"Mit Härte gegen die Polizei"

Der französische Innenminister zieht gegen eine Copwatch-Site vor Gericht

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"Ja, wir müssen die Polizei zittern lassen und den Staat, der sie schützt". Innenminister Claude Guéant nimmt Ansage der Website Copwatch Nord-Paris IDF ernst und reagiert mit dem Gesetzbuch. Er strengt eine Klage an und will, dass Teile der Seite vom Netz genommen werden. Für nächsten Mittwoch sind die großen französischen Internetprovider vor einem Gericht in Paris geladen, um darüber Auskunft zu geben, ob dies machbar ist.

Die Frage, die dem Verfahren unterliegt, ist einmal mehr die nach der Kontrolle der Polizei und welche Mittel dafür erlaubt sind. Geht es nach den Betreibern der inkriminierten Website, die sich wenige Tage nach ihrem Erscheinen im September bereits mit einer Klage des Innenministers konfrontiert sahen, so legitimiert der Skandal die Mittel.

Der Skandal besteht ihrer Auffassung nach in provokanten Vorgehensweisen der Polizei, besonders der BAC (Brigade anti-criminalité)-Einheiten, bei Demonstrationen, bei Kontrollen, beim Aufgreifen von Verdächtigen oder Personen, die abgeschoben werden und in rechtslastigen Tendenzen und Verbindungen, die angeblich bei einzelnen Polizisten beobachtet wurden. Dies alles ist auf Bildern, Videos und in Texten auf Copwatch Nord-Paris festgehalten. Nicht unbedingt sachlich, sondern im Ton der Entrüstung. Die Beweiskraft der Bilder liegt auch im Auge des Betrachters.

Man habe genug, so der Kommentar zu den Fotos, die bisherigen Veröffentlichungen zur Polizeiarbeit seien ohne Wirkung geblieben, man setze nunmehr auf mehr Härte mit Mitteln nach dem Vorbild der amerikanischen Copwatch-Sites.

Copwatch ist ohne Zweifel die härteste Technik, aber auch die effizienteste, um Gewalt der Sicherheitskräfte zu antizipieren und zu denunzieren. Im Augenblick ist die französische Polizei um einiges gewalttätiger als die Polizei in angelsächsischen Ländern. (...) Wir haben versprochen, dass wir hart zuschlagen werden und wir haben das getan, aber wisst, dass alles erst angefangen hat, das ist noch nicht zuende. Wir werden nicht mit unserer Jagd aufhören.

Erbeutet haben die Jäger der Polizisten Fotos, die deutlich Zivilpolizisten beim Einsatz identifizieren. Ihnen wird mit dem beigefügten Text unterstellt, wovon in unzähligen Augenzeugen- und Zeitungsberichten in vielen Ländern die Rede ist: Dass sie sich in den Pulk einer Demonstration zu mischen versuchen, dass sie die Menge mit Hooligan-Sprüchen aufpeitschen. Desweiteren macht ein Foto einen Beamten kenntlich, der auf Facebook Verbindungen zu Rechtsradikalen erkennen läßt und dazu gibt es Fotos von Streifenpolizisten beim Alkoholgenuss in Uniform.

Die Fotos, welche die Polizisten identifizieren, hält der Innenminister für "extrem gefährlich". Hunderte solcher Fotos, die Beamte auch zuhause zeigen würden, soll die Polizei nach Angaben des Figaro bereits entdeckt haben. Was von der Copwatch-Site pauschal als nötige Aufklärung verstanden wird, um z.B. zu zeigen, dass die Polizeiarbeit aus bestimmten Bezirken Sicherheitslaboratorien mache, um dort Einsätze mit Flash-Ball zu üben, wird von Guéant als pauschal als "Diffamierung" bezeichnet. Er spricht von einer "Stigmatisierung" der Polizisten und einer Gefährung auch der Angehörigen "im täglichen Leben", der sie dadurch ausgesetzt seien.

Konkret klagt er jedoch nicht darauf, die ganze Website sperren zu lassen, sondern nur bestimmte Seiten. Wohl wissend, dass er Schwierigkeiten mit dem Verfassungsrat bekäme, wenn er auf Sperrung der ganzen Site drängte, geht es ihm nun darum, den Einsatz eines Filters gerichtlich verfügen zu lassen. Doch, wie das Magazin Numérama hinweist, ist dies nicht so einfach. In der Praxis sei die selektive Filterung von URLs "entweder unmöglich zu verwirklichen oder sehr teuer". Zudem gerate sie Konflikt mit Gesetzen zum Schutz der Privatsphäre der Internetuser.

Als Resüme, so das Magazin, das Versuche der Regierung, das Internet zu regeln, nicht selten süffisant kommentiert, sei festzuhalten, dass das französische Copwatch seit den Schließungs-Bemühungen des Innenministers immer bekannter wurde. Bereits im Dezember letzten Jahres hatte der damalige Innenminister Hortefeux mit Indymedia darüber gestritten, ob die Veröffentlichung von Fotos von Zivilpolizisten rechtens ist (Fotos und Filme von Zivilpolizisten im Netz).