Mehr Steuern, bessere Verhältnisse

Warren Buffett, drittreichster Mann der Welt, plädiert dafür, dass Superreiche weniger vom Staat verhätschelt werden

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Die US-Regierung solle sich beim Wort nehmen, wenn es "Opfer für alle" gehe, die Millionäre und Mega-Reichen würden davon ausgenommen und von ihren Freunden an den höheren Positionen nur verwöhnt und verhätschelt, meint Warren Buffett, der als drittreichster Mann der Welt in der Forbes-Liste mit einem Vermögen von 50 Milliarden Dollar zu Buche steht. Die Steuer, die er im letzten Jahr abgeführt habe, sei prozentual geringer als das, was jeder seiner 20 Mitarbeiter im Büro bezahlen würde.

Knapp sieben Millionen Dollar habe er bezahlt, das seien 17,4 Prozent seiner besteuerbaren Einkünfte. Die Steuerlast seiner Office-Mitarbeiter betrage dagegen zwischen 33 und 41 Prozent, im Durchschnitt liege sie bei 36 Prozent. Seine superreichen Freunde könnten sogar noch einen geringeren Prozentsatz zahlen als er selbst, wenn sie Geld mit Finanzgeschäften verdienen. Ganz anders sehe das aus, wenn das Geld von einem Job käme.

Was Buffett anspricht, ist längst Argument in Diskussionen über soziale Gerechtigkeit. Nur dass es üblicherweise von "denen weiter unten" geäußert wird. Dass er von "ganz oben" aus spricht, als Megareicher, verleiht seiner Kritik an den sozialen Verhältnissen und seiner Entwertung gängiger wirtschaftlicher Glaubenssätze einen anderen Stachel. So etwa sein Blick auf die gesellschaftliche Solidarität, der in einen Zusammenhang rückt, was von konservativer Seite nicht miteinander verknüpft wird:

While the poor and middle class fight for us in Afghanistan, and while most Americans struggle to make ends meet, we mega-rich continue to get our extraordinary tax breaks.

Vom Trickle-Down-Effekt spricht kaum noch jemand. Der Mythos, wonach der Reichtum der Begünstigten allmählich auch auf untere Ebenen durchsickert, hat sich erledigt. Doch hält sich das Credo, wonach höhere Steuerbelastungen auf Kapitalerträge Investoren von Geschäften abhalten würde. Laut Buffet eine Annahme mit wenig Wirklichkeitsbezug. Das sei selbst in Zeiten weitaus höherer Besteuerung nicht der Fall gewesen:

I have worked with investors for 60 years and I have yet to see anyone — not even when capital gains rates were 39.9 percent in 1976-77 — shy away from a sensible investment because of the tax rate on the potential gain. People invest to make money, and potential taxes have never scared them off.

Auch einen entfernten Verwandten des Trickle-Down-Credos, wonach niedrigere Besteuerung zu mehr Jobs führen würde, schickt Buffett zurück ins Land der Mythen:

And to those who argue that higher rates hurt job creation, I would note that a net of nearly 40 million jobs were added between 1980 and 2000. You know what’s happened since then: lower tax rates and far lower job creation.

"Get serious about shared sacrifice"

Buffett argumentiert damit, dass die höhere Besteuerung, wie es sie in den USA in früheren Jahren gegeben hatte, nicht die Konsequenzen haben muss, die Republikaner und Lobbyisten an die Wand malen, sondern, dass es angesichts des Haushaltsdefizits darauf ankäme, auch die Wohlhabenden stärker in die Solidaritätspflicht zu nehmen. Die 236.883 amerikanischen Haushalte mit einem Einkommen über eine Million müssten stärker besteuert werden, Kapitalerträge eingeschlossen, und noch mehr die 8.274 Haushalte, die 2009 mit einem Einkommen über 10 Millionen Dollar veranschlagt wurden.

Lizenz: CC-BY-SA-2.0. Foto: Peteforsyth

My friends and I have been coddled long enough by a billionaire-friendly Congress. It’s time for our government to get serious about shared sacrifice.

Buffetts Plädoyer für höhere Besteuerung der Reichen löste viele Kommentare aus, z.B. im Wealth Blog des Wall Street Journals, wo man Buffett auf Kriegspfad gegen die Reichen sieht. Oder bei Forbes, wo seine Argumente als very strange disqualifiziert werden. Manchen gilt der Philanthrop schlichtweg als Heuchler. (Spätere Einf.: Die Schweizer NZZ geht nicht so weit, wirft Buffett aber einen grundsätzlichen Rechenfehler bei der der Doppelbesteuerung von Gewinnen vor, was zeige, dass Buffett störende Fakten zugunsten einer "starken Botschaft" vernachlässige).

Das beliebteste Gegenargument führt das Wall Street Blog ins Feld. Mehr Steuerabgaben für Millionäre das mag "emotional und politisch für einige befriedigend" sein, heißt es dort, aber es würde angesichts des großen Haushaltsdefizits weniger ändern, als man glauben möchte. CNN-Money unternahm dann den Versuch, dieses Argument mit Zahlen zu unterlegen.

Bei einer Steuer von 50 % für Einkommen über 1 Million würden sich laut des Steuer-Think Tanks Tax Policy Center jährliche Mehreinnahmen von 34 Milliarden ergeben, in zehn Jahren ergebe das 340 Milliarden Dollar. Wenn eine Besteuerung von Zinseinnahmen dazu käme, würden nach Schätzungen des Kongressausschusses Joint Committee on Taxation weitere 21 Milliarden in zehn Jahren hinzukommen. Weitere 107 Milliarden könnten addiert werden, wenn die Steuer für Gewinne und Dividenden bei Verdienern über 200.000 Dollar jährlich auf 20 Prozent erhöht würde.

Insgesamt ergeben sich nach diesen Schätzungen Mehreinnahmen von 468 Milliarden Dollar in zehn Jahren. Das, so CNN-Money, wären zwar nur ein geringer Teil der Schulden, welche die USA in den nächsten zehn Jahren aufnehmen, etwa 5 Prozent, aber doch viel Geld für wertvolle Regierungsprogramme..