EU-Rettungspaket verpufft wirkungslos

Grafik: Creditwritdowns

Während das neue EU-Rettungspaket immerhin die Finanzierungsbedingungen von Irland und Portugal stabilisieren konnte, geht es mit Spanien und Italien rasant bergab, Belgien schließt sich an und auch Frankreich wandert langsam in Richtung Krisenniveau

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Während deutsche Staatsanleihen in den letzten Tagen deutlich zulegen konnten - die zehnjährigen Bundesanleihen rentierten zuletzt mit nur noch 2,69 Prozent – brachen die Papiere Italiens und Spaniens weiter ein. Laut Bloomberg profitiert Deutschland von seiner Eigenschaft als "sicherer Hafen", während die beiden großen Krisenländer insbesondere unter der Forderung von Finanzminister Schäuble gelitten hätten, dem europäischen Stabilitätsfonds ("European Financial Stability Facility", EFSF), der neuerdings auch umlaufende Staatsanleihen kaufen darf, dafür "keinen Blankoscheck" auszustellen.

Da das Volumen des Rettungsfonds von 440 Mrd. Euro zudem nicht aufgestockt wurde, bleiben nach den bereits verausgabten Geldern nur 323 Mrd. Euro, um allfällige Attacken auf Italien oder Spanien abzuwehren, was angesichts des insgesamt rund zehnfachen Volumens an ausstehenden Schulden und des laufenden Refinanzierungsbedarfs der beiden Länder im Krisenfall keinesfalls ausreichen dürfte.

Dementsprechend ging die Renditedifferenz gegenüber der entsprechenden Bundesanleihe für zehnjährige italienische Anleihen von Dienstag auf Mittwoch um weitere 19 Basispunkten (100 BP = 1 Prozentpunkt) in die Höhe und knackte mit 308 BP neuerlich die wichtige 300er-Marke, während der Risikospread spanischer Titel gleichzeitig um 12 BP auf 322 BP anzog.

Italien kann dabei aus der Sicht der größeren EU-Staaten rückblickend gut als Krisenbarometer dienen: Nachdem sich die Risikoaufschläge Italiens gegenüber den Bundesanleihen – so wie jene aller Eurozonestaaten – in den Jahren nach der Euroeinführung drastisch reduziert und zeitweise nur noch ein Paar Basispunkte ausmachten, hat sich die Lage ab Sommer 2007 veränderte. Denn da machten die ersten Vorboten der Weltfinanzkrise die Finanzmärkte auf die umlaufenden, aber bislang ignorierten Risiken aufmerksam, wodurch sich der Aufschlag Italiens gegenüber den Bundesanleihen bis zum Jahresende auf 50 Basispunkte ausgeweitet und bis zum Lehman-Crash im September 2008 auf diesem Niveau etabliert hatte – was heute wohl als Einstieg in den Abwärtssog gewertet werden muss.

Gegen Jahresende, am Höhepunkt der Krise weitete sich der Spread Italiens dann zuerst auf 100 und später sogar auf 150 BP aus, bildete sich Mitte 2009 aber wieder auf knapp 100 BP zurück, womit die Märkte zwar einige Anspannung, aber keine unmittelbare Crash-Gefahr manifestierten. Erst mit dem Ausbruch der Eurozonenkrise etablierte sich der Spread ab Mitte 2010 wieder bei 150 BP, was nun bereits ein erhebliches Risikobewusstsein ausdrückte. Heute, ein Jahr später, bewegt sich der Spread allerdings bei gut dem Doppelten, was bei den kleineren Krisenländern binnen kurzer Zeit in die Pleite, bzw. in die Arme des EFSF geführt hatte.

Erforderlich wäre eine weitere Aufstockung des Rettungsfonds

Inzwischen muss Italien nun so wie Spanien also mehr als doppelt so hohe Zinsen zahlen wie Deutschland, was trotz aller Sparprogramme wohl keines der beiden Länder dauerhaft wird leisten können. Vorerst können sich die Beiden noch damit behelfen, bei den laufenden Schuldemissionen auf immer kürzere Laufzeiten auszuweichen, die generell niedriger verzinst werden. Das kann aber nur funktionieren, falls es tatsächlich bald zu einer Beruhigung der Märkte kommen sollte – was nun offenbar nicht geschehen ist. Geschieht dies nicht, ist zu erwarten, dass auch die Zinsen am kurzen Ende immer weiter ansteigen, insbesondere da durch die Verringerung der Laufzeiten der kurzfristige Refinanzierungsbedarf von Italien und Spanien, die die Emissionen länger laufender Anleihen zuletzt weitgehend abgesagt hatten, immer bedrohlichere Ausmaße annimmt.

Um gegenzusteuern, müsste der EFSF nun versuchen, umlaufende italienische und spanische Anleihen am Markt aufzukaufen bis der Spread gegenüber Deutschland wieder auf ein erträgliches Niveau - vielleicht 200 BP - zurückfällt. Geht es jedoch nach Schäuble, dann wäre derlei allenfalls nach erheblichem bürokratischen Aufwand und einer Aufforderung durch die EZB möglich, was ein schnelles und wirksames Reagieren auf sich plötzlich verschlechternde Marktverhältnisse wohl auch dann unmöglich machen dürfte, wenn das Spielkapital des ESFS deutlich angehoben worden wäre.

Das geschah allerdings nicht und so ist klar, dass angesichts der bestehenden Finanzprobleme zumindest eine massive Aufstockung des Rettungsfonds erforderlich sein wird, um den Spekulationen gegen Italien und Spanien Parole zu bieten. Denn offenbar sind weder Deutschland noch die EZB bereit, wie an dieser Stelle bereits vorgeschlagen (Kommt der EU/EZB-Fonds?), die unumschränkte monetäre Macht der EZB zur Stabilisierung der Eurozone einzusetzen.

Nachdem gerade der erhebliche Tabu-Bruch einer Eurozonenpleite mit privater Beteiligung Realität wurde, erscheint jedenfalls ausgeschlossen, dass die Finanzmärkte plötzlich wieder Vertrauen in die schwächeren Eurozonestaaten bekommen sollten. Vielmehr ist auch der Spread Frankreichs seit der EU-Einigung um 5 BP auf 60 BP angestiegen, während jener Belgiens um 20 BP auf bedrohliche 160 BP hochgeschnellt ist.

Für Österreich, das wegen des gewaltigen Engagements der österreichischen Banken im CEE-Raum von den Finanzmärkten schon im Vorjahr massiv abgestraft wurde, weitete sich der Spread zwar nur um fünf Basispunkte aus und liegt noch immer deutlich hinter Frankreich bei bescheidenen 50 Punkten, die im Falle Österreichs auch mit der geringeren Liquidität der österreichischen Emissionen zu begründen sein wird. Allerdings haben die österreichischen Banken in Zentraleuropa große Volumen an Frankenkrediten vergeben, die mit dem Euroeinbruch immer schwerer zu bedienen sind (Die vergessenen Opfer der Euro-Krise).

Sollten die Märkte dies aufs Neue als problematisch einzuschätzen beginnen - was in einigen Finanzforen bereits der Fall ist - könnte auch Österreich, dessen Banken (ohne Bank Austria) mit mehr als 15 Mrd. Euro in Italien engagiert sind, unversehens wieder ins Krisenterritorium vorstoßen.