Bundesinnenminister Friedrich fordert Ende der Anonymität im Internet

Die Identität von Islamhass-Blogger und Breivik-Vorbild Fjordman wurde bekannt, die Szene feiert ihn nun als Helden

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Die rechten Islamhasser wähnen sich in einem Kampf der Kulturen ums Überleben, der eine Wiederholung oder Fortsetzung der Geschichte ist. Während die türkischen Truppen im 17. Jahrhundert bis vor die Tore Wiens vorgedrungen sind, würden heute Politiker und Intellektuelle die Türen öffnen, um Europa und Nordamerika mit Muslimen zu überschwemmen, so dass diese die Oberhand gewinnen, wenn nicht entschlossene westliche Kämpfer einen Bürgerkrieg gegen die Verräter und die Muslime entfachen, um Europa vor dem Untergang zu retten.

Just dieses Fanal wollte der vom Tempelorden faszinierte Norweger Breivik mit seinem Massenmord an den norwegischen "Verrätern" setzen, sekundiert von anderen, die auch vom Bürgerkrieg träumen, die Schrecken des Islam beschwören, Kulturuntergangsstimmung verbreiten und wie der Blogger Fjordman auf Websites wie Gates of Vienna oder andere in Deutsch etwa auf Initiative 1683 schreiben. Fjordman versucht nun verzweifelt, jede Mitverantwortung für Breivik abzustreiten, obgleich er seit langem das krude Weltbild mitsamt der Verschwörungsthese und dem Islamhass verbreitete (Bundesregierung: "Tat und Täter weisen keine Bezüge nach Deutschland auf", "Nürnberg 2.0"). In einem Interview mit der Zeitung VG gab er seinen echten Namen bekannt und trat damit aus der Anonymität.

Zuvor war jedoch schon von der Polizei verhört worden, mit seiner Anonymität war es also schon vorbei. Angeblich, so wird auf Gates of Vienna verbreitet, habe er sich freiwillig gestellt, die Polizei habe keine Ahnung gehabt, wer sich hinter dem Pseudonym Fjordman verbirgt. Andererseits heißt es ohne nähere Begründung, er sei dazu gezwungen worden, aus der Anonymität herauszutreten. Jetzt, so wird weiter in guter Breivikscher Manier am antiislamischen Weltbild und der ihm eigenen Verschwörungstheorie gestrickt, wisse Fjordman nicht, "wen er mehr fürchten muss: seine eigene Regierung oder die vereinten Kräfte der islamischen Zeloten und 'Antifaschisten'."

Peder Jensen wünscht aus verständlichen Gründen, nicht mit Breivik und seinen Taten verbunden zu werden. Der Medienwissenschaftler hat über Iran und Zensur promoviert und Arabisch in Kairo studiert, arbeitet aber in einem Behindertenheim und pflegte in der Freizeit die Welt über die Gefahr aus dem Islam aufzuklären. Auf Gates of Vienna wird Jensen weiter gepriesen als einer, der vor der Zerstörung der westlichen Kultur warnte, für die Bewahrung der europäischen Zivilisation eintrat und "vernünftig den kulturellen Relativismus" kritisierte. Jensen selbst strickt auch weiter an seiner Ideologie, schildert sich als Opfer der Polizei und greift, seinen Anwalt zitierend, dabei tief in die rhetorische Kiste: "Lars Hedegaard hörte meine Geschichte und kommentierte, dass er bislang von keinem Zeugen gehört habe, der in einem westlichen Land auf diese Weise behandelt worden sei, mit Ausnahme von totalitären Staate wie dem Dritten Reich."

Auch andere köcheln ihre Politik mit dem Hinweis auf Breivik und Fjordman. Bundesinnenminister Friedrich (CSU) forderte in einem Interview mit dem Spiegel nun das Ende der Anonymität im Internet. "Politisch motivierte Täter wie Breivik finden heute vor allem im Internet jede Menge radikalisierter, undifferenzierter Thesen, sie können sich dort von Blog zu Blog hangeln und bewegen sich nur noch in dieser geistigen Sauce. Warum müssen 'Fjordman' und andere anonyme Blogger ihre wahre Identität nicht offenbaren?" Blogger sollten "mit offenem Visier" auftreten. Das hätten freilich nicht nur die Sicherheitspolitiker in den Demokratien gerne, sondern auch die in totalitären Staaten.

Wenn Friedrich erklärt, dass die Grundsätze der Rechtsordnung auch im Netz gelten müssten, dann würde das Internet allerdings zu einer Ausnahmezone der Überwachung. Schließlich können die Menschen auch auf den öffentlichen Plätzen oder an halböffentlichen Orten anonym ihre Meinung anderen mitteilen. Noch müssen Demonstranten auch nicht ihre Ausweise vorzeigen oder ihre Finderabdrücke abliefern, wenn sie ihr Grundrecht auf Protest und Meinungsäußerung wahrnehmen. Aber natürlich ist die Forderung wohl vor allem populistisch gemeint und hoffentlich vorerst wenig folgenreich, schließlich könnten "Blogger", was sie auch massenweise machen, wenn sie sich in Gefahr vor Anzeigen wähnen wie rechte Gruppierungen oder beispielsweise auch der Islamhasser-Blog Politically Incorrect, auf Server im Ausland ausweichen, wo sie ihre Meinung frei vertreten können. Auch Fjordman hat dies gemacht. Wollte Friedrich seine Forderung tatsächlich konsequent umsetzen, müsste er eine gut kontrollierte Firewall wie die "digitale Chinesische Mauer" um Deutschland legen oder wie Iran ein inländisches Netz aufbauen, das durch gut kontrollierbare Schleusen mit dem Internet verbunden ist. Wollen das Friedrich und die CDU/CSU?

Im Übrigen verteidigt Friedrich Thilo Sarrazins Kampf gegen den Islam und seine Untergangsprophetie. Er habe zwar radikalisiert, aber es gebe einen Gesprächsbedarf. Für die "aggressive islamfeindliche Bewegung" machte er vor allem die "islamistischen Gewalttäter" verantwortlich. Es müsse nun einen interreligiösen Dialog geben, "der allen gerecht wird, nicht nur der Minderheit, die in unser Land kommt, sondern auch der Mehrheit, die hier lebt", wobei wunderlicherweise fast wie bei Fjordman und Co. unterstellt wird, hier habe der Islam bereits die Vorherrschaft gewonnen und sei der kulturelle Relativismus eingezogen.