Die Wahrheit über Krisen und ihren fehlenden Sinn

Während das Glück schweigt, labert die Krise

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"Gestatten, mein Name ist Krise. Haben Sie ein paar Jahre Zeit für mich?"

"Wozu denn?"

"Sie sollen lernen, nicht so gierig zu sein."

"Oh, dann sind Sie vielleicht die Finanzkrise?"

So oder so ähnlich stellt man sich im ethisch geschulten Umfeld Krisen vor. Guten Tag, ich bin der Zweite Weltkrieg – möchten Sie lernen, toleranter und friedliebender zu sein? Hallo, ich bin Ihr persönlicher Krebs und möchte Ihnen beibringen, besser mit Ihren Gefühlen umzugehen!

Nun glaube ich jeder Krise, dass sie ganz sie selbst ist. Was ich aber nicht glauben kann, ist ihre Behauptung, sie käme als Sozialpädagoge. Ich habe einen unwiderlegbaren Beweis dafür, dass die Krise und das von ihr mitgebrachte Leid sinnlos sind. Gute Sozialpädagogen arbeiten nämlich vorwiegend in der Verhütung von Krisen, in der Prävention. Das heißt: Sie kommen auch, wenn noch nichts passiert ist.

"Ich möchte Ihnen gratulieren, dass alles so gut geht. Das ist selten", würde das Glück sagen, wenn es an die Tür klopft. Aber das Glück kommt nicht. Es schweigt, während uns die Krise täglich volllabert.

Wenn also die Krise ein guter Sozialarbeiter wäre, würde sie mal hereinschauen, fragen wie es so geht, den Kindern einen Lutscher geben. Sozialpädagogen halten den Kontakt zu ihren Kunden auch dann, wenn diese gerade keine Probleme haben. Das lernen Sozialpädagogen im ersten Semester, denn wenn sie den Kontakt verlieren, kommen als nächstes Richter und Ärzte, Gerichtsvollzieher und Bestatter.

Da hilft es auch nichts mehr, dass die Krise das Leid noch als sinnvoll verkaufen möchte. Glück mag vielleicht öfters sinnvoll sein. Leid ist es nicht.