mittelalterlichen Vorstellung von Kunst und Wissen.

Doch schon in den vierziger Jahren beginnt er, angeregt von F.R. Leavis' Buch Culture and Environment, die in England erworbenen Methoden des New Criticism auf die Erzeugnisse von Radio und Zeitung anzuwenden. Er sammelt Anzeigen aus Magazinen und Zeitschriften, die 1951 die Grundlage zu seinem ersten bedeutenden Buch bilden: Die Mechanische Braut, im Untertitel Volkskultur des industriellen Menschen. Ursprünglich hatte er es "Sex and Technology" nennen wollen, aber das wird ihm sein Verleger ausgeredet haben.

Jahrelang hatte dieser sich mit dem umfangreichen Manuskript geplagt, in der Hoffnung auf eine im Grunde konservative Kritik an den betrügerischen Machenschaften der kapitalistischen Warenwelt und ihrer Kommunikation. Abgeliefert aber hatte McLuhan ein Buch, das Werbetexte als Zugänge zum Innenleben unserer Kultur verstand, weil er Werbung als die Kunstform des 20. Jahrhunderts definierte und er ihr mit derselben Aufmerksamkeit und Genauigkeit zu Leibe rücken wollte, die ansonsten der Literatur vorbehalten war.

Schon in den 1950ern sollen sich die Studenten McLuhans, so Philip Marchand, über McLuhan beklagt haben: Bei ihm lerne man nichts Prüfungsrelevantes; stünde Shakespeare und Milton auf dem Programm, rede er über Batman und Johnny Ray. Dabei fehlt es McLuhan nicht an Ernst, er will einfach nur die Gegenwart erforschen, und die ist von Werbung, Comics und elektronischen Medien geprägt. Nur das Dekanat der Universität ist noch nicht so weit. So entfernt er sich zunehmend von den klassischen Themen und Methoden der Literaturwissenschaft und wird zu einem naturwissenschaftlich und neurologisch ausgerichteten Medienspezialisten.

Medien sind Körpererweiterungen

1962 endet mit der Detonation von "Little Feller" die 1951 gestartete Atomtestserie in Nevada, mit Silent Spring von Rachel Carson erscheint das erste Kultbuch einer zukünftigen Umweltschutzbewegung. Kennedy verspricht, einen Mann auf den Mond zu schicken und weitet den Vietnam-Einsatz aus, während seine Frau Jacqueline die Fernsehzuschauer durch die Privaträume des Weißen Hauses führt. Im selben Jahr bringt AT&T den ersten kommerziellen Satelliten in Position, der Live-Signale über den Atlantik schickt. Livesignale. Lebenszeichen. Warhols 15 Minuten liegen in der Luft. Wer jetzt nicht in den Medien ist, ist nirgends mehr, und die Welt nimmt Kurs auf Marshall McLuhan.

Genau zu diesem Zeitpunkt erscheinen seine beiden wichtigsten Bücher: The Gutenberg Galaxy — the Making of Typographic Man (1962) und Understanding Media - the Extensions of Man (1964).

McLuhan konfrontiert in beiden Büchern die ahnungslose Öffentlichkeit mit einer radikalen Definition von Medien: Medien sind nicht bloß Radio und Fernsehen, sondern auch Telefon, Rad und Steigbügel. Und: Medien sind Körpererweiterungen. Sie sind unmittelbar mit dem Körper verbunden, sie sind nicht außen. Wir benutzen sie nicht. Sie sind ein Teil von uns. Wenn wir eine Axt schwingen, dann wird sie zu einer Verlängerung des Arms und ein Rad ist eine Erweiterung des Fußes.

Mit der Erweiterung einher geht immer eine Betäubung. Wie bei zu großem Schmerz reagiert der Körper bei einseitiger Belastung mit Schock, schaltet den betroffenen Sinn ab und richtet sich in einem neuen Gleichgewicht ein, in einer neuen Identität, wenn man so will. Mit den Inhalten der Medien hat ihre Wirkung rein gar nichts zu tun, und wer über Gewalt im Fernsehen redet, redet daher am Thema vorbei. Will man Medien verstehen, muss man verstehen lernen, wie sie funktionieren: Das Medium ist die Botschaft.

Ein Beispiel: Schriftliche Information schneidet gegenüber der mündlichen zahlreiche Informationen weg, vor allem Emotionen, Timbre, Lautstärke, Ähs und Ohs, Wiederholungen, aber selbstverständlich auch Mimik und Gestik und die Umgebung, in der das Gespräch stattfindet. Zwar ist das alles beschreibbar, nur eben weder zeitgleich noch identisch, weil die Situation in sprachlogische Einzelteile übertragen werden muss und diese dann auf einer Zeitachse angeordnet und in einen Satz untergebracht werden müssen.

Syntax erzeugt Linearität, egal wie das Darzustellende sich dagegen sperrt. Wer schreibt, lebt diese Konvention. Wer liest, will Inhalt erfahren. Wer liest, achtet nicht auf die Form der Buchstaben, auf ihre Linien. Der Körper des Textes verschwindet bei der Umsetzung des Gelesenen in Bedeutung. Schrift und Buchdruck führen zu einer starken Betäubung gegenüber demjenigen, was uns die Inhalte überhaupt erst erfahrbar macht.

Das Medium, die Schrift, die Syntax, all das, was uns die Geschichte einzig zu vermitteln vermag, wird tendenziell unsichtbar. Oder in den Begriffen der Gestalttheorie, auf die McLuhan immer wieder zurückgreift: Die Figur, also der Inhalt, verdeckt den Grund, also das Medium Schrift.

Die scheinbar paradoxen Begriffspaare "Gutenberg Galaxy" und "Global Village" setzt McLuhan bewusst gegeneinander. Während sich die Gutenberggalaxis, die Ära des Buchdrucks, vom Zentrum des menschlichen Körpers kontinuierlich ausdehnt und zu immer neuen mechanischen Erweiterungen führt, schreitet auch die Erschließung und Beherrschung der Welt voran: Die Welt wird größer, bis Amundsen als letzten Punkt den Südpol erreicht.

Durch die Nutzbarmachung der Elektrizität kehrt sich dieser Prozess um: Mit dem geschlossenen Stromkreis, in dem sich Information in Lichtgeschwindigkeit bewegt, wandert das Zentrale Nervensystem aus, so McLuhan, die Welt implodiert. Wenn die ganze Welt dank eines Netzwerks von Kabeln und Satelliten miteinander verbunden ist und lärmend am Wohnzimmerfenster vorbeizieht, wird der gesamte Erdball zu unserer Nachbarschaft und die Welt zum "globalen Dorf", so McLuhan. Räumliche und zeitliche Ordnungen kommen durcheinander und Vorstellungen von Grenzen sind nicht mehr haltbar.

In Deutschland trifft McLuhan zunächst auf Ablehnung

McLuhan Headlines stehen bald hoch im Kurs. "Das Medium ist die Botschaft", "Globales Dorf" und seine Unterscheidung in "heiße" und "kalte" Medien sind in aller Munde. Andy Warhol, John Lennon und der kanadische Ministerpräsident Trudeau suchen ihn in Toronto auf, um zu erfahren, was sie eigentlich tun.

Als McLuhan 1967 als Gastprofessor nach New York geht, ist er on top: auf dem Cover von Newsweek, als Karikatur im New Yorker und im Playboy-Interview. Für ihn sind die Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Rassenunruhen, die Proteste gegen den Krieg in Vietnam und die Hippie-Bewegung die logische Konsequenz einer medialen Zäsur, die sich mit dem Coming of Age der ersten mit dem Fernsehen aufgewachsenen Generation nicht mehr ignorieren lässt. Er ist der erste, der das sagt, und alle wollen es hören.

Newsweek-Cover vom 6.3.1967

In Europa läuft es nicht ganz so gut. Ideologische Ablehnung schlägt ihm eine entgegen, die sich an seiner, zumindest vordergründig unpolitischen Haltung festmacht. McLuhan bezieht keine Stellung im klassischen Sinne, weder zu Vietnam noch zu Nixon oder der Bürgerrechtsbewegung. 1970, auch auf Deutsch sind bereits vier Bücher erschienen, schreibt Hans-Magnus Enzensberger:

Unfähig zu jeder Theoriebildung, bringt McLuhan sein Material nicht auf den Begriff, sondern auf den generalen Nenner einer reaktionären Heilslehre [...] Ihre Verheißung ist die Erlösung der Menschheit durch die Technologie des Fernsehens [...].

An McLuhans "das Medium ist die Botschaft" heftet Enzensberger das Etikett "provozierende Idiotie"1

Enzensberger ist kein Einzelfall. Eine ablehnende Haltung gegenüber McLuhans Medienreflexionen hält sich hartnäckig, und mit schöner Regelmäßigkeit diskutieren Sozialpädagogen und Politiker auch heute noch die Gewalt in Videospielen oder im Fernsehen im Fernsehen.

Klaus Theweleit (Männerphantasien, Buch der Könige, Objektwahl), der als erster McLuhan produktiv einsetzte, hat die Radikalität von McLuhans Medienbegrifflichkeit und die damit verbundene Verunsicherung des intellektuellen Establishments 2009 in einem Feature des Deutschlandfunks auf den Punkt gebracht:

McLuhan hat den üblichen Intellektuellen hier einen Faustschlag versetzt, wie damals Freud mit seiner Konstruktion, dass das Ich nicht Herr im eigenen Haus ist und der Mensch vom Unbewussten gesteuert wird. McLuhan nimmt denen das Buchstabenwesen weg, […] die ganze Aura der Wahrheit und der Wahrheitsspeicherung. […] Das hat ihm das europäische Denken bis heute nicht verziehen.

Bruch mit dem akademischen Verhaltenskodex

1977, als Marshall McLuhan von Woody Allen in Annie Hall, auf Deutsch Der Stadtneurotiker, mit einem kleinen Auftritt bedacht wird, ist er auch in den USA kein Popstar mehr. Alvy - Erzähler, Hauptfigur und Alter Ego von Woody Allen - zerrt den echten Marshall McLuhan hinter einem Werbeaufsteller im Foyer eines Broadway-Kinos hervor, um einen vorlauten Dozenten der Columbia University zum Schweigen zu bringen, der seiner Begleiterin am Beispiel Fellini lautstark den Einfluss des Fernsehens auf das Kino erläutert und dabei alles durcheinanderbringt.

Marshall McLuhan (rechts) in Annie Hall

McLuhan tut Alvy den Gefallen und weist den Repräsentanten der renommierten Hochschule zurecht, allerdings auf seine Art:

I heard what you were saying. You know nothing of my work. You mean my whole fallacy is wrong. How you ever got to teach a course in anything is totally amazing.

Allen präsentiert McLuhan in seiner Paraderolle, als Akademieschreck, der Konventionen, wissenschaftliche Aufsätze samt Fußnoten, abgewogene Aussagen und ausführlich dargelegte Argumente verabscheute und sich selbst auf die Schippe nimmt "Sie halten meine Fehlurteile alle für falsch?"

Seine Ablehnung akademischer Gepflogenheiten gipfelt in seiner Reaktion, wenn wieder einmal einer seiner Fachkollegen voller Stolz glaubt, ihm eine Aporie nachgewiesen zu haben: "Sie mögen meine Ideen nicht? Kein Problem, ich habe andere …", um dann mit Höchstgeschwindigkeit neue, andere Erkenntnisse zu verkünden, ohne sich mit einer Rechtfertigung aufzuhalten. Ein absoluter.

Kampf gegen die Linearität

McLuhans Vorbehalte gegenüber den kreuzbraven Themen und Methoden der Hochschulen, lassen sich zumindest teilweise auf seine Begeisterung für den Vortizismus und seine Vertreter Wyndham Lewis und Ezra Pound zurückführen. Im Schreiben dieser Autoren erkennt McLuhan den Versuch, die Linearität der Aufzeichnung, die stummen Buchstabenformeln, zu überwinden.

Folgerichtig stellt er auch an seine eigenen Arbeiten den Anspruch, das Schreiben als linearen Vorgang aufzubrechen. Er sucht nach Möglichkeiten, dem Schreiben etwas hinzuzufügen, das der suggestiven Kraft des medialen Grundes, der gedruckten Schrift, entgegenwirkt.

Das führt zu unterschiedlichen Strategien. Zum einen kombiniert McLuhan Bilder und Worte, so schon in seinem ersten Buch The Mechanical Bride von 1951. Er führt dieses Prinzip fort, 1967 in The Medium is the Massage, einem stark illustrierten Buch, das in Zusammenarbeit mit dem Grafiker Quentin Fiore entstand. Ebenfalls mit Fiore entsteht 1968 War and Peace in the Global Village. Culture is Our Business ist die Fortsetzung der Mechanical Bride mit neuerer Werbung. 1970 erscheint in Zusammenarbeit mit dem Gestalter Watson From Cliché to Archetype, ein Buch, dessen Abschnitte alphabetisch geordnet sind: Selbst das Inhaltsverzeichnis befindet sich irgendwo in der Mitte.

McLuhan lieferte außerdem Unmengen an wenig redigiertem Text bei seinen Verlegern ab, was zu einer Verschiebung der Publikationstermine führte, sich aber nur teilweise mit Zeitdruck und seiner Ungeduld erklären lässt. Die gesammelten Ergüsse sperrten sich einfach gegen die Kohärenzvorgabe des Buchmediums und seiner Produktionslogik, er wollte sich deren Diktat nicht beugen und auch nicht den in der Linearität des Buchdrucks und der mechanischen Produktion festsitzenden Lesern entgegenkommen, etwa indem er sich um Verständlichkeit bemühte.

Überschriften in seinen Büchern haben nur selten etwas mit den nachfolgenden Ausführungen zu tun, und seitenweise zitiert er aus Texten anderer Autoren. Schließlich zerschneidet er auch seine eigenen Texte und wirbelte sie durcheinander, wenn ihm die Gedankengänge zu geradlinig erschienen. Das großzügige Zitieren empfindet der McLuhan-Forscher Rainer Höltschl nicht nur als Hinweis darauf, dass es keinen allein schaffenden Autor gibt, sondern auch als Versuch, auf das stumme visuelle Medium Buch eine tönende Vielstimmigkeit zu übertragen.

McLuhan verkündet keinen Wahrheitsanspruch, und selbst das Verhältnis zu seinen eigenen Statements ist wie etwa in Annie Hall oder seiner lapidare Reaktion auf Kritiker: "Sie mögen meine Ideen nicht? Macht nichts, ich hab noch andere." Ironisch distanziert.

Er gräbt immer eine Schicht tiefer, als es uns eine als konfrontativ präsentierte Debatte vormachen will. "Gewalt im Fernsehen / Videospiel / Smart Phone" ist kein interessantes Thema. Das Medium ist die Gewalt, weil es ein Medium ist und weil es unseren Körper und damit die Vorstellung von uns selbst und zu allen anderen Medien, gleich Körperteilen, verändert.

Raum, Zeit, Geschichte, Vernunft, handelnde Subjekte, all diese Hilfsbegriffe, die vor McLuhan zu wenig nach ihrer Herkunft befragt wurden, sind ein Konstrukt einer medialen Kultur, genauer, derjenigen der Schrift und der mechanisch-linearen Produktionsweise, einer Kultur, die sich immer weiter ausdehnte und damit den Raum erst schuf, den sie zentral zu steuern versuchte. Von Rom aus das gesamte Imperium, mit einem Gehirn den ganzen Körper. Heute wissen wir, dass auch diese Hilfsbegriffe erst im Verlauf der Geschichte den Status der Unantastbarkeit eingenommen haben.

In der Nacht auf den 31. Dezember 1980 stirbt McLuhan zu Hause, verstummt in Folge eines Schlaganfalls; publiziert und gelehrt hatte er schon Jahre nicht mehr. Die üblichen Nachrufe erscheinen - dann ist er endgültig überwunden.

Doch fünfzehn Jahre später ist er wieder da. Mit der weltweiten Vernetzung der Personal Computer, dem "Multimedia"-Hype und der totalen Funktionsimplosion der Arbeitsmaterialien beginnen die Fragen erneut, und so wird er zur Gallionsfigur von WIRED.

Und auch noch heute, schon wieder fünfzehn Jahre später, wundern sich nicht wenige, mit welcher Präzision er die technologische Entwicklung vorhersagte. Wer ernsthaft versucht, Flashmobs, Critical Mass oder die sogenannten "Facebook"-Revolutionen zu verstehen, wird sich zuerst an Marshall McLuhan orientieren. Der ist der Ausgangort für ein Wissen, das sich nun erst langsam durchzusetzen vermag: das Wissen, dass Medien nie neutral sind.

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