Tepco legt Plan für Fukushima vor

MEXT

Die neue japanische Regierung drängt auf die Wiederinbetriebnahme der abgeschalteten Reaktoren und legt genauere Messdaten der radioaktiven Belastung für die evakuierten Gebiete vor

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Es hat lange gedauert, bis die japanischen Behörden einmal so weit waren, den verunsicherten Menschen aktuelle und verlässliche Informationen über die Radioaktivität zu liefern, die aus dem havarierten AKW Fukushima 1 ausgetreten ist und weiter austritt. Der Betreiberkonzern Tepco hatte lange Zeit Messungen nur punktuell und oft verzögert preisgegeben, die Regierung war nicht in der Lage, weil die Behörden zu eng mit der Atombranche verbandelt sind, oder überfordert und unvorbereitet, korrekte, transparent und umfassende Daten zu liefern. Bürger haben in eigener Regie inzwischen Daten mit Geigerzählern gemessen und beispielsweise auf dieser Webseite zugänglich gemacht.

Zum Antritt der neuen Regierung unter Regierungschef Yoshihiko Noda, der vermutlich gegen die Ängste der Menschen den Weiterbetrieb der vielen noch immer stillgelegten Atomkraftwerke durchsetzen will, wurden nun vom Bildungs-, Wissenschafts- und Technikministerium MEXT die bislang genausten Karten der radioaktiven Belastung rund um Fukushima veröffentlicht. Daten vom 2. September wurden für das 20-km-Sperrgebiet um das AKW und für die übrigen Gebiete im Umkreis von 30 km und weiter erhoben, die evakuiert wurden. Gemessen wurde von Tepco und der Japanischen Atomenergiebehörde an 2.696 Punkten und zwar jeweils 1 cm und einen 1 m über dem Boden.

Die höchsten Werte wurden in Namie, Landkreis Futaba, 24 km nordwestlich von Fukushima 1, mit 35 Mikrosievert pro Stunde gemessen. Dieser Landkreis ist am stärksten belastet. In Namie wurden in einem Meter Höhe 41,2 Mikrosievert pro Stunde gemessen, in einem Zentimeter über dem Boden 105 Mikrosievert pro Stunde. Hohe Werte mit 14,5 Mikrosievert pro Stunde gibt es auch in Iitate, Landkreis Soma, 33 km nordwestlich vom Unfallort. Insgesamt schwankt die radioaktive Belastung im 30-km-Umkreis zwischen 0,3 und 35 Mikrosievert pro Stunde.

Tepco hat in üblicher Manier einen Plan vorgelegt, wie die Brennstäbe aus den havarierten Reaktoren 1-4 und deren Abklingbecken entsorgt werden sollen, nämlich ohne genauer zu werden. Nach dem Plan, der am 31. August der Japanischen Atomenergiekommission während eines Treffens vorgelegt wurde, will Tepco zunächst die Reaktorbehälter mit Wasser füllen, um dann mit Kameras den Zustand der Brennstäbe erkennen zu können, die mindestens in 3 Reaktoren geschmolzen sein dürften. Dann will man das radioaktive Material mit ferngesteuerten Robotern herausholen. Die Aufgabe ist gewaltig, schließlich handelt sich um insgesamt fast 1.500 Brennstäbe alleine aus den Reaktoren 1-3, in denen sich eine Kernschmelze ereignet haben soll. Und zuvor müssen die Reaktoren gesichert werden, damit das Wasser nicht mehr, wie es jetzt der Fall ist, auslaufen kann. Dazu kommen mehr als 3.000 Brennstäbe, die sich in den Abklingbecken der vier Reaktoren befinden.

Arbeiten am Reaktorgebäude 1. Bild: Tepco

In welchem Zeitrahmen die Brennstäbe oder was von diesen übrig geblieben ist, entfernt und wo sie gelagert werden sollen, davon spricht Tepco lieber nicht, berichtete die Zeitung Asahi. Man sei noch nicht in der Lage, Einzelheiten mitzuteilen, heißt es von Tepco. Schließlich könnte es viele Jahre dauern, und offenbar gibt es bislang kaum Ideen, wie sich dies bewerkstelligen lassen könnte. Bei den Brennstäben in den Abklingbecken, die vermutlich weniger beschädigt sind, könnte es einfacher sein. Aber auch hier rechnet man mit 3 Jahren, bis sie entfernt sind und in ein anderes Abklingbecken in der Nähe von Reaktor 4 untergebracht werden. Experten meinten auf dem Treffen, dass die Entnahme des geschmolzenen Materials durchaus gefährlich werden könnte. Man müsse in einem Prozess von Versuch und Irrtum vorgehen, was auch heißt, dass wenig Wissen besteht, wie man mit einer solchen Katastrophe umgeht, wenn sie eingetreten ist, womit man nicht rechnen wollte. Das dürfte nicht nur in Japan ein Problem sein, auch wenn hier gleich vier Reaktoren gleichzeitig außer Kontrolle geraten sind, was bislang einmalig ist.

Selbst wenn es irgendwie gelingen sollte, die Reaktoren zu sichern und das radioaktive Material mit Robotern herauszuholen, bleibt das nächste Problem bestehen, wo man den Atommüll lagern soll. Ein Endlager hat Japan ebenso wenig wie bislang alle anderen Atomstaaten. Nach dem Plan sollen die Reaktoren bis Januar 2012 stabilisiert werden. Bis 2015 sollen dann die Reaktoren unter Schutzbehältern gesichert werden. Mit der Entfernung des geschmolzenen Materials soll dann in 10 Jahren begonnen werden, so die Annahme nach den Erfahrungen mit Three Mile Island. Damals war aber nur ein Reaktor betroffen, zudem blieb das geschmolzene Material im Druckkessel, während es in Fukushima vermutlich bei mindestens 3 Reaktoren aus dem Druckkessel ausgetreten und damit schwerer zu bergen ist.

Der neue Regierungschef Noda will die aufgrund normaler Inspektionen abgeschalteten AKWs, die wegen der herrschenden Ängste der Bevölkerung von den zuständigen Präfekturen nicht mehr in Betrieb gehen durften, wieder ans Netz bringen. Von den 54 Reaktoren in Japan produzieren nur noch 12 Strom. Und diese müssen wegen der vorgeschriebenen Inspektionen auch in nächster Zeit abgeschaltet werden, so dass die Möglichkeit besteht, dass im Mai 2012 kein Reaktor mehr in Betrieb ist. Noda weiß, dass es derzeit nicht möglich sein wird, neue Atomkraftwerke zu bauen, wie dies vor Fukushima geplant worden war, aber er will offenbar den von seinem Vorgänger Kan gewünschten Ausstieg aus der Atomenergie wohl verlangsamen. Auch sein Industrieminister drängt, die abgeschalteten AKWs wieder in Betrieb zu nehmen. Allerdings scheint der Ausfall der Reaktoren mit dem Ende des Sommers keine großen Probleme mehr mit sich zu bringen. Tepco meldet, dass ab nächster Woche die eingeführten Stromsparmaßnahmen wieder aufgehoben werden können.