Die unbekannte Trittin-Rente

Neu: Flaschensammeln für Arme jetzt auch im Internet

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Sie steht ganz im Schatten der Riester-Rente und kaum einer kennt sie: die Trittin-Rente. Eingeführt während der rotgrünen Regierungskoalition wurde sie lange von den anderen grünen Großtaten wie dem Nato-Krieg in Jugoslawien und der Einführung von Hartz IV überdeckt. Doch nur Wenige nahmen wahr, dass hier mit dem Dosenpfand unter dem grünen Minister Jürgen Trittin eine bedeutende Sozialpolitik auf den Wege gebracht wurde.

All den politisch erzeugten Hartz IV-Empfängern, Niedriglöhnern und künftigen Armuts-Rentern steht mit dem 2003 eingeführten Dosenpfand von immerhin 25 Cent pro Plastikflasche eine üppige zusätzliche Einnahmequelle zur Verfügung, um am Monatsende nicht nur in das Tischeck beißen zu müssen. Jetzt wurde die Trittin-Rente durch die Vernetzung über das Internet sogar noch effektiver gestaltet!

Bisher musste man sich die Trittin-Rente durch das Herumwühlen in Abfalleimern oder Müllkippen etwas mühsam erarbeiten. Längst ist man in den Großstädten mit jenen Gestalten vertraut, die mit großen Plastiktüten am Arm durch die urbane Landschaft auf der Jagd nach Bierdosen, Pfandflaschen, leeren Pet-Behältern streifen. Hier der Griff in die versifften städtischen Abfallbehälter, dort das Abräumen von ausgesoffenen und stehen gelassenen Bierflaschen. Wie von unsichtbarer Hand regelt auch der Flaschenpfand-Markt alles und die lockende Aussicht auf diesen oder jenen von den Hartz-Behörden unregistrierten Euro bringt quer durch ganz Deutschland eine kleine Heerschar von Bedürftigen auf die Beine – weil halt der Anreiz stimmt!

Die Trittin-Rente ist ein hervorragendes Beispiel wohldurchdachter Sozialpolitik, bei der sich Fordern (Hintern aus der sozialen Hängematte nehmen und ab auf die Pfandflaschen-Piste!) mit Fördern (wer täglich 4.000 Pet-Flaschen sammelt, kommt immerhin auf einen unversteuerten Tages-Verdienst von 1000 Euro!) verbindet.

Und auch hier kann das Internet helfen, das Leben einfacher und erträglicher zu machen. pfandgeben.de nennt sich eine Homepage, die Jonas Kakoschke, Student der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, eingerichtet hat. Seine Idee: Die Plattform vermittelt zwischen Pfandflaschenbesitzern und Pfandflaschensammlern. Der Flaschenspender braucht dazu nur auf die Homepage pfandgeben.de gehen und dort seine Stadt und sein Stadtviertel suchen. Weil sich heute im Internet-Zeitalter so was sehr schnell rumspricht, sind mittlerweile schon etliche Städte und Viertel auf der Plattform aufgeführt: Von Augsburg-Antonsviertel über Berlin-Charlottenburg, Chemnitz-Bernsdorf oder Hannover-Linden bis nach Passau-Umland. Klickt der Flaschenspender diese Ortsangabe an, erscheint zugleich die Handynummer eines Gewehr beziehungsweise Flaschensammelbeutel bei Fuß stehenden, empfangsbereiten Trittin-Rentners.

Ok, nicht so ganz. Zwar fährt die Unterschicht ja gerne auf Proletenschnickschnack wie Flachbildschirme und Roleximitationen aus Thailand ab, aber manch Obdachloser tut sich doch schwer mit den Handygebühren. Deshalb sammelt "pfandgeber"-Initiator Kakoschke nun auch alte Mobiltelefone mit Sim-Karte.

Und es funktioniert – jedenfalls mit dem Anruf bei der angegebenen Nummer. Martin zum Beispiel hat sich auf der pfandgeber-Seite als Abholer mit seiner Handy-Nummer eintragen lassen. Seit drei Jahren ist der arbeitslose Kraftfahrer aus Augsburg auf Hartz IV angewiesen und hat das mit den Pfandflaschen-Spenden aus dem Internet erfahren. Angerufen hat freilich noch keiner. Der 51-Jährige hat sich aber gedacht: "Ich probier's einmal". Richtig dran glauben tut er aber nicht: "Wer hat schon Pfand zu verschenken?" Mit der pfandgeber-Aktion ist Martin übrigens zum ersten Male auf den Trittin-Rente-Zug aufgesprungen. Bisher hat er sich noch nicht in die Reihen der Flaschensammler eingereiht: "Soweit bin ich Gott sei Dank noch nicht", sagt er.

"Mucky" aus "Germering-Innenstadt" (liegt bei München) ist etwas besser dran. Nein, arbeitslos ist er nicht, sagt der 28-jährige Fluggerätemechaniker. Er macht das aus Spaß. Hat doch ein Kumpel so bei einem "Fischzug" angeblich an die 30 Euro eingelöst. Angerufen hat "Mucky" bisher aber noch niemand, seit drei Wochen ist seine Nummer im Netz. Tätig werden würde er auch erst ab 40 Flaschen, darunter macht "Mucky" es nicht. Wäre eh nur des Spaßes wegen, vielleicht brächte es einen Kasten Bier. "Aber ich glaube nicht, dass sich wirklich etwas tut", meint er.

So segensreich sich also auch bei der Trittin-Rente das Internet zeigt, ob mit pfandgeber.de wirklich die anvisierte Klientel erreicht wird, bleibt fraglich. Vielleicht lässt sich hier aber ein "App" installieren, mit dessen Hilfe der Flaschensammler dem edlen Spender seine Hilfsbedürftigkeit nachweisen kann.