Al-Qaida kritisiert 11/9-Verschwörungstheorien

Die Zelle im Jemen feiert in einem Sonderheft von Inspire den 10. Jahrestag der Anschläge und verurteilt den iranischen Präsidenten, der al-Qaida diese streitig macht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Al-Qaida schließt sich den Kritikern des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad an und stellt sich im Hinblick auf die von diesem verbreitete Verschwörungstheorie über die Anschläge von 9/11 auf die Seite der USA. Die al-Qaida-Zelle im Jemen (Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel - AQAP), die mit die aktivste ist ("Wir kommen, um euch hinzuschlachten") und mit dem gestylten Online-Magazin Inspire für die Ziele und um Rekruten wirbt, hat eben ein Sonderheft-Pdf ins Internet gestellt.

Mit dem Heft soll zum zehnten Jahrestag mit vielen Bildern, Verherrlichungen und Zitaten die "größte Spezialoperation aller Zeiten" gefeiert werden - und die man will man sich nicht wegnehmen lassen, schließlich hat 11/9 al-Qaida weltbekannt gemacht, die Bush-Regierung hat die Terrorgruppe um Osama bin Laden zum Hauptfeind erkoren und ihr daher erst wirklich globalen Einfluss verschafft. Man habe mit 9/11 die USA schwer getroffen, vor allem auch ökonomisch und wahrscheinlich ihren Untergang eingeleitet, wird gesagt, während die Gotteskämpfer sich von Afghanistan nach Pakistan, in den Jemen, nach Somalia, Nordafrika und weiter verbreitet hätten. Die USA seien militärisch schwächer geworden und unwillig, weiter Krieg zu führen, zudem sei ihr Ansehen gesunken:

Für uns ist es nur eine Frage der Zeit. Die Frage ist nicht, ob die USA stürzen werden oder nicht. Amerika bricht bereits zusammen, es ist nur noch nicht auf dem Boden aufgeschlagen.

Bemerkenswert ist, dass bei all der Feier von Terror, Waffen, Tod und Zerstörung keine Propaganda über die Ziele gemacht wird. Der Dschihad, also Tod, Selbsttötung und Vernichtung des Feindes, scheint selbst das Ziel zu sein, ein aufregendes und mörderisches Leben im Kampf, in dem Helden und Teufel und Böse gibt. Da spielt die Vorstellung eines normalen gesellschaftlichen Lebens nach einem etwaigen Sieg keine Rolle mehr und interessiert wahrscheinlich auch nicht, weil ein Leben in Normalität, in der man friedlich seiner Arbeit nachgeht, für die jungen zornigen, von einer nihilistischen Revolte im Gewand der Religion angetriebenen Männer kein Ziel ist, sondern wahrscheinlich als Untergang gesehen wird. Dem kann man sich durch Selbstmordattentate entziehen, wenn man in der Hierarchie nicht aufsteigt und Macht gewinnt.

Mit den Anschlägen habe Scheich Usama den USA eine "bleibende Wunde" versetzt und "den Schmerz, das Leiden und die Agonie" zurückgezahlt, die "Amerika Millionen von Muslimen auf der ganzen Welt" zugefügt hat. "Die Geschichte von 9/11ist die Geschichte des Dschihad", schreibt der Herausgeber des Sonderheftes weiter. Und so will man sie sehen:

Es ist die Geschichte einer kleinen Gruppe von Menschen, die von Allah geführt wurden, die sich entschlossen zu kämpfen, die auf den Schlachtfeldern trainierten und die ihren Kampf mit dem Martyrium zur Beendigung ihres kurzen, aber ereignisreichen Lebens in der Begegnung mit ihrem Herrn kulminieren ließen.

Ein Abu Suhail schreibt dann in einem Kommentar, dass es viele Verschwörungstheorien gebe, nach denen hinter den Anschlägen die US-Regierung oder der israelische Geheimdienst Mossad stünden. Das aber seien verwirrte Menschen, die nicht über die Forschungskapazitäten von Regierungen verfügten. Nur die iranische Regierung stelle hier eine Ausnahme dar. Präsident Ahmadinedschad verbreite ebenfalls, dass nicht al-Qaida, sondern die US-Regierung die Drahtzieher gewesen sein. Warum, so fragt der Autor rhetorisch, mache die iranische Regierung eine solche "lächerliche Behauptung, die aller Logik und Evidenz widerspricht"?

Iran habe sich seit Beginn der Revolution als antiamerikanische islamische Macht inszenieren können, so die Erklärung. Wenn die Bekämpfung der USA der iranischen Regierung wirklich wichtig sei, dann hätte sie sich über einen neuen Mitkämpfer - nämlich al-Qaida - freuen müssen, der dem "Großen Satan" einen Schlag versetzt. Das sei aber nicht der Fall, der "Antiamerikanismus ist nur ein politisches Spiel", was sich auch daran gezeigt habe, dass Iran den USA bei der Eroberung von Afghanistan und dem Irak Unterstützung gewährt hätten. Al-Qaida habe man hingegen als "Konkurrenten" gesehen, zumal die nichtstaatliche Organisation leisten konnte, was der Iran nicht schaffte. Daher musste der Iran 9/11 mit Verschwörungstheorien herunterspielen.

Auf die Tötung von bin Laden wird nicht weiter eingegangen. Man würdigt ihn als ehemaligen Führer und Gründer von al-Qaida, aber offenbar will man seinen Tod herunterspielen, vermutlich aber hatte er auch für die Zelle in Jemen keine Bedeutung mehr. Hier setzte sich Anwar al-Awlaki, der aus den USA stammende Imam, in Szene, der über das Internet, durch Videos oder eben durch Inspire für den Dschihad wirbt und drängt, weiter Anschläge in den westlichen Ländern auszuführen. Dazu wurde mitunter der Begriff des "Open Source Jihad" geprägt. Man setzt nicht mehr auf Menschen, die in den Jemen, nach Somalia oder nach Afghanistan reisen und dort trainiert werden, die Menschen in den USA und anderen Ländern sollen lieber alleine und unauffällig handeln, Anweisungen gibt es aus der Ferne.

Neue Vorschläge für "Anschläge auf die Bevölkerung der Länder, die sich im Krieg mit den Muslims befinden", werden von Anwar al-Awlaki, schon mal angekündigt: "coming soon". Deutlich wird auch gemacht, was im Visier steht: offensichtlich ein Bahnhof. Das wird den Sicherheitspolitikern und -behörden wieder Aufwind geben.

Für die US-Regierung gilt er als einer der gefährlichsten Terroristen. Es gibt einen Befehl von ganz oben, den Imam auch mit Drohnen zu jagen und zu töten (Mit US-Drohnen soll islamistischer Prediger im Jemen getötet werden). Bislang konnte er sich entziehen, sein Aufenthaltsort scheint unbekannt zu sein.