Klimawandel trägt Mitschuld

Karte: OCHA

Hungersnot am Horn von Afrika

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Die UN-Flüchtlingshilfsorganisationen verstärken im südöstlichen Äthiopien ihre Anstrengungen, nach dem dort in den letzten Wochen 18.000 neue Flüchtlinge angekommen sind. Aus dem mit 25.000 Menschen belegten Lager Kobe nahe der dortigen Stadt Dollo Ado wird ein Ausbruch von Masern gemeldet. Zusammen mit Unterernährung, ungenügender medizinischer Versorgung und mangelnder Hygiene führe die Krankheit zu vielen Todesfällen. Inzwischen haben UN-Helfer dort eine Impfkampagne unter den Kindern und Jugendlichen durchgeführt.

Insgesamt seien 12 Millionen Menschen in Kenia, Äthiopien, Djibouti und vor allem Somalia dringend auf Hilfe angewiesen. Zehntausende, darunter viele Kinder, seien bereits verhungert. Zwischen zehn und 20 Prozent der Kinder unter den somalischen Neuankömmlingen in den äthiopischen Flüchtlingslagern sind nach einem anderen UN-Bericht extrem unterernährt. Laut UNICEF leiden in der Region etwa 390.000 Kinder an Unterernährung. 140.000 seien akut vom Hungertod bedroht.

Neuangekommene somalische Flüchtlinge im äthiopischen Lager Kobe. Bild: UN

Der größte Teil der somalischen Flüchtlinge hat sich allerdings nach Ost-Kenia durchgeschlagen. Dort sind nach UN-Angaben allein in diesem Jahr 154.000 Flüchtlinge angekommen. Schon zuvor hatten mehrere Hunderttausend Menschen im Nachbarland Schutz vor dem Bürgerkrieg in Somalia gesucht. Entsprechend gilt das kenianische Lager Dadaab als die weltweit größte Ansiedlung von Flüchtlingen.

Allein 156.000 Kinder im Schulalter leben dort, wovon allerdings nur 40.000 zur Schule gehen können. Auf 100 Schüler, heißt es in dem oben erwähnten UN-Bericht, kommt nur ein Lehrer, wobei diese meist selbst Flüchtlinge sind. Besonders schlecht sei die Beschulung der Mädchen, von denen nur ein knappes Drittel die Schulbank drückt. 75 neue Schulen mit 1.800 Klassenräumen seien dringend notwendig.

Derweil leben nicht nur in Kenia und Äthiopien Somalis in Flüchtlingslagern. Somalilandpress, eine Internetplattform, die für und über Somaliland schreibt, dem faktisch unabhängigen Nordwesten Somalias, berichtet, dass auch dort massenhaft Menschen Schutz in Lagern suchen. In den zentralen und östlichen Provinzen Togdheer, Sool und Sanaag hätten viele Familien im letzten Jahr durch die bereits seit 2008 anhaltende Dürre ihre Tiere verloren und seien daher in die Notunterkünfte am Rande der Städte gezogen. In Somaliland, das aus der ehemaligen britischen Kolonie Somalia besteht und gegenüber dem Süden des Landes eher unterentwickelt ist, haben noch bis in die jüngste Vergangenheit viele Menschen von nomadischer Viehhaltung gelebt.

Karte: OCHA

In den Lagern, so der Autor des erwähnten Berichts, gebe es kaum Hilfe für die Betroffenen. Hinzu kommt, dass weitere Zehntausende vor dem Bürgerkrieg im Rest Somalias nach Somaliland geflohen sind, dort aber nicht als Bürger anerkennt werden. Für die Versorgung der Menschen ist das ein besonderes Problem, denn die Regierung will, dass sich die Hilfswerke der Vereinten Nationen um die Flüchtlinge kümmern. Diese bestreiten aber ihre Zuständigkeit, da Somaliland nicht als selbstständiger Staat anerkannt ist und die Menschen daher als Binnenflüchtlinge gelten.

Klimawandel verstärkt die bekannten Effekte von La Niña

Dürren sind am Horn von Afrika eigentlich nichts Besonderes, aber selten haben sie derartige Dimensionen, wie derzeit. Für gewöhnlich werden sie von La Niña verursacht, einer aperiodischen Schwankung der Wettersysteme der Tropen und Subtropen, dem Gegenstück zum besser bekannten El Niño. Das Problem, so erklärte der am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung lehrende und forschende Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe: Der Klimawandel verstärkt die bekannten Effekte. Dafür seien sowohl die Dürre in Ostafrika als auch die letztjährigen dramatischen Überschwemmungen in Pakistan ein Beispiel.

: "Kadija Mohammed, aged 78, sits in her shelter at the Al Adala settlement in Mogadishu. 'In my all life, I've never seen a drought as bad as this one,' she says." Bild: UN

Der US-Sender Voice of America (VoA) zitiert Simon Mason von der New Yorker Columbia University, der Gerstengarbes Ansicht bestätigt. Ostafrika, so der Klimaforscher, werde seit zehn Jahren trockener. Die Erwärmung führe zu Windverhältnissen, unter denen die Luftfeuchtigkeit eher vom Kontinent weggeführt werde.

Seit 60 Jahren habe die Region nicht so eine Dürre erlebt, schreibt die Nachrichtenagentur IPS. In Ostafrika habe es bereits seit zwei Jahren nicht mehr genug geregnet. Besonders schlecht fielen, so der VoA-Beitrag, die letzten beiden Regenzeiten im vergangenen Winter und im Frühjahr aus.

Nach Angaben der Weltmeteorologie Organisation (WMO) herrschen derzeit eher neutrale Verhältnisse, nachdem La Niña im Mai zu Ende gegangen ist. Ob in diesem Jahr noch ein El Niño folgt, ist vollkommen ungewiss, einige Wissenschaftler meinen, dass auch noch einmal La-Niña-Bedingungen eintreten könnten, was die Trockenheit weiter verlängern würde.

Aber auch plötzlich einsetzender, starker Regen wird nicht unbedingt Erleichterung bedeuten. Jean-Cyril Dagorn vom französischen Zweig der Hilfsorganisation Oxfam, den IPS zu Wort kommen lässt, befürchtet, dass die nächste Regenzeit, die im Oktober beginnen sollte, die Krise sogar noch verschlimmert: "Schwere Niederschläge, die auf extrem trockene Erde fallen, waschen den fruchtbaren Boden davon und verschlimmern damit die Nahrungsmittelkrise."

Auch Dagorn gibt dem Klimawandel eine Mitschuld, sieht aber auch Defizite in der Agrarpolitik der betroffenen Länder. "Wir schätzen, dass durch den Klimawandel und die Dürren die landwirtschaftliche Produktivität in den nächsten Jahrzehnten um 20 Prozent fallen wird." Die Viehhirten in der Region hätten schon jetzt 30 bis 60 Prozent ihrer Tiere durch die Dürre verloren.

Oxfam hat daher ein Programm gestartet, mit dem den Folgen der Dürre begegnet werden soll. Gemeinsam mit Bauern und Nomaden werden Einrichtungen geschaffen, um in der Regenzeit das Wasser aufzufangen und zurückzuhalten, damit es auch während der Trockenzeit zur Verfügung steht. Wer bei den Arbeiten hilft, wird entlohnt. Dadurch entsteht in den Gemeinden Einkommen, was zusätzlich hilft.

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Kennwort: Nahrungsmittelkrise Ostafrika

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