Düstere Aussichten für die britische Jugend

Jeder Fünfte im Alter zwischen 16 und 24 ist arbeitslos

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So viele britische Schüler wie noch nie haben die Prüfungen geschafft, die zum Zugang an Universitäten berechtigen. Laut Guardian ist die Zahl der Bewerber für britische Universitäten ebenfalls auf einem Rekordhoch. Sie übersteige das Angebot an Studienplätzen, das in etwa gleich geblieben sei.

673.570 Bewerbern stehen demnach der Zahl von 487.000 Studienplätzen gegenüber. Die Lücke versucht man mit Programmen zu schließen. Dem stehen allerdings Einsparmaßnahmen gegenüber, die die größere Kluft eher noch ausweiten: die zwischen dem Nachwuchs der Bessergestellten und der anderen. Dass auch dieses Jahr Schüler von Privatschulen besser abgeschnitten haben, ist nur eines von vielen Indizien für ein Bildungsssystem, das sich aufgrund der Bevorzugung von Wohlhabenden in einer kritischen Situation befindet, vor der Fachleute schon seit längerem warnen (vgl. 'Savage' cuts to youth spending could rob a generation of chances):

We are witnessing the destruction of many of the building bricks of support for children and young people to achieve their full potential in life. (...)
It is desperately worrying. Many of the blocks that were being erected for improving their outcomes are being demolished and I see little in their place to inspire confidence that this generation will be looked after by government.

Parallel zu den Einsparmaßnahmen bei der Schulausbildung hat die britische Regierung höhere Studiengebühren beschlossen. Das dürfte viele davon abhalten, sich um einen Studienplatz zu bemühen und die Zahl derer erhöhen, die auf den Arbeitsmarkt drängen. Wie die neuesten Zahlen (PDF) des Office for National Statistics aussehen, wird es dort für die Jugendlichen schwer: Fast eine Million (949.000) der 16- bis 24-Jährigen sind arbeitslos. Das entspricht 20,2 Prozent.

Zum Vergleich: In Deutschland waren es im Juni 430.000 15-bis 24-Jährige arbeitslos gemeldet. Das entspricht 9,1 Prozent. In Spanien liegt der Prozentsatz bei unglaublichen 45,7 Prozent und in Griechenland bei 38,5 Prozent. Nimmt man den EU-Durchschnitt, der von diesen Zahlen nach oben gedrückt wird - auf 20,5 Prozent - als Maßstab, so liegt Großbritannien sogar noch leicht darunter. Bei einer Gesamtzahl von fünf Millionen arbeitslosen jungen Menschen in der EU sind 949.000 allerdings doch eine beträchtliche Zahl.

Zumal etwa 100.000 der arbeitslosen britischen Jugendlichen, bzw. jungen Erwachsenen, seit 2 Jahren oder länger auf staatliche Unterstützung angewiesen sind und die Aussichten bei der derzeitigen Wirtschaftslage sehr schlecht aussehen. Auch für solche mit Hochschulabschluss oder Zeugnissen, die sie zum Zugang zu Hochschulen berechtigen. Laut Zahlen, die heute von einem anderen britischen Medium, dem Independent, veröffentlicht werden - die offensichtlich eine andere Basis haben als die oben genannten des Guardian -, könnten 210.000 Studenten die Aufnahme an die Universitäten nicht schaffen.

So werden es nicht wenige sein, die von der Schule auf den Arbeitsmarkt drängen. Dort kann es eng werden, weil auch in Großbritannien der Niedriglohnsektor und die Teilzeitjobs sehr dicht belegt sind. Das kann eine fatale Dynamik in Gang setzen, weil es durch längere Arbeitslosigkeit nicht leichter wird, später einen Job zu finden.

Wie anderswo in europäischen Ländern verschleiert die Arbeitslosenstatistik manche Problematik des Arbeitsmarktes, in den die jungen Erwachsenen drängen, gemeint ist die sogenannte "versteckte Arbeitslosigkeit". So arbeiten gut eine Million (1,26), die als in Arbeit stehend verbucht sind, nur befristet oder teilzeit. Das sei die höchste Zahl seit 1992, als man mit solchen Aufzeichnungen begonnen hat, so der Independent.

Dazu komme, dass viele weit unter ihrer Qualifikation arbeiten, um sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser zu halten. An Vollzeitstellen habe es im letzten Quartal nur rund 1.000 neue Stellen gegeben. Der Arbeitsmarkt stehe still. Darüberhinaus wird befürchtet, dass Unternehmen, die Fachkräfte gehalten haben ("labour hoarding"), weil sie auf einen Aufschwung warteten, sich in nächster Zukunft anders entscheiden könnten.

Die Gesamtarbeitslosigkeit ist im letzten Quartal in Großbritannien laut offizieller Statistik um relativ geringe 0,1 Prozent auf 7,9 gewachsen. Doch zeigen andere Zahlen an, welche strukturellen Probleme sich dahinter verbergen. So ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen (über 2 Jahre ohne Arbeit) seit 2008 um 30 Prozent gestiegen. Für über 50-Jährige liegt sie bei 38 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie wieder Arbeit finden, ist angesichts der vielen Jungen, die ebenfalls auf der Suche sind, sehr gering.