Strafbare Beweisaufnahmen

Einem US-Amerikaner drohen 75 Jahre Haft, weil er das Vorgehen von Polizeibeamten dokumentierte

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Dem 42-jährigen Michael Allison aus Bridgeport in Illinois drohen 75 Jahre Gefängnis dafür, dass der die Polizei filmte. Grund dafür sind alte Vorschriften, mit denen das Organisierte Verbrechen vom Abhören der Polizei abgehalten werden sollte und die in manchen Bundesstaaten auch auf technische Alltagsgegenstände angewendet werden, von denen die damaligen Gesetzgeber noch nichts ahnten.

Allison hatte auf einem Grundstück seiner Mutter alte Autos gelagert, die er repariert. Weil diese Lagerung von nicht zugelassenen Automobilen angeblich gegen eine Satzung der Ortschaft Robinson verstieß, beschlagnahmten Polizisten die Wagen, was Allison filmte, um Beweise für kommende rechtliche Auseinandersetzungen zu haben. Anschließend beschwerte er sich beim Leiter der Polizei und kündigte rechtliche Schritte gegen die Behörde an.

Amtsgericht Crawford. Foto: State of Illinois.

Bei einer Anhörung zu dem Fall wollte man dem Mechaniker kein amtliches Protokoll zugestehen, also nahm er sie selbst auf. Daraufhin beschuldigte ihn die Polizei des Verstoßes gegen die Anti-Abhör-Gesetze, weshalb ihm eine Strafe droht, die sich aus fünf ihm vorgeworfenen Aufnahmen zu je 15 Jahren zusammensetzt. Das hohe Strafmaß der Delikte entspricht dem einer Vergewaltigung.

Der 42-Jährige, der eine Kaution zahlen musste, um nicht in Untersuchungshaft genommen zu werden, ist nach eigenen Angaben völlig unbescholten und kam vorher nie mit dem Gesetz in Konflikt. Staatsanwalt Tom Wiseman, der sich weigert, Stellungnahmen gegenüber der Presse abzugeben, bot Allison angeblich einen Deal an: Eine Bewährungsstrafe, wenn er sich schuldig bekennt.

Doch Allison ist sich keiner Schuld bewusst. Und er kann sich nicht vorstellen, dass ein Gesetz, das seine Verurteilung zulässt, mit der US-Verfassung vereinbar ist. Weil Bürger mit ihr gehindert werden, Polizeimaßnahmen für rechtliche Auseinandersetzungen zu dokumentieren, verstößt die Anwendung der Vorschrift seiner Ansicht nach gegen insgesamt sieben Verfassungszusätze:

Gegen den ersten, der die Presse- und Redefreiheit schützt, den vierten, der willkürliche Beschlagnahmungen verbietet, den fünften, der einen fairen Prozess verbürgt, den sechsten, der die Justiz zu öffentlichen Verfahren verpflichtet, den achten, der unverhältnismäßige Strafen verbietet, den neunten, der die Einschränkung von Rechten ohne Verfassungsgrundlage verhindert und den vierzehnten, den Gleichheitsgrundsatz. Letzterer ist Allison zufolge verletzt, weil die Polizei Bürger ohne deren Zustimmung aufnehmen darf, ohne selbst Strafen fürchten zu müssen.

Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) stellt dem Mechaniker aus Illinois für sein Verfahren, dem grundsätzliche Bedeutung beimessen wird, einen kostenlosen Anwalt zur Verfügung. Aber auch der Regierung von Illinois ist die Gesetzesanwendung offenbar so wichtig, dass sie den stellvertretenden Justizminister ans Amtsgericht von Crawford schickte, um dem Richter mitzuteilen, dass man die verfassungsrechtliche Lage anders sehe als Allison dies tut.

Rückenwind erhielt der 42-Jährige durch ein am 26. August in einem ähnlichen Fall ergangenes Urteil. In ihm äußert ein Berufungsgericht die Auffassung, dass der erste Verfassungszusatz US-Bürgern ein Recht gewährt, die Polizei in der Öffentlichkeit aufzunehmen und dass Festnahmen in solchen Fällen gegen den vierten Verfassungszusatz verstoßen. Auch hier hatte die ACLU dem Beschuldigten einen Anwalt zur Verfügung gestellt.

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