Schnellschüsse nach dem Massaker

Was deutsche Politikern und Polizeigewerkschafter als Reaktion auf die Morde in Norwegen äußern, ist bemerkenswert

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Der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Dr. Hans Peter Uhl nimmt die Morde zum Anlass, mal wieder die Vorratsdatenspeicherung zu fordern:

Der Anschlag in Oslo und das Massaker auf der Ferieninsel Utoya zeigen ebenso wie der islamistisch motivierte Anschlag am Frankfurter Flughafen vom März diesen Jahres: Solche Taten mögen von radikalisierten Einzelnen begangen werden, geplant werden sie im Internet. Anschläge von Einzeltätern können nur mit einer verstärkten nachrichtendienstlichen Aufklärung, gerade auch im Internet, verhindert werden. Die Sicherheitsbehörden müssen stärker als bisher im Netz auf Streife gehen.

Hans Peter Uhl

Jan Korte, MdB Die Linken reagierte überrascht: "Uhl und seine Unionskollegen sollten angesichts der Opfer des Anschlags in Norwegen innehalten. Es ist nicht zu fassen, wie wenige Tage nach solch einer Tragödie die innenpolitischen Schaukämpfe losgetreten werden." Korte fordert stattdessen, alle demokratischen Kräfte in der Bundesrepublik und in Europa sollten sich ein Beispiel am norwegischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg nehmen, der als Reaktion auf die traurigen Ereignisse "mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit" gefordert hatte. Offensichtlich sei man sich in Norwegen der "echten Gefahren für die Demokratie bewusst, die terroristische Anschläge auf freiheitliche Gesellschaften haben können".

Als gelte es sich gegenseitig mit unsinnigen Forderungen zu überbieten, verlangte der neue Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Bernd Witthaus, im Interview mit Welt Online eine "Datei für Auffällige". Auf die Frage: "Aber der Angeschuldigte hat sich schon einmal vor neun Jahren im Internet in extremer Form geäußert. Sollten solche auffälligen Personen in Dateien gespeichert werden?" erklärte Witthaus: "Bei der allgemeinen Sicherheitssituation, in der wir uns seit einiger Zeit befinden, sollte man darüber nachdenken. Wir müssen alles tun, um mitzubekommen, wenn jemand mit solchen kruden Gedanken auffällt. Da wäre eine Datei hilfreich."

Diese bemerkenswerte Auffassung bekräftigte der GdP-Vorsitzende später nochmals in einer Presseklärung, in der es heißt:

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat an die Nutzer des Internet appelliert, extremistisches und menschenfeindliches Gedankengut in Blogs und Foren nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und sich nicht zu scheuen, der Polizei Hinweise darauf zu geben. GdP-Vorsitzender Bernhard Witthaut: "Wir kommen nicht darum herum, derart auffällig gewordenen Personen zu registrieren und zu identifizieren."

Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizei Gewerkschaft, reagierte mit einer Erklärung, in der Witthaus' Idee einer "Datei für Verrückte" abgelehnt wird. Wendt, sonst selbst bekannt für lockere Sprüche, meinte:

Wenn alle Leute mit kruden Gedanken in eine neue Datei kämen, würde die aber ganz schön voll werden und es wären gewiss auch einige Gewerkschafter darin zu finden.

Rainer Wendt

Witthaus Vorschlag bezeichnete Wendt als "hanebüchener Unfug." Abgesehen davon, dass nirgends eine Rechtsgrundlage für eine solche Datei vorhanden sei, werde hier suggeriert, dass man mit technischen Mitteln entschlossene Einzeltäter frühzeitig aufspüren und unschädlich machen könne. "Die Wahrheit ist, dass das nicht möglich sein wird und wir akzeptieren müssen, dass das Ausrasten einzelner Verrückter nicht zu verhindern ist." Wendt nahm Norwegen – wie Uhl – zum Anlass, ebenfalls die Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung zu betonen, "um Verbrechen und seine Strukturen aufzuklären und neue Taten zu verhindern".