Madrid im Ausnahmezustand

Proteste gegen den Papst-Besuch und gegen die hohen Kosten für die Steuerzahler werden massiv unterdrückt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die spanische Hauptstadt erlebt eine Art nicht erklärter Ausnahmezustand. Während die vielen Pilger, die aus der gesamten Welt nach Madrid gekarrt werden, Papst Benedikt XVI. feiern können, wird von der Polizei versucht, die Innenstadt von all denen zu säubern, die sich kritisch zu dem Besuch des reaktionären Oberhaupts der katholischen Kirche äußern. Nachdem schon am Mittwoch eine genehmigte Demonstration aufgelöst wurde, die zuvor immer wieder von den Gläubigen gestört worden ist, wurde auch am Freitag versucht, alle Gegenstimmen der Empörten zum Schweigen zu bringen.

Erneut wurden Journalisten und Fotografen verprügelt, die das brutale Vorgehen der Nationalpolizei dokumentieren. Die Tageszeitung Público hat ein Video veröffentlicht. Es zeigt nicht nur, wie eine junge Frau von den "Aufstandsbekämpfungseinheiten" verprügelt wird. Denn danach trifft es den Journalisten Daniel Nuevo Prügel, weil er den Vorgang fotografiert hat. Público reiht Nuevo in die Reihe mit etlichen Journalisten ein, die bei der Räumung des zentralen Platzes "Puerta del Sol" von denen angegriffen oder schikaniert wurden, die eigentlich für ihre Sicherheit sorgen sollten. Die Zeitung weist auch auf den Fall von Gorka Ramos hin, der schon Anfang August bei einem Protest der Empörten von insgesamt einem Dutzend Polizisten verprügelt und anschließend festgenommen wurde.

Betroffen kann derzeit jeder in Madrid sein, der sich nicht deutlich als Pilger zu erkennen gibt oder sich irgendwie kritisch zum Papst-Besuch äußert. Ein Video von Stéphane M. Grueso zeigt, wie eine Radfahrerin verprügelt wird. Ihr Vergehen war, das sie zuvor versuchte einzuschreiten, als zwei andere Frauen verprügelt wurden. Auf den Webseiten von Grueso finden sich weitere Fotos und Videos zur Polizeibrutalität, die einigen in Madrid die dunkelsten Tage der Diktatur in Erinnerung rufen.

Inzwischen wird wohl auch der Regierung angesichts dessen, was in der von der postfaschistischen Volkspartei (PP) regierten Hauptstadt und der Autonomen Region passiert, mulmig. Hatte der Regierungssprecher noch die Auflösung der genehmigten Demonstration der Laizisten verteidigt, will die Regierung nun die Übergriffe der Polizeieinheiten auf Kritiker doch untersuchen. Aus der eigenen Partei (PSOE) wurden die Stimmen immer lauter, welche die Brutalität bei der Räumung des Platzes am späten Mittwoch kritisieren. Das spanische Innenministerium will nun die Verantwortlichkeiten klären, nachdem auch kurz zuvor noch der neue Innenminister das Vorgehen gerechtfertigt hatte.

Die für die in Madrid für die Polizei verantwortliche María Dolores Carrión ist quasi abgetaucht, denn sogar ihre Kameraden fordern nun ihren Rücktritt. Doch anders als die Vereinte Linke (IU) fordert ihn die PP nicht wegen der Polizeigewalt, sondern weil die Demonstration der Laizisten überhaupt genehmigt wurde. Schließlich hatte die PP schon im Vorfeld versucht, die Demonstration verbieten zu lassen (Die Empörten in Spanien trotzen dem Papst), die ein Ultrakatholik offenbar mit Giftgas angreifen wollte (Anschlag in Madrid auf Papst-Gegner geplant). So sieht die Generalsekretärin der PP die Schuld nur bei denen, die ihr Demonstrationsrecht verteidigen wollen. Für María Dolores de Cospedal handele es sich um "eine Demonstration der grenzenlosen Intoleranz und um fehlenden Respekt vor der Religions- und Meinungsfreiheit".

Erstaunlich, dass Cospedal nur die Meinungsfreiheit der Religiösen verteidigt. Spanien bekommt derzeit in Madrid einen Vorgeschmack darauf, was passiert, wenn die PP nach fast 10 Jahren in der Opposition bei den vorgezogenen Neuwahlen im November über das fatale Versagen der PSOE in der Wirtschaftskrise wieder an die Macht kommen dürfte.