In Unschuld gewaschene Hände?

Sicherheitsabkommen der deutschen Bundesregierung mit den Golfstaaten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Seit Jahren arbeiten deutsche Polizeibehörden intensiv mit den autoritären Monarchien am Golf zusammen. Rechtlich flankiert wird die Kooperation durch bilaterale Abkommen, die angeblich auch dem Menschenrechtsschutz dienen. Was sind sie wert?

Am 8. September traf sich Klaus-Dieter Fritsche, Staatssekretär im Bundesinnenministium, mit dem Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), um über den gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus und die zukünftige Kooperation im Sicherheitsbereich zu sprechen.

Bereits am Rande der hässlichen Geschichte um das Trainingsprogramm der Bundespolizei für saudische Grenzschützer, mit dem der Export eines milliardenschweren Überwachungssystems durch den Rüstungsgiganten EADS begleitet wurde, war deutlich geworden, dass sämtliche Golfstaaten inzwischen zu engen Partnern der deutschen Sicherheitsbürokratie geworden sind: Mit den VAE besteht seit 2005 ein "Abkommen über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich", mit Kuwait seit 2007 sowie mit Katar und Saudi-Arabien seit 2009. Zeit also, sich diese Abkommen etwas genauer anzuschauen. Allerdings ist bislang nur das Abkommen mit den VAE ratifziert und daher veröffentlicht. Zusätzlich liegt Telepolis der Vertrag mit Saudi-Arabien vor, so dass ein erster Eindruck möglich ist.

Weit mehr als Antiterrorkampf

Auffällig ist, dass beide Abkommen sehr vage von "Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich" sprechen, wohingegen ähnliche Abkommen mit Vietnam (2006) oder Tunesien (2003) auf die "Zusammenarbeit zur Bekämpfung von schwerwiegenden Straftaten und der Organisierten Kriminalität" bzw. "Straftaten von erheblicher Bedeutung" beschränkt sind. Entsprechend decken die Kooperationsabkommen mit den beiden Golfstaaten nicht nur Terrorismus oder Menschenhandel ab, sondern erstrecken sich auch auf Eigentums- und Computerkriminalität sowie Urheberrechtsdelikte. Es bleibt also kein Auge trocken. Das Abkommen mit Saudi-Arabien geht sogar noch weiter, wenn es heißt, dass auch Straftaten gemeint sind, die in "einem Drittstaat verübt oder vorbereitet werden" (Art.3). Im Gegensatz dazu beschränken sich die anderen Verträge - zumindest dem Wortlaut nach - auf Straftaten auf dem "Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien", "die das Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei betreffen" könnten.

Die vereinbarten Kooperationsformen umfassen Informationsaustausch, "abgestimmte operative Maßnahmen" sowie Wissenstransfer im Bereich Kriminalistik und Kriminaltechnik. Im Klartext geht es also auch um Ausbildungshilfen, wie sie in den vergangenen Jahren zahlreich durch das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei nicht nur in Saudi-Arabien durchgeführt wurden: Schulungen in Flughafensicherheit und biometrischen Identitätsprüfungen, Onlinefahndung, Verhandlungstaktik bei Geiselnahmen, Schutz und Durchsuchung von VIP-Residenzen, Ausbildung von Personen- und Grenzschützern gehörten zu den Bereichen, für die deutsche Polizisten am Golf unterwegs waren.

Heißt es hierzu im Abkommen mit den VAE noch treuherzig "Ausbildungshilfe", wurde mit Saudi-Arabien eine Zusammenarbeit auf dem "Gebiet der Sicherheitstrainings" vereinbart. Scheinbar will sich Berlin mit Riad rhetorisch auf Augenhöhe begegnen; angesichts der Milliarden, die die Saudis in das Grenzüberwachungssystem von EADS und das Training der Bundespolizei investieren, kein Wunder. Bei Bedarf sollen auch Verbindungsbeamte entsandt werden, und bereits heute hat das BKA je einen Mann in den Hauptstädten Riad und Abu Dhabi postiert.

Zuständige Behörden für die Umsetzung der Abkommen sind auf deutscher Seite in beiden Fällen das Bundesinnenministerium (BMI), Bundesfinanzministerium, Bundeskriminalamt, Bundespolizeipräsidium und Zollkriminalamt sowie mit den VAE auch das Bundesgesundheitsministerium (vermutlich wegen Zuständigkeiten im Drogenbereich). Bei den Vertragspartnern sind die Innenministerien zuständig, in den VAE aber u.a. auch das "Generalkommando der Streitkräfte", das dem Kronprinzen untersteht, der derzeit in Ergänzung zu seiner einheimischen Truppe eine Privatarmee internationaler Söldner aufbaut.

Datenschutzregime?

Auch wenn nur das Abkommen mit Saudi-Arabien bei den Formen der Zusammenarbeit ausdrücklich den Austausch von "personenbezogenen Daten" nennt, haben beide Abkommen ironischerweise ein eigenständiges Datenschutzregime. Klar ist also, dass immer auch Personendaten im Zentrum des Interesses stehen und nicht etwa nur abstrakte "intelligence".

Die Datenschutzregime sind allerdings kaum das Papier wert, auf dem sie stehen. Zwar wurden mit deutscher Gründlichkeit in allen Abkommen Prinzipien wie Zweckbindung, Datenrichtigkeit, Datensicherheit und Vertraulichkeit festgeschrieben, aber die (im Rahmen des schriftlichen Ersuchens um Informationen festgelegte (??) Zweckbindung bleibt angesichts der Reichweite der Abkommen vage und kann bei der Bekämpfung von "Straftaten von erheblicher Bedeutung" oder der Abwehr von "erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit" aufgehoben werden - mal abgesehen davon, dass wohl niemand wirklich weiß, was in den jeweiligen Ländern faktisch läuft.

Auffällig ist zudem, dass das Abkommen mit Saudi-Arabien nicht einmal vorschreibt, Vorgänge aktenkundig zu machen, und auch das zumindest theoretische Auskunftsrecht für Betroffene fehlt, wie es mit den VAE vereinbart ist (wie auch immer das dann nach dem entsprechenden innerstaatlichen Recht geltend gemacht werden soll).

Als völlige Makulatur erweist sich die Behauptung des BMI, dass "vor dem Hintergrund der in Saudi-Arabien zulässigen Todesstrafe" Vorschriften erlassen wurden, die einer Verletzung von Menschenrechten vorbeugen. Das BMI nimmt zur Begründung seiner Behauptung Bezug auf drei Passagen des Abkommens, die in der Summe sagen, dass a) übermittelte Daten nicht zur Beweisführung in Strafverfahren genutzt werden dürfen (Art.2, Abs.3), b) die Zusammenarbeit verweigert werden "kann", wenn sie im Widerspruch zu innerstaatlichem Recht steht und c) die Zweckbindung gilt. Da die Zweckbindung angesichts der großzügigen Ausnahmen wenig wert ist und die Verwendung von Informationen zwar als gerichtlicher Beweis, nicht aber als Hinweis in polizeilichen oder geheimdienstlichen Ermittlungen ausgeschlossen ist, lässt sich kaum ausschließen, dass arabische Ermittler mit deutschen Informationen zu Verdächtigen geführt werden, diesen unter Folter ein Geständnis abpressen, das zu einem Todesurteil führt.

Kurzum: Mit den Abkommen wird die intensive Zusammenarbeit deutscher Sicherheitsbehörden mit den autoritären Monarchien am Golf rechtlich flankiert. Damit wird suggeriert, dass die internationale Polizeikooperation mit Diktaturen im rechtsstaatlichen Rahmen und unter Wahrung der Menschenrechte möglich wäre - eine Fiktion, wie sich zeigt, wenn man die Vereinbarungen ausbuchstabiert. Zu hoffen ist, dass der Bundestag das ähnlich sieht, wenn ihm die bislang nur paraphierten Abkommen mit Saudi-Arabien, Kuwait und Katar zu Ratifizierung vorgelegt werden. So ließe sich der Zusammenarbeit mit Folterstaaten zumindest ein symbolischer Dämpfer versetzen.