Der Anleihe-Kauf wird teuer für die EZB

Während die Zinsen für italienische und spanische Anleihen sinken, steigen sie aber für Frankreich und Belgien

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Finanzmärkte scheinen sich wieder zu beruhigen, nachdem auch die US-Notenbank (FED) bestätigt hat, dass sie langfristig die Geldmärkte fluten will. Erstmals hat die FED sogar ein Datum angegeben, dass mindestens bis Mitte 2013 der Leitzins zwischen 0 und 0,25% sehr niedrig bleiben soll. Der FED-Chef Ben Bernanke deutete an, dass die Notenbank auch bereit sei, erneut US-Staatsanleihen zu kaufen. Derweil werde die mit Treasuries deutlich aufgeblähte Bilanz zumindest konstant gehalten und das bedeutet, dass die fälligen Anleihen sofort wieder in neue US-Staatsanleihen gesteckt werden.

Mit den gesammelten Stützungsprogrammen ist es zunächst gelungen, die Finanzmärkte zu beruhigen. Nach dem Schwarzen Montag konnten sich die Kurse schon in Erwartung der FED-Entscheidung in Europa stabilisieren. In Frankfurt schloss der Leitindex DAX zwar am 10. Tag in Folge im Minus, aber es waren nur noch 0,1% und nicht erneut ein Minus von 5% wie am Vortag. Einige europäische Börsen schlossen schon am Dienstag wieder im grünen Bereich. Der Dow-Jones-Index in New York legte schließlich sogar fast 4% zu und auch die asiatischen Börsen stehen im Plus.

Spanien und Italien profitierten schon ab Montag davon, dass die Europäische Zentralbank (EZB) massiv Staatsanleihen dieser Länder am Sekundärmarkt aufkauft. "Die EZB ist am Sekundärmarkt für Schuldtitel aktiv", sagte EZB-Chef Jean-Claude Trichet am Dienstag dem französischen Rundfunksender Europe 1. Weil die Notenbank ihr Engagement nach Angaben von Trichet fortsetzen werde, blieben die Risikoaufschläge auch am Dienstag unter 300 Basispunkten im Vergleich zu zehnjährigen Bundesanleihen. Statt also mehr als vier Prozent Zinsaufschlag werden die zehnjährigen Anleihen der beiden Südländer nur noch mit einem Aufschlag von knapp drei Prozent gehandelt, weshalb der Zinssatz nur noch im Bereich von fünf Prozent liegt.

Da aber die EZB nur am Sekundärmarkt Anleihen zur Stabilisierung kauft, bringt das den beiden Ländern tatsächlich derzeit keine finanzielle Erleichterung bei ihrer deutlich gestiegenen Zinslast. Ob der Stress dieser beiden Länder damit vorbei ist, muss bezweifelt werden. Näheres wird sich erst bei der nächsten Ausgabe von Staatsanleihen am Primärmarkt zeigen, an dem die EZB nach Angaben von Trichet nicht eingreifen darf.

Spanien hat ohnehin schon angekündigt, dass es derzeit wegen der Angst vor sehr hohen Zinsen keine längerfristigen Anleihen mehr versteigern will. Denn in den letzten Wochen mussten Spanien und Italien so hohe Zinsen bieten, dass sie den Zinsmarken nahe kamen, an denen Griechenland, Irland und Portugal Nothilfeanträge stellen mussten. Anleihekäufe der EZB hatten in diesen Fällen stets nur eine kurzzeitige Erleichterung gebracht. Der Absturz konnte aber nicht verhindert werden (Mit dem Absturz Portugals drängt die Euro-Krise auf Tagesordnung des EU-Gipfels).

Es ist sehr fraglich, wenn nicht sogar unmöglich, dass die Notenbank tatsächlich mit dem umstrittenen Aufkaufprogramm die großen Euroländer Spanien und Italien vor dem Absturz bewahren kann, wenn das schon mit den drei kleinen Ländern ins Auge ging. Schließlich schiebt die Zeitbombe Italien einen Schuldenberg von zwei Billionen Euro vor sich her. Hatte die die EZB bisher für 77 Milliarden Euro Staatsanleihen von Absturzkandidaten in die Bücher genommen, geht es im Fall von Spanien und Italien um ganz andere Summen.

Zweifel am Erfolg

Will die EZB "Ernst machen", muss sie sehr hohe Summen in die Hand nehmen (Ist die Europäische Zentralbank pleite?). In einer am Montagabend veröffentlichten Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters gaben Fondsmanager an, dass die Notenbank ihren Tabubruch enorm um 100 bis 250 Milliarden Euro ausweiten müsste, um vielleicht über das massive Anwerfen der Notenpressen die Märkte beruhigen zu können. Nach Schätzungen von Orlando Green, Rentenstratege bei französischen Crédit Agricole, müsste die EZB wöchentlich zwischen 20 und 40 Milliarden Euro liegen.

Dabei wollte die EZB genau den Sündenfall abstellen. Getrieben von Spekulanten macht sie ihn nun, wie das Vorbild FED in den USA, zum Prinzip, wie richtig kritisiert wird. Das weiß man auch in der EZB, weshalb man vor dem letzten EU-Gipfel vor drei Wochen darauf gedrängt hatte, den Tabubruch aufzugeben, und in Zukunft der temporäre Rettungsschirm EFSF die Anleihen von Pleitestaaten kaufen soll. Nun zeigt sich aber, dass eherne Notenbankgrundsätze immer stärker aus politischen Erwägungen über Bord geworfen werden und die EZB ihre Unabhängigkeit einbüßt. Dass eigentliche Ziel, die Geldwertstabilität zu sichern, was ihre eigentliche Aufgabe ist, gerät aus dem Blickfeld (Die Angst vor der Inflation steigt). Dass die Inflationsrate erneut auf 2,5% geschätzt wird, macht das deutlich, denn sie sollte unter 2% liegen. Wenn gerade massiv zweifelhafte Anlagen in die EZB verschoben werden, dann nimmt das ebenfalls die Steuerzahler stärker in die Verantwortung, die schon über die Inflation zur Kasse gebeten werden. Eine Beteiligung privater Gläubiger an der Schuldenkrise sähe anders aus.

Die erneute Ausweitung des Aufkaufprogramms wird denn auch von Experten kritisiert. So zweifelte Wim Kösters im Deutschlandfunk-Interview am Dienstag, ob so eine dauerhafte Beruhigung erreicht werden kann. Der Wirtschaftswissenschaftler und Vorstandsmitglied des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung erklärte: "Man beschließt solche Rettungsmaßnahmen und hat dann einen kurzfristigen Effekt, aber es zeigt sich dann, dass es nicht durchschlägt." Er kritisiert auch, dass Italien stützend unter die Arme gegriffen wird, obwohl es nur "vage Ankündigungen" der italienischen Regierung gäbe. Italien und Spanien hätten bisher nicht einmal Nothilfe beantragt. "Nur wenn man unterm Rettungsschirm ist, kann man, muss man ja bestimmte Konditionen akzeptieren für die Konsolidierung der Haushalte - das müssen die Italiener gar nicht."

Das Ausweichen auf andere Länder weist darauf hin, dass es eine wirkliche Entspannung kaum geben wird. Das hoch verschuldete Belgien rückt genauso stärken in den Blick wie Frankreich. Man richte den Blick eben jetzt auf Länder, die nicht unter dem Schutz der EZB stünden, erklären Händler. So darf man sich nicht wundern, wenn die Aufschläge auf französische Anleihen deutlich gestiegen sind. Sie wurden am Dienstag im Bereich von 3,2 Prozent gehandelt. Das ist der höchste Stand seit der Einführung des Euros. Auch die Nachfrage nach sogenannten Kreditausfallversicherungen (CDS) stieg an. Angetrieben werden Spekulationen im Fall Frankreichs durch Gerüchte, dass nach den USA auch das zweitgrößte Euroland sein Top-Rating "AAA" verlieren könnte.