Prothese mit Tastsinn

Vom Gehirn zur Maschine und wieder zurück: Forscher haben Rhesusaffen mit künstlichen Gliedern ausgestattet, die eine direkte Rückmeldung an das Gehirn liefern

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Dass Mensch und Tier all ihre Körperteile so effizient und gleichzeitig koordiniert bewegen können, ist nicht nur eine Funktion der Gehirnkapazität, sondern erfordert gleichzeitig einen sehr schnellen und zuverlässigen Feedback-Mechanismus, der den Vergleich zwischen Intention und Wirklichkeit ermöglicht. Die Konstruktion einer gedankengesteuerten Prothese kann deshalb erst dann als komplett gelten, wenn es gelingt, auch diese Rückmeldungs-Schleife umzusetzen. Bisher bedient man sich dabei einer Abkürzung und nutzt zum Beispiel das optische Feedback: Der Träger einer Prothese sieht ja, dass er ein Glas in der Hand hält. Das funktioniert mehr schlecht als recht, an die taktile Empfindsamkeit etwa der Hand kommt dieser Mechanismus nicht heran.

Der nächste Schritt muss deshalb sein, entsprechende Empfindungen auf direktem Weg dorthin zurückzuliefern, wo sie verarbeitet und ausgewertet werden. Einen vielversprechenden Versuch in dieser Richtung beschreiben Forscher in einem Online-Vorabdruck des Wissenschaftsmagazins Nature. In ihrem Beitrag zeigen sie, wie sich das Konzept bei unseren nächsten Verwandten, den Affen, umsetzen lässt.

Die Affen steuern mit Hilfe eines Brain-Computer-Interface einen Avatar ihrer selbst - und bekommen ein reales Feedback ihrer virtuellen Bewegungen geliefert. (Bild: Katie Zhuang)

Nun sind die Wissenschaftler freundlicherweise nicht so weit gegangen, ihren Versuchstieren künstliche Gliedmaßen zu transplantieren. Die Gedankensteuerung eines maschinellen Armes oder Beines stand nicht im Fokus ihrer Arbeit, diese Technik ist bereits vergleichsweise ausgereift. Vielmehr schufen sie eine virtuelle Entsprechung der Gliedmaßen - die Tiere steuerten mit Gehirnimpulsen die Aktionen einer digitalen Repräsentation. Die reale Entsprechung des taktilen Feedbacks, das dabei entstand, wurde ihnen dann wieder eingespeist. Dazu war es lediglich nötig, jeweils zwei Mikrodrähte in die Hirnregionen zu führen, die die Hand respektive das Bein repräsentieren.

Die Tiere hatten die relativ simple Aufgabe, drei Manipulationsziele zu unterscheiden. Nur bei der Auswahl des richtigen Ziels wurden sie mit Futter belohnt. In der leichteren Stufe konnten die Affen dazu einen Computercursor mit einem Joystick steuern, in der schwereren Stufe dienten dazu lediglich Hirnimpulse. Die eigentliche Schwierigkeit bestand allerdings darin, dass die Ziele optisch nicht zu unterscheiden waren. Vielmehr mussten sich die Versuchstiere auf das "taktile" Feedback verlassen, das ihnen die Forscher über die Steuerdrähte übermittelten. Es bestand aus unterschiedlich codierten Hochfrequenz-Impulsen.

Nun konnten die Forscher die Affen nicht fragen, mit welchem Gefühl diese Impulse verknüpft waren. Sie schienen zumindest nicht schmerzhaft zu sein, sonst hätte der Lernprozess nicht funktioniert. Doch ob sich tatsächlich ein Berührungsreiz einstellt, wird man erst herausfinden, wenn man das Experiment auf menschliche Freiwillige überträgt. Die Affen jedenfalls hatten mit dem Versuchsaufbau kein Problem. Es gelang ihnen sowohl via Joystick als auch über Gedankensteuerung, die gesuchten Ziele zu identifizieren. Dafür brauchten sie etwa so lange, wie man es für einen taktilen Reiz erwarten würde.

Der Trainingszustand verbesserte sich mit der Zeit, entsprechend nahm auch die Zeit ab, die die Affen für ihre Aufgabe benötigten. Interessanterweise zeigte sich ein Phänomen, das man auch schon vom Menschen kennt: Selbst durch bloßes Zusehen verbessert sich der Trainingszustand, weil die Aktuator-Neuronen auch dabei schon feuern.