Gefährlicher Glaube

Ein Fall aus Österreich zeigt, dass Homöopathie nicht in Elternhände gehört

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Wird Homöopathie nur zur Behandlung von Homosexualität eingesetzt, kann sie nicht viel anrichten. Ganz anders sieht es aus, wenn es um echte gesundheitliche Probleme geht. Und kriminell wird es, wenn Esoterik-Eltern ihre Spleens auf Kosten ihrer Kinder ausleben. Das zeigt ein Fall, der jetzt am Innsbrucker Landesgericht verhandelt wurde.

Dort verurteilte die Richterin Gabriele Lukasser ein Paar aus Osttirol zu einer (noch nicht rechtskräftigen) einjährigen Bewährungsstrafe, weil es seinen Sohn, der an der angeborenen Immunsystemstörung SCID litt, so lange nur mit Zuckerkügelchen behandeln ließ, bis er starb. Der Mediziner, der den Jungen homöopathisch behandelte, erhielt eine Strafe in gleicher Höhe. In die Urteile floss ein, dass die Eltern und der Hausarzt nicht aus schierer Unwissenheit handelten, sondern genau über die Krankheit und ihre Folgen aufgeklärt worden waren.

Homöopathische Pillen und Tropfen. Foto: Wikidudeman. Lizenz: Public Domain.

Die Eltern hatten sich damit zu rechtfertigen versucht, dass sie mit der Schulmedizin beim Tod ihrer beiden ersten Kinder, die ebenfalls an SCID litten, extrem negative Erfahrungen gemacht hätten. Die Jungen seien als Objekte wissenschaftlicher Neugierde ausgestellt worden, wären aber danach trotzdem gestorben.

Als das dritte Kind erkrankte, hatten es die Eltern erst noch in eine Klinik gebracht, wo eine Knochenmarkstransplantation vorgenommen werden sollte, die nach Ansicht des Sachverständigen Kurt Widhalm eine 95-prozentige Heilungschance versprochen hätte. Weil sie jedoch der Anblick anderer Kinder in dem auf solche Behandlungen spezialisierten Krankenhaus abschreckte, nahmen sie ihren Sohn noch vor dem Eingriff wieder mit nach Hause und enthielten ihm dort sowohl eine wissenschaftlich fundierte Behandlung mit wirksamen Medikamenten als auch entsprechende Untersuchungen vor.

Stattdessen beauftragen sie ihren Hausarzt damit, den Jungen mit Homöopathie zu kurieren. Der verzichtete darauf hin sogar dann auf die Gabe von Antibiotika, als sich die Krankheit deutlich verschlimmerte. Auch die eigentlich notwendige Wiedereinweisung in ein Krankenhaus unterließ er. Nachdem das Kind schließlich an einer Sepsis starb, brachte die Obduktion ans Licht, dass einer seiner Gehörgänge bis zur Zersetzung vereitert und seine Lunge durch die Entzündungen bereits verwachsen war. Außerdem stellten die Ärzte anhand von Ödemen fest, dass er mangelernährt war, was möglicherweise ebenfalls an esoterischen Heilvorstellungen lag.

In Österreich genießt die Homöopathie seit einer Arzneimittelgesetzänderung von 1983 staatliche Anerkennung und hat knapp 1000 Anhänger unter Ärzten.

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