Das Aus für den elektronischen Entgeltnachweis: (K)ein Grund zur Freude

Die Bundesministerien für Wirtschaft und Arbeit haben sich darauf geeinigt, das Projekt "Elektronischer Entgeltnachweis" zu stoppen - Gründe, die Sektkorken knallen zu lassen, gibt es jedoch nur wenige

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Rückblick: Peter Hartz und seine Job-Card

Vielen ist (auch wegen einer Umbenennung des Projektes) bereits nicht mehr in Erinnerung, dass der „Elektronische Entgeltnachweis“ (kurz Elena) auf eine Idee der Hartz-Kommission zurückgeht und damals noch unter dem Namen „Jobcard“ fungierte. Arbeitsbescheinigungen, so empfahl es die Kommission, sollten in Zukunft nur noch auf elektronischem Wege abgewickelt werden. Dieser Idee aus dem Jahr 2002 folgten Modellprojekte in den Jahren 2003 und 2004 und schließlich trat im März 2009 das „Elena-Verfahrensgesetz“ in Kraft.

Millionen sollten, wenn Elena nach und nach auch auf andere Bescheinigungen im Sozialbereich ausgedehnt werden würde, eingespart werden, hieß es enthusiastisch. Die Entbürokratisierung, die auch bei dem nach Peter Hartz im Volksmund „Hartz IV“ genannten Arbeitslosengeld II, als offizielle (Mit)Begründung fungierte, war auch hier wieder die Kirsche auf dem Datensammlungskuchen, die diese Idee schmackhaft erscheinen lassen sollte.

2010 – Datensparsamkeit? Oh, da war ja was ...

2010 dann ging Elena somit an den Start und erwies sich, wie es Datenschützer von Anfang an bemängelt hatten, als Ich-weiß-fast-alles-Datenbank, die neben den für die Beantragung von Sozialleistungen1 notwendigen Daten auch den Arbeitnehmer im Hinblick auf (unerlaubtes) Streiken, Krankheitstage, Entlassungsgründe und Abmahnungen gläsern werden ließ.

Natürlich, hieß es beruhigend, seien diese Daten nur qualifizierten Stellen zur Verfügung gestellt - doch die Frage blieb, warum sie überhaupt erhoben werden. Was als Entbürokratisierung gepriesen wurde, hatte nämlich schlicht und ergreifend zur Folge, dass nun die Datenübermittlung die Rolle spielen sollte, die vormals auf verschiedenste Bescheinigungen verteilt worden war. Der Datenkatalog umfasste immerhin 57 Seiten.

Ähnlich wie auch bei ALG II wurde hier auf Kosten von Datenschutz und Privatsphäre versucht, vieles zu pauschalieren, was sich nicht pauschalieren ließ. Denn warum sollten die Kündigungsgründe, die zwar bei der Beantragung von ALG II wichtig wären, auch dann übermittelt werden, wenn die betroffenen Arbeitnehmer nicht einmal ein Anrecht auf eben diese Leistung hätten; warum sollten sie übermittelt werden, auch wenn der Betroffene letztendlich nur eine Kostenerstattung für den Kindertagesstättenplatz beantragen möchte? Elena folgte hier dem Prinzip der Vorratsdatenspeicherung – vorsichtshalber alles speichern, denn „alles kann ja irgendwann mal wichtig sein“ (wie es Extrabreit im Lied Polizisten beschrieben).

Ursula von der Leyen, vom Familienministerium frisch ins Bundesministerium für Arbeit und Soziales gewechselt, kündigte nach massiver Kritik von Datenschützern an, den Katalog überarbeiten zu lassen. Die Daten, so teilte das Arbeitsministerium beschwichtigend mit, würden nunmehr auf ihre Notwendigkeit überprüft. Letztendlich war dieses „Angebot auf Nachbesserung“ ein Geständnis, dass die Datensparsamkeit bisher nur eine untergeordnete bis gar keine Rolle bei Elena gespielt hatte.

Kostenlawinen und Geldversenkung

Im Juli 2010 sprach der damalige Bundeswirtschaftsminister Brüderle bereits davon, dass Elena gegebenenfalls eingestellt werde. Diese Einstellung dürfte (auch wenn es vom FDP-Generalsekretär Linder mit den Worten, Datensparsamkeit sei das Gebot der Stunde, verkauft wurde) letztendlich eher finanzielle Gründe gehabt haben. Der Mittelstand, der gerade auch von der FDP gerne als der Profiteur von neuen Regelungen dargestellt wird, hatte bereits festgestellt, dass die versprochene Entlastung und die versprochene Entbürokratisierung sich als Fiktion erwiesen hatten. Und auch die Kosten für die digitale Signatur, integraler Bestandteil des Elena-Projektes, drohten komplett aus dem Ruder zu laufen. Der endgültige Stopp war bereits 2010 abzusehen und wurde nun ein Jahr später, im Juli 2011, auch angekündigt.

Für die Gesamtkonzeption bedeutet dies allerdings kein Ende, denn bereits jetzt wird angekündigt, dass das Bundesarbeitsministerium sich damit befassen wird, "wie die bereits bestehende Infrastruktur des ELENA-Verfahrens und das erworbene Know-how für ein einfacheres und unbürokratisches Meldeverfahren in der Sozialversicherung genutzt werden können". Diese Aufgabe war es, die Elena anfangs hatte erfüllen sollen - nun bleibt ein weiteres IT-Millionengrab, das nach etlichen Jahren beendet wird, ohne dass die von den Kritikern (z.B. in Verfassungsbeschwerden) angesprochenen problematischen Vorstellungen aus den Köpfen der Politiker verschwunden wären. Denkt man an die seit einiger Zeit stattfindende Ministerrochade, so scheint deshalb gut möglich, dass die Kritiker in einiger Zeit erneut auf ein ähnliches Projekt stoßen und von vorne mit ihrer Argumentation beginnen müssen, weil sich die Verantwortlichen in bekannter „ich-weiß-von-nichts“-Manier ahnungslos geben werden.

Die digitale Signatur

Die offizielle Begründung, die man seitens der Ministerien für den Stopp von Elena anbietet, ist an Absurdität allerdings kaum zu überbieten. Die digitale Signatur, so heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung der beiden Ministerien, sei nicht genug verbreitet.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben sich nach eingehender Überprüfung des ELENA-Verfahrens darauf verständigt, das Verfahren schnellstmöglich einzustellen. Grund ist die fehlende Verbreitung der qualifizierten elektronischen Signatur. Umfassende Untersuchungen haben jetzt gezeigt, dass sich dieser Sicherheitsstandard, der für das ELENA-Verfahren datenschutzrechtlich zwingend geboten ist, trotz aller Bemühungen in absehbarer Zeit nicht flächendeckend verbreiten wird. Hiervon hängt aber der Erfolg des ELENA-Verfahrens ab.

Eben die Verbreitung dieser digitalen Signatur zu fördern war Aufgabe eines IT-Großprojektes der Regierung gewesen. Der Name dieses Projektes: Elena.