Same procedure as 2008

Was wir dennoch über Finanzmärkte wissen können

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Basel Institute of Commons and Economics www.commons.ch

Fukushima zeigte, wie wenig Japan über Atomenergie wusste. Der Crash nach dem 2. August zeigt, wie wenig wir trotz 2008 über Finanzmärkte wissen.

Reicht dieses Wenige aus, sich mit der eigenen Altersvorsorge und Güterverwaltung ohne ernstere Schäden zu bewegen? Nach meinem Artikel über das Wahnsinns-Depot der VR-Bank habe ich der Anlegerin empfohlen, sofort die Fonds zu kündigen. Sie tat es am 27. Juli 2011. Per Fax. Der Fonds ist seitdem um für einen Fonds unvorstellbare 11% gesunken - in einer Woche.

Am Sonntag, den 31.7. traf ich meinen Vater. Er verfügt über ein beachtliches Aktiendepot, das unter anderem Perlen wie T-Com und Softbank umfasste. Nun harrt mein Vater auf die Erholung der Commerzbank, die er auf dem nach Ansicht von Fachleuten absoluten Tiefpunkt von 3,50 kaufte. Sie hatte in letzter Zeit ausschließlich Buy-Empfehlungen und Kursziele von 6-8. Ihr Kurs am 5.8.2011: 2,25. Ich sagte zu meinem Vater: "Investiere doch einmal in die AG Deines Sohnes." Er lächelte nur mitleidig. Wie wahrscheinlich auch Sie, werter Leser.

Seit 12 Jahren bin ich selbst an Aktiengesellschaften und GmbHs beteiligt. Diese Firmen haben nur zwei Zugänge zum Kapitalmarkt: Sie können Kredite aufnehmen oder Beteiligungen anbieten. Da die Beteiligungen nicht handelbar sind - es gibt keine Börse für GmbHs und nicht-börsennotierte AGs -, ist es kaum möglich, Aktionäre zu finden. Kapital ist ein Privileg der Großen. Diese haben deshalb meist eigene Venture-Capital-Gesellschaften, die die erfolgversprechendsten Startups bereits bei der Gründung kaufen. So findet Innovation nur dort statt, wo sie von den Großen erwünscht wird.

Der Staat sieht in Sachen Beteiligungskapital keinen Handlungsbedarf. Von 81,4 Milliarden Euro, die die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 2010 zur Verfügung stellte, bekommen die "Gründerchampions" genau 6000 Euro. Im "Infocenter" der KfW darf man sich aber für 42 Cent pro Minute vom Mobiltelefon über förderfähiges "Altersgerechtes Umbauen" informieren. Im ERP-Startfonds sichert die KfW, dass die Gründer nur eine Beteiligung bekommen, wenn sie einen "Leadinvestor" vorweisen können.

Ein Gründer, der bei der KfW oder einem der hunderten "Gründerzentren" ein Automobilunternehmen gründen wollte, würde im Mutterland und Weltmarktführer von Premium-Automobilen sofort vor die Tür gesetzt.

Warum diese Ausführungen? Ein Wachstum der Wirtschaftsleistung kann es nur auf zwei Wegen geben:

  1. Einem natürlichen Wachstum der Bevölkerung durch Einwanderung und hohe Geburtenrate.
  2. Einem Wachstum durch neue Geschäftsideen und Technologien, wobei diese aber in der Regel veraltete Geschäfte und Technologien kannibalisieren, also unter dem Strich kein Wachstum bringen.

Da die Verzinsung von Staatsanleihen und die Dividende von Aktien aber vom Wachstum abhängen, kann diese - falls das Wachstum ausbleibt - ausschließlich über Schulden finanziert werden. Diese sind in unzähligen Kapitalmarktprodukten versteckt. Deren Verzinsung aber produziert nur neue Schulden, damit neue Kapitalmarktprodukte und so weiter.

Der Crash erinnert uns an die Ausweglosigkeit dieses Schneeballsystems. Doch er ist noch nicht einmal vorbei, da schreibt der in New York lebende Doyen der deutschen Wirtschaftsjournalisten, Nikolaus Piper, in seinem Leitartikel am 6. August 2011 in der Süddeutschen Zeitung: "Ohne Vertrauen gibt es keinen Kredit und ohne Kredit keine Lösung der Probleme der Welt." Vertrauen hat Piper offenbar genug: "Washington hat keinerlei Probleme, sein Defizit zu finanzieren", stellt Piper doch etwas überraschend fest.

Wenn also der Crash vorübergeht, können vertrauensvoll neue Kredite aufgenommen und damit billige Aktien gekauft werden. Wir brauchen keine Zuwanderer, keine Kinder, keine innovativen Gründer. Wir brauchen nur Vertrauen in die Kapitalmärkte. Hörten wir das nicht auch 2008?

Alexander Dill ist Gründer des Basel Institute of Commons and Economics.