Nur schnell ein paar Euro für das Glühwürmchen

Buntes Gewusel auf dem virtuellen Bauernhof.

Onlinespiele wie Farmerama gelten als kostenlos - die Methoden, Nutzer zum Einsatz von Echtgeld zu bringen, sind jedoch ebenso vielfältig wie erfolgreich

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Die virtuelle Puppenstube

Wer selbst ein Faible für Puppenstuben hat (oder aber dieses in Verwandt- oder Bekanntschaft miterleben kann), der weiß, welche Sammelleidenschaften und oft auch finanzielle Ressourcen dahinter stecken. Stück für Stück wird eingerichtet, (um)dekoriert und die Entwicklung betrachtet, um sich am Gesamteindruck zu erfreuen.

Onlinespiele wie Farmerama verbinden diese Puppenstubenmentalität mit den üblichen Verfahren einer Simulation, ergänzen dies mit einer auf die Community ausgerichteten Spielweise und schaffen es so, dass das virtuelle Stübchen auch mit Realgeld finanziert wird, während es sich gleichzeitig aber der Verfügungsgewalt des Nutzers nur bedingt öffnet. Zwar kann der Nutzer temporär schalten und walten, wie es innerhalb der Spieleregeln möglich ist, doch die Abhängigkeit vom Spielebetreiber ist allgegenwärtig. Nicht zuletzt hat dieser jederzeit die Möglichkeit, die Spieleserver abzuschalten und so das (virtuelle) Licht abzudrehen. In diesem Fall hat der Spieler, anders als der Puppenstubeneinrichter zuhause, von seinem virtuellen Stübchen lediglich eine Erinnerung. Eine solche Situation muss nicht einmal absichtlich herbeigeführt werden – technische Probleme, Einbrüche et cetera können leicht zu einer solchen Situation führen.

Farmerama, das von der Firma Bigpoint angeboten wird, ist ein solches virtuelles Puppenhaus, verbunden mit der Simulation eines Bauernhofes samt angeschlossener Stadt und einer Insel namens Bahamarama. Ein Wortspiel, das auf die englische Popgruppe Bananarama abzielt und nicht das einzige Wortspiel im Laufe de Spieles bleiben wird – so treten als virtuelle Käuferfiguren unter anderem Megan Fuchs, Robbe William oder Jack Spatz auf. Ein „Niedlichkeitsfaktor“, der sich spätestens seit der Beteiligung der US-amerikanischen Firmen an Bigpoint nicht nur in den Namen, sondern auch im Design des Spiels niederschlägt.

Die „Farbenmischerei“ - psychedellisch-bunt und typisches Beispiel für das neue Bonbondesign.

Gibt es bei Farmerama überhaupt ein Spielende? Das muss verneint werden. Spielzweck ist es, einen Bauernhof am Leben zu erhalten. Doch während anfangs lediglich Pflanzen zur Verfügung stehen, die wenig Zeitaufwand benötigen, beginnt mit zunehmendem Aufstieg auch das beschwerliche Leben des virtuellen Farmers, der nicht nur zwischen den zig Pflanzen entscheiden, sondern auch noch Tiere verpflegen, Futter herstellen, Ställe säubern, Ernten verkaufen und nicht zuletzt diverse Herausforderungen (Questen) erledigen muss.

Für eine Vielzahl dieser Aktionen stehen diverse Helferlein zur Verfügung, die aus dem kostenfreien Spiel schnell ein Kostenaufwendiges werden lassen - wobei Bigpoint es den Spielern leicht macht, sich mit „nur ein paar Euros“ einzubringen. Die Zahlungsmöglichkeiten sind vielfältig – per Telefon, Handy oder Kreditkarte, durch Sofortüberweisung und und und. Genau so vielfältig sind die Höhen der Zahlungen. So können günstige Einmalzahlungen für kurze Vergünstigungen genauso erworben werden wie Premiumfarmerschaften, monatlich beschäftigte Erntehelfer oder ähnliches.

Kaufen, kaufen, kaufen ...

Werte ...

In Ermangelung von „greifbaren Waren“ sind die Nutzer letztendlich die Käufer der virtuellen Waren, die durch ihre Realgeldeinsätze, vor allem aber auch durch ihre Onlinezeiten und ihre Anzahl zum Erfolg von Bigpoint beitragen. Und dieser ist derzeit nicht zu verachten: Die Umsätze beliefen sich 2009 noch auf 52 Millionen Euro, wuchsen aber schon im Jahr 2010 auf eine dreistellige Summe an. Der Gewinn betrug 12 Millionen. Zahlen für 2011 stehen noch aus. Das in Hamburg gegründete Unternehmen erwartet jedoch - ebenso wie US-Marktforscher - ein stetes Wachstum im Bereich Onlinespiele.

Grund genug, könnte man meinen, die Nutzer zu hofieren, da von ihnen letztendlich alles abhängt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Verärgerung der Nutzer zeigt sich immer wieder im dazugehörigen Forum. Dabei ist weniger das Spiel an sich Stein des Anstoßes, sondern die allgegenwärtige Fixierung auf den schnöden Mammon sowie eine Kommunikationspolitik, die nur mit viel Wohlwollen das Adjektiv „schlecht“ verdient. So enden die „Events“ (kurzfristige virtuelle Veranstaltungen mit besonderen Vergünstigungen) oder Questen manchmal vor der angegebenen Zeit. Wartungsarbeiten behindern die Events oder es werden falsche Angaben kommuniziert.

Für die Nutzer bedeutet dies, dass sie oft, um eine Queste noch beenden zu können, eben doch Realgeld investieren, so wie auch die permanente „eine Queste nach der anderen, ein Event jagt das andere“-Denkweise natürlich zum Einsatz von Realgeld führen soll. So entsteht ein „Anfixeffekt“. Dieser Begriff ist angemessen, bedenkt man, dass etliche Onlinespieler durchaus ein Suchtverhalten zeigen und ihre Mails, die andere zum Mitspielen verleiten sollen, oft genug jenen ähneln, bei denen es um die Rettung von Menschen, finanzielle Hilfe für Verzweifelte oder ähnliches geht.

Alles umsonst?

Selbstverständlich lässt BP falsche Angaben korrigieren und entschuldigt sich für Wartungszeiten, die ungünstigerweise mitten in Events fallen (eventuelle Verluste der Spieler werden dann mit Zierrat oder ähnlichem vergolten). Doch gerade die Korrektur falscher Angaben ist für die Nutzer nur schwer zu finden – im Forum gibt es zwar die „Offiziellen Ankündigungen“ (OA) - werden diese korrigiert, muss man jedoch im sogenannten „Editlog“ suchen. Eine deutliche Angabe, dass Informationen bisher falsch verbreitet wurden, gibt es nicht.

Auch die Überschriften der Ankündigungen sind oft eher kryptisch formuliert - „MEP-Day und Babyboom“ lautet z.B. eine solche Überschrift und gibt keinerlei Informationen über Datum, Zeit, Länge usw. des Events. Diese finden sich im entsprechenden Beitrag, weshalb es sich empfiehlt, die „Offiziellen Ankündigungen“ in epischer Breite jeden Tag zu durchforsten. Es wäre natürlich möglich, die Überschriften eindeutiger zu formulieren. Dies, so vermuten Kritiker, ist aber möglicherweise deshalb nicht gewollt, weil das tägliche Lesen aller OAs Klicks generiert.

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