Diskriminierung von Tieren heute ähnelt der von Frauen, Schwarzen oder Schwulen

Britischer Theologe und Tierethiker fordert auch aus eigenwilliger christlicher Sicht einen anderen Umgang mit Tieren

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Andrew Linzey, ein Theologe, der an der Oxford University Direktor des weltweit einzigartigen Zentrums für Tierethik und ein Vegetarier ist, hat eine Diskussion über das Verhältnis der Menschen zu den Tieren aus Sicht der Religion in Gang gebracht. Für ihn, der schon in den neunziger Jahre über Theologie und Tierschutz gelehrt hat und schon zuvor ein radikaler Tierschützer war, ist es fast schon ketzerisch zu glauben, dass Gott nur an den Menschen, nicht aber an den Tieren interessiert sei. Und er ruft zu einer größeren Anerkennung der Tiere und zu einem besseren Tierschutz auf.

Ausgangspunkt war, dass Linzey zusammen mit einem Kollegen Herausgeber der neuen Zeitschrift Journal of Animal Ethics (JAE) ist und beide im ersten Editorial dazu aufgerufen haben, auch sprachlich, ganz in der Tradition von political correctness, einen anderen Umgang mit Tieren einzuüben. Man müsse mit der Sprache sorgsam umgehen, schrieben sie, weil wir mit ihr und durch sie die Welt verstehen. Um ein anderes Verhältnis und Verständnis von Tieren zu entwickeln, müsse man Ausdrücke aus der Vergangenheit vermeiden, da diese die alte Weltsicht transportieren, die Tiere abwerte.

Lucas Cranach, Adam und Eva im Paradies, in dem es keine Grausamkeit gegen Tiere gab und Mensch und (wildes) Tier harmonisch miteinander lebten. Bild: gemeinfrei

So sei es despektierlich und moralisch verwerflich von Haustieren (pets) zu sprechen, besser wäre es, sie "Begleittiere" (companion animals) zu nennen. Die Rede von einem Tierbesitzer sei zwar rechtlich korrekt, aber würde einer Vorstellung von Tieren aus der Vergangenheit verhaftet sein, als diese als "Eigentum, Maschinen oder Dinge, die man ohne moralische Grenzen benutzen kann", betrachtet wurden. Besser sei es, den Menschen als Hüter eines Tieres zu bezeichnen. Auch der Ausdruck "wilde Tiere" sei ein diskriminierend oder herabsetzend, besser sei es, von frei lebenden Tieren zu sprechen. Wörter wie Biester oder Viecher sollte man ebenso vermeiden, wenn man über Gottes fühlende Geschöpfe spricht, wie Ausdrücke der Art "schlau wie ein Fuchs" oder "wie ein Schwein fressen".

Herkömmlich gibt es für die christliche Religion allerdings eine unüberbrückbare Kluft zwischen Tieren und Menschen, schließlich sind einzig die Menschen von Gott auserwählt und laut Bibel als Höhepunkt der Schöpfung nach seinem Abbild geschaffen worden. Die Sprache der Bibel ist recht eindeutig, Pflanzen und Tiere sind für den Menschen da, der die Macht über sie hat: "Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land." Das klingt wenig entgegen kommend und für die Tiere nicht sehr fürsorglich. Dass man bei solchen biblischen Worten auf die Vorstellung kommt, dass Gott nicht an den Tieren als solchen, sondern höchstens an ihnen als Mittel für die Menschen interessiert, kann kaum verwundern.

Das Vorpreschen der Tierethiker verursachte ein Rauschen in den Medien. Man betrachtete das Anliegen als überzogen und machte sich über die neuen Ausdrücke, die ethisch korrekt sein sollen, lustig. Linzey setzte sich zur Wehr, wies falsche Interpretationen zurück und verteidigte seinen Standpunkt (auch auf Facebook). Er habe nicht gesagt, dass man mit der Verwendung des Wortes Haustier Tiere beleidige, da man Tiere nicht wie Menschen beleidigen könne, er wollte nur dazu anregen, anders über Tiere zu sprechen, weil dies auch für das Verhalten gegenüber ihnen bestimmend sei.

"Wir machen Tiere zu Lebensmittelmaschinen"

Der Theologe scheut auch nicht davor zurück, zusammen mit der Tierschutzorganisation Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals (RSPCA) eine Messe für Tiere am 2. Oktober in der Westminster Abbey abzuhalten. Die angeblich erste Tierschutzorganisation der Welt sei nämlich aus einer "christlichen Vision" im 19. Jahrhundert gegründet worden. Man habe Grausamkeit gegen Tiere verhindern und einen freundlichen Umgang mit ihnen fördern wollen. In dem Zusammenhang wirft er dem Staat und der Kirche vor, Grausamkeit gegen Tiere nicht genügend zu bekämpfen. Der Staat sei nicht gegen wilde Tiere im Zirkus eingeschritten, vor allem aber mache man nach ersten Erfolgen gegen Tierfabriken nichts gegen die Entstehung von "Megatierzuchten", in denen geplant werde, bis zu 8.000 Kühe oder 30.000 Schweine ständig in Fabrikgebäuden zu halten: "Wir machen Tiere zu Lebensmittelmaschinen." Insgesamt gehe das grausame Verhalten gegenüber Tieren nicht zurück. Die Kirchen würden sich mit Ausnahme sehr weniger Bischöfe dazu nicht äußern. Normalerweise werde über die Verantwortung gegenüber der Umwelt gesprochen, "aber wenn es zur Thematisierung unserer besonderen Pflichten gegenüber anderen empfindungsfähigen Lebewesen herrscht Schweigen".

Dem liege eine Mangel in der Theologie zugrunde, eben vor allem der "Götzenglaube", dass Gott nur an den Menschen interessiert sei. Da ist der Theologe ganz anderer Meinung:

Christen sind nicht viel weiter gekommen, als zu denken, dass die ganze Welt für uns geschaffen worden ist, mit dem Ergebnis, dass Tiere nur auf instrumentelle Weise als Objekt, Maschinen, Mittel und Güter anstatt als Mitgeschöpfe gesehen werden.

Das aber sei "untheologisch", weil dadurch der Mensch vergöttlicht werde. Die Menschen seien "geistig blind in Bezug auf unsere Beziehungen zu anderen Geschöpfen". Ähnlich hätten sich früher Männer gegenüber Frauen, Weiße gegenüber Schwarzen oder Heterosexuelle gegenüber Homosexuellen verhalten. Gott aber würde nicht verzeihen, wenn man einem anderen Geschöpf Leiden zufügt. Kämpft Linzey also für den Wiedereintritt in den Garten Eden, wo Mensch und Tier, allerdings nicht gerade biblisch verbürgt, friedlich miteinander gelebt haben sollen?