Der "Duncan Plan"

Der Rohstoffhändler Vitol profitierte vom Ölembargo gegen Gaddafi und von Geschäften mit den Rebellen. Dies könnte mit guten Verbindungen des Unternehmens zu einem britischen Staatsminister zusammenhängen

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Es ist augenfällig der Geschäftssinn, der bei den Verhandlungen über Libyen nach Gaddafi Pate steht. Der Ängste bei denen schürt, die befürchten, dass sie sich durch ihre außenpolitische Haltung in der Sache möglicherweise um Vorteile gebracht haben ("Sie werden es nicht wagen, irgendwelche Verträge zu ändern"). Und es ist der Geschäftssinn hinter manchen strategischen Entscheidungen, der Beziehungen einem besonderen Verdacht aussetzt. So etwa im Fall des Rohstoffhändlerriesen Vitol, der einen Sonderstatus als Zulieferer und Geschäftspartner der libyschen Rebellen genießt und mit einem britischen Staatsminister eng verbunden ist.

300 Millionen Dollar aus einem Topf von wiederaufgetauten 700 Millionen Dollar aus libyschen Vermögenswerten will die US-Regierung an den Rohstoffhändler Vitol bezahlen. Gemäß unbekannter mit der Angelegenheit vertraute Quellen, die der Nachrichtendienstleister Bloomberg zitiert, liegt dem ein Geschäft zugrunde. Demnach habe Vitol dem libyschen Nationalrat zwei Tankerladungen mit Rohöl abgekauft und etwa 20 Tankerladungen mit raffiniertem Öl geliefert. Die Transportmenge pro Tanker wird in der Größenordnung zwischen 300.000 und 350.000 Fässern angegeben.

Geht es nach Informationen der britischen Zeitung The Telegraph so hat der vereinbarte Handel zwischen dem libyschen Übergangsrat und Vitol insgesamt ein Volumen von 1 Milliarde Dollar.

Dem Geschäft liegt eine Strategie zugrunde, die maßgeblich vom britischen Staatsminister für Internationale Entwicklung, Alan Duncan, entwickelt wurde: die Schaffung einer "Libya oil cell". Ziel war es, Gaddafis Nachschub an raffiniertem Öl zu stoppen und die Rebellen dagegen mit Benzin und Diesel zu versorgen. Im britischen Verteidigungsministerium ist man davon überzeugt, dass die Einheit, zu der Mitglieder des Kabinetts, des Außenministeriums und Militärs gehörten, eine Schlüsselrolle in dem Konflikt spielte. Gaddafis Nachschub wurde ausgetrocknet, die Rebellen in ihrem Kampf unterstützt. Teilnehmer berichten, dass Alan Duncon die strategische Zelle stolz "the Duncan plan" nannte.

Nun werden in den britischen Medien Verdachtsmomente laut. Denn es wurde nur ein Unternehmen mit den Lieferungen an die Rebellen betraut: "That oil came via one company, Vitol." Das ist zum einen bemerkenswert, weil andere Unternehmen, wie zum Beispiel BP, Shell und Glencore laut Quellen des Telegraph gar nicht erst kontaktiert wurden, was in Kreisen der Ölindustrie als "sehr überraschend" und "highly unusual" bewertet wird, da doch alle Ölfirmen an solchen Geschäften größeres Interesse haben.

Gute Beziehungen seit langer Zeit

Zum anderen wird die Wahl von Vitol als Partner des "Duncan plan" mit der Vergangenheit des Staatsministers in Zusammenhang gebracht. Duncon arbeitete vor dem Wahlsieg der Torys als Öl-Trader. Er war Leiter einer Vitol-Tochter, Arawak Energy. Mit dem Präsidenten von Vitol, Ian Taylor, soll er seit 30 Jahren freundschaftlich verbunden sein. Taylor spendete mehr als 200.000 Pfund an die Torys und auch Duncan wurde finanziell unterstützt.

As shadow leader of the house in 2008 Duncan declared donations in the register of members' financial interests that he received, via the Conservative party, from Taylor.

Die Opposition fordert nun eine Untersuchung des "außerordentlichen Geschäfts". Für die Labour-Partei ist der Fall klar:

This is the worst kind of government giving a company that paid Alan Duncan a secret deal. It is just like the way Arab dictators behave. Or the way some of the American deals were done in Iraq after the war.

John Mann, Labour, Parlamentsabgeordneter

"Nichts Falsches"

Premier Cameron erkennt dagegen nichts Falsches in der Sache. Zwar werden Kontakte zwischen Duncan und Vitol in Zusammenhang mit der "Libyen Oil Cell" eingeräumt. Verwiesen wird darauf , dass Vitol schon zuvor in Kontakt mit den Rebellen stand und dass das Unternehmen auch wegen seiner Erfahrungen auf dem Gebiet des Rohstoffhandels gewählt wurde.

Nach Informationen des Guardian war man aber im Außenministerium über die Strategie der Ölzelle durchaus beunruhigt; sie sei zu nahe an kommerziellen Interessen.

In der Vergangenheit hatte Vitol mehrmals bewiesen, dass Geschäfte Priorität vor politischen Bedenken haben. Das Unternehmen machte durch Geschäfte mit dem serbischen Milizenführer Zeljko Raznatovic Schlagzeilen, mit Lieferungen an Saddam Hussein während des Ölembargos. Zudem war Vitol 1993 in einen Skandal verstrickt, wo es um Lieferungen von "verschmutzten Öls" an ein pakistanisches Staatsunternehmen ging.