Bankenrettung paradox

Zwei wenig hilfreiche Vorschläge aus Brüssel und Luxemburg zeigen, wie verfahren die Eurokrise mittlerweile ist - und welche Rolle Deutschland spielt

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Was zwei Stresstests nicht geschafft haben, soll nun - nach dem Zusammenbruch der belgisch-französischen Dexia - im Eilverfahren nachgeholt werden: die Rekapitalisierung der von der Eurokrise gebeutelten Banken.

Gleich zwei EU-Politiker legten gestern ihre Vorschläge vor: Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Sie reihen sich damit in den Chor ein, der von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy eröffnet wurde und bis zum EU-Gipfel Ende Oktober zur finalen Euro-Rettung führen soll.

Doch was wie üblich als "comprehensive approach" angekündigt wurde, lässt fast alle Fragen offen. Juncker forderte im Handelsblatt, dass sich notleidende Banken zunächst an den Märkten mit Kapital versorgen sollten. Sollte dies nicht gelingen, könnten die Staaten einspringen und ihre Banken selbst refinanzieren. Allerdings dürfte dies kein Verlustgeschäft für den Staat sein; die Stützung müsse auch den Steuerzahlern zugute kommen. Indirekt sprach sich Juncker damit für eine Verstaatlichung notleidender Banken aus.

Einen ähnlichen Plan stellte Barroso vor. Es gehe darum, den "Teufelskreis des Misstrauens" in die Banken zu beenden, sagte er im Europaparlament. Dazu solle die Eigenkapitalrate bei systemrelevanten Banken vorübergehend erhöht werden. Eine Zahl nannte Barroso nicht; er ließ auch offen, welche Institute betroffen wären. Eine staatliche gestützte Bank dürfe keine Dividenden oder Boni auszahlen, forderte der Kommissionschef. Außerdem müssten sich die Regierungen an die EU-Regeln für Staatshilfen halten.

Bemerkenswert ist an diesen Vorschlägen zweierlei: Erstens liegen sie beide auf der orthodoxen Linie von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Staatshilfen nur als "ultima ratio" gewähren möchte und immer noch an die heilende Macht der Märkte glaubt. In einer Zeit, in der sich die europäischen Banken untereinander kein Geld mehr leihen, sondern lieber bei der EZB parken, ist es allerdings reichlich naiv zu glauben, rund 200 Milliarden Euro - so viel dürfte die Rekapitlaisierung kosten - ließen sich mal so eben lockermachen.

Zweitens klammern Barroso und Juncker die entscheidenden Fragen aus: Soll es einen Zwang zur Rekapitalisierung geben - oder ist dies eine freiwillige Maßnahme? Wie hoch wäre denn die neue Kernkapitalrate? Und für welchen Krisenfall ist diese Rate gedacht? Für einen Zahlungsausfall in Griechenland, den die Eurozone offenbar systematisch vorbereitet - mit einem Schuldenschnitt von rund 60 Prozent? Oder denkt man auch an andere, noch größere Ereignisse, etwa eine Verschärfung der Krise in Italien oder Spanien? Was passiert bei einem Lehman Brothers 2.0?

Schon die beiden Stresstests krankten an dem Problem, dass sie viel zu harmlos ausgelegt waren und einen Staatsbankrott einfach ausgeklammert haben. Denselben Fehler scheint die EU nun zu wiederholen, denn offenbar hat man "nur" die Pleite in Griechenland einkalkuliert. Etwas vorsichtiger rechnet, glaubt man der britischen Financial Times, offenbar die europäische Bankenaufsicht EBA. Sie setzt eine Kernkapitalquote von satten 9 Prozent an, was einen Refinanzierungsbedarf von 275 Mrd. Euro impliziert. Damit wären die Banken wohl auch vor größeren Schocks sicher.

Doch die EBA hat die Rechnung ohne Merkel gemacht, die die deutschen Banken für sicher hält und hinter den Kulissen alle Hebel in Bewegung setzt, um allzu hohe Quoten zu verhindern. Merkel möchte auch verhindern, dass bei der Bankenstützung der Euro-Rettungsfonds EFSF zum Einsatz kommt, denn das - argwöhnt man in Berlin - könnte Länder wie Frankreich oder Italien dazu verführen, ihre eigenen Institute mit deutschem Steuergeld zu stützen. Kurz: Berlin versucht, die ganze Banken-Rettungsaktion so weit auszubremsen, wie nur irgend möglich.

Die Vorschläge von Barroso und Juncker sind denn auch nicht viel mehr als Diskussionsbeiträge, mit denen die Herren zeigen, dass sie auch noch was zu sagen haben. Die letzten Entscheidungen werden in Berlin getroffen, wo es verdammt schwer fällt, von der populistischen Forderung nach einer Beteiligung der Banken bei der "Rettung" Griechenlands auf die "Rettung" eben dieser Banken umzuschalten - und noch schwerer, den Zusammenhang zwischen beiden zu erklären. Dabei ist die Sache eigentlich ganz einfach: Weil man es in Griechenland verbockt hat, müssen nun die Banken gerettet werden, damit Hellas "geordnet" Pleite gehen kann...