Schwarz-Grün in Berlin?

Die Ökopartei will sich in der Hauptstadt alle Optionen offen halten

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Am 18. September wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. In den Umfragen dazu führt die SPD mit 33 bis 36 Prozent. Eine Mehrheit der Sozialdemokraten zusammen mit der bislang mitregierenden und nun nur mehr bei 8 bis 10,5 Prozent liegenden Linkspartei ist jedoch unsicher. Die wahrscheinlichste Koalitionskonstellation im Falle einer fehlenden rot-roten Mehrheit ist Rot-Grün. Allerdings wollen sich die Grünen alle Optionen offen halten und schließen deshalb auch ein Zusammengehen mit der CDU nicht aus.

Nicht alle Berliner Grünen scheinen mit dieser Option gleichermaßen zufrieden. Die Taz zitierte unlängst die in Neukölln antretende Abgeordnete Anja Kofbringer sogar mit der Äußerung, sie stehe für eine solche Koalition nicht nur nicht nur Verfügung, sondern werde auch gegen sie stimmen. Später gab sie eine neue Äußerung an die Presse, die wie folgt lautet: "Selbstverständlich halte ich mich an Parteitagsbeschlüsse. Es gilt, was wir immer gesagt haben, dass wir keine Koalition ausschließen." Grünen Fraktionschef Volker Ratzmann kündigte sogar an, dass Kofbringer von der Taz, die den Text offenbar nicht mehr online vorhält, eine Gegendarstellung erwirken wolle.

Renate Künast, die Spitzenkandidatin der Grünen in Berlin.

Einerlei, was Kofbringer nun sagte oder nicht sagte: Bei manchen Grün-Wählern erzeugt die Möglichkeit einer grün-schwarzen oder schwarz-grünen Koalition durchaus Verunsicherung. Seit dem Frühjahr sanken die Umfragewerte der Ökopartei von etwa 30 auf nunmehr 20,5 bis 22 Prozent. Selbst die CDU liegt aktuell mit 20,5 bis 23 Prozent wieder gleichauf mit (beziehungsweise knapp vor) den Grünen. Gründe dafür sind zum einen sicherlich ein deutlich abgeflauter Fukushima-Effekt und die wieder zunehmenden Autobrände. Ein Teil der potenziellen Grün-Wähler dürfte aber auch von den Aussichten auf ein Zusammengehen mit der CDU abgeschreckt werden.

Dem Eindruck der Süddeutschen Zeitung nach werden die Berliner Grünen derzeit "an jedem Stand […] gefragt, ob sie womöglich mit der CDU koalieren". Eine Standardantwort darauf ist angeblich, dass man sich die Option nur deshalb offen halte, "um bei Koalitionsverhandlungen mit der SPD eine stärkere Position zu haben". Ob das jeder Wähler glaubt, ist fraglich. Denn die Berliner Grünen haben eine Verhinderung des (zum großen Teil unterirdischen) Ausbaus der Stadtautobahn A100 zum Wahlkampfkernthema gemacht und angekündigt, diesem SPD-Projekt unter keinen Umständen zuzustimmen.

Diese Festlegung nützte die CDU und änderte ihre Haltung dahin gehend, dass sie nun auch mit einer bloßen Schnellstraße zufrieden wäre. In anderen Bereichen umwirbt man die Grünen ebenfalls in auffälliger Weise: Spitzenkandidat Frank Henkel traf sich letze Woche mit dem sonst eher von grünen Kommunalpolitikern gepriesenen Nachhaltigkeitsarchitekten Hans Kollhoff, Generalsekretär Bernd Krömer sieht schwarz-grüne "Schnittmengen" bei der Standort- und Haushaltspolitik und die Kulturausschussvorsitzende Monika Grütters lobt öffentlich die Zusammenarbeit der beiden Parteien.

Nicht jedem alten CDU-Wähler sind solche Anbiederungen geheuer: Konservative, die ein Zusammengehen mit den Grünen fürchten, könnten sich für die neue Partei Die Freiheit entscheiden, die vom ehemaligen Unionsabgeordneten René Stadtkewitz angeführt wird. Grün-Wähler, die ein Koalieren ihrer Partei mit der CDU verhindern wollen, könnten dagegen taktisch Piraten wählen und so die Chancen für die von Ihnen präferierte rot-grüne Koalition gleich zweifach erhöhen: Zum einen sinkt auf diese Weise die Chance auf eine schwarz-grüne Mandatsmehrheit, zum anderen macht ein Einzug der Piraten in das Parlament (der mit vom ZDF erfragten 4,5 Prozent der Wählerstimmen in greifbarer Nähe scheint) durch die dann höheren Stimmenanteilsanforderungen eine absolute Mehrheit von SPD und Linkspartei unwahrscheinlich, sodass den Sozialdemokraten praktisch nur CDU und Grüne als mögliche Partner bleiben.

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