Gewalt in Computerspielen verstärkt nicht alleine Aggressivität

Der Wettkampf in einem Spiel könnte, auch ohne direkte Gewalt, nach einer Studie der Grund für erhöhte Gewaltbereitschaft sein

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Fördern Computerspiele, in denen die Spieler selbst Gewalt ausüben, aggressives Verhalten? Wird also Gewalt, die man sieht oder die man in einer simulierten Spielewelt aus der Ich-Perspektive ausübt, auch im Verhalten in der wirklichen Welt nachgeahmt? So waren die meisten Studien ausgerichtet, die klären wollten, ob es einen Zusammenhang zwischen Computerspielen und Aggression gibt. Aber auch in der Wissenschaft schallt es aus dem Wald, wie man hineinruft. Frägt man anders, können auch die Ergebnisse anders ausfallen.

Screenshot aus Conan

Kanadische Wissenschaftler der Brock University sind davon ausgegangen, dass aufgrund der unterschiedlichen Ergebnisse von Untersuchungen die von Computerspielen ausgehende Stimulation nicht alleine oder nicht entscheidend von der Darstellung bzw. Ausführung von Gewalt ausgehen könnte. Zudem sei oft unklar, ob die in manchen Studien nach Computerspielen gemessene erhöhte Aggressivität wirklich Gewaltbereitschaft erfasst oder nur ein verstärktes Konkurrenz- oder Durchsetzungsverhalten. Gewalt bedeute, jemandem Schaden zufügen zu wollen. Die Stimulation von Konkurrenz sei bislang bei Computerspielen nicht berücksichtigt worden, obgleich vermutlich Computerspiele, bei denen es um Gewalt geht, ebenso stark den Wettkampf herausstellen, was man aber nicht gleichsetzen dürfe. Überdies wird die aggressive Neigung oft mit Tests gemessen, in denen Aggressivität und Wettkampfbereitschaft vermischt werden. Daher wollten die Psychologen, wie sie in der Zeitschrift Psychology of Violence schreiben, einmal untersuchen, ob ein Computerspiel, das Gewalt beinhaltet, stärker eine Neigung zur Gewalt verursacht als eines, das keine direkte Gewalt enthält, aber die Konkurrenz zwischen den Spielern fördert.

Screenshot aus Fuel

Um dies zu testen, ließen sie 42 Studenten (25 Männer, 17 Frauen) das Spiel Conan, in dem mit Schwertern und Äxten gekämpft wird, um weiter zu kommen, und das Rennfahrspiel Fuel, das keine direkte Gewalt enthält, spielen. Die Spiele würden sich nur in Bezug auf die Gewalt unterscheiden, nicht aber hinsichtlich Konkurrenz, Schwierigkeit oder der Handlungsgeschwindigkeit, so die Autoren. Nach dem Spielen sollten sie an einem Versuch (Hot Sauce Paradigm) teilnehmen, bei dem sie einer anderen Person, die scharfes Essen nicht sonderlich schätzt, eine scharfe Sauce als Tester bereiten sollten. Sie konnten aus vier verschiedenen Saucen wählen, die die Testperson dann trinken sollte. Den Versuchspersonen wurde gesagt, sie würden an zwei verschiedenen Teste teilnehmen, die nichts miteinander zu tun haben. Unterschiede wurden hier nicht festgestellt, weswegen die Autoren davon ausgehen, dass Gewalt alleine nicht die Neigung zu Aggressivität verstärkt.

Screenshot aus Left 4 Dead 2

In einem zweiten Experiment spielten 60 Versuchspersonen (32 Männer und 28 Frauen) entweder Mortal Kombat versus DC Universe (hohe Gewalt und starker Wettbewerb), Left 4 Dead 2 (Ego-Shooter mit geringem Wettkampf), Marble Blast Ultra (keine Gewalt, keine direkte Konkurrenz mit Anderen, es geht darum, eine Murmel so schnell wie möglich durch Labyrinthe zu bringen) oder wieder Fuel. Vor und beim Spielen wurde der Blutdruck gemessen. Nach dem Spielen gab es wieder den Test mit der scharfen Soße. Die Versuchspersonen, die die stark auf Wettkampf setzenden Spiele Fuel und Mortal Kombat gespielt hatten, ließen den Testern deutlich häufiger die scharfe Soße zukommen, als Spieler der nicht auf Wettkampf ausgerichteten Spiele. Zudem hatten sie einen deutlich erhöhten Blutdruck.

Gewaltdarstellung und Ausübung von Gewalt in Computerspielen scheint danach, so die Psychologen, nur dann die Aggressivität zu verstärken, wenn sie mit einem starken Konkurrenzkampf einhergeht. Dessen Stimulierung reicht aber auch schon aus, zumindest kurzfristig die Neigung zur Gewalt zu erhöhen, also hier zur Verabreichung einer scharfen Soße an eine Person, die dies nicht will, ohne dass das Spiel selbst Gewalt beinhaltet. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen sei nicht signifikant gewesen. Möglicherweise sei die körperliche Erregung, also der erhöhte Blutdruck, der Grund, warum eine durch ein Computerspiel verursachte Wettkampfstimmung zu einer erhöhten Aggressivität führt. Das würde dann natürlich auch auf andere Situationen zutreffen, in denen ein Wettkampf wie auch in vielen Sportarten dominant ist. Allerdings ist Gewalt nur eine Variante des Wettkampfs, der immer aggressiv ist, schließlich geht es um Sieg oder Niederlage beim Kampf gegen einen Gegner.

Möglicherweise spielt der Wettkampf dann keine Rolle, wenn wie in Left 4 Dead 2 nur Wesen wie programmgesteuerte Zombies gekillt werden, die nur als virtuelle Wesen betrachtet werden, die man eliminiert oder nicht, aber nicht als wirkliche Gegner. Spielt man hingegen gegen einen anderen Menschen bzw. gegen einen Charakter, der von einem anderen Menschen gesteuert wird, dann ist der Spieler emotional stärker beteiligt. Allerdings wäre aus dieser Perspektive ein Computerspiel kaum von einem Spiel wie Mensch-Ärgere-Dich-Nicht zu unterscheiden. Und eine Gesellschaft, die die Konkurrenz auf allen Ebenen fördert, könnte demnach auch eine sein, in der die Gewalt geschürt wird.