Britische Regierung will Jugendgewalt und neue Unruhen verhindern

Im Vordergrund der "neuen Strategie" stehen verschärfte Überwachung und Strafe und die Prävention vom Kleinkind an

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Die Briten, zumindest Teile der Gesellschaft, haben Angst. Vor allem vor der Jugend - und vor der Jugend der Unterschicht, die in der wenig durchlässigen Gesellschaft kaum Aufstiegschancen haben.

Seit der Finanzkrise und den Sparprogrammen, überkleistert vom Slogan der "Big Society", was heißt, dass der Staat sich noch weiter aus sozialen Programen oder der Bildung zurückzieht, ist das noch schlimmer. Der britische konservative Regierungschef sieht denn auch in der Privatisierung das Heil der Gesellschaft (Durch Privatisierung aus der Krise?), nur die Sicherungsaufgaben, also der Schutz des Eigentums und des Lebens, dürfen nicht aus der Hand des Staates gegeben werden. Da ist man da oben doch zu besorgt, alles dem freien Spiel überantworten zu wollen.

Die britische Innenministerin Theresa May mit Regierungschef David Cameron. Bild: ukhomeoffice/CC-Lizenz

Für die Unruhen im Sommer machte denn auch Cameron die wilden Kräfte in der Gesellschaft verantwortlich, die noch nicht zivilisiert sind und die man vor allem mit der Härte des Gesetzes und der Polizei unterwerfen muss, was auch zur Abschreckung dient (Die Zähmung der "wilden Unterschicht"). Die gesellschaftlichen Verhältnisse bleiben hingegen sakrosankt, Schuld am Versagen haben die Einzelnen, denen muss der Staat als Erzieher und Kontrolleur zur Seite stehen, so die Ansicht der britischen Konservativen. Schon Labour unter Blair hatte einen Jahre langen Kampf gegen die Disziplinlosigkeit der Jugend mit immer schärferen Bestrafungen und Kontrollmaßnahmen geführt. Dass dies offenbar der falsche Weg ist, hätten eigentlich die Unruhen zeigen können oder müssen. Dass dies in der Regierung keine Nachdenklichkeit aufkommen ließ, zeigt, dass der Umgang mit der Jugend und den Gangs nicht von Parteien abhängig ist, sondern ein Problem der Gesellschaft zu sein scheint, zumindest eines der herrschenden Schicht.

Die Innenministerin Theresa May macht dies mit einer "neuen Strategie" deutlich, die sie am Dienstag vorgestellt hat. Wieder einmal geht es um die Bekämpfung der Jugendgewalt und der Gangs. Und das will man nun an der Wurzel anpacken, während man kurz vor den Unruhen noch die Gelder für die Jugendarbeit kürzen wollte (An den falschen Stellen wird gespart). Und zwar nicht, indem man die Kinder und Jugendlichen wirklich fördert, sondern indem man - ganz im Gegensatz zur sonstigen Freiheitsideologie - die staatliche Überwachung und Kontrolle ausbaut.

Die Gewalt der Jugendlichen soll von der Polizei unter Kontrolle gebracht werden, so die Innenministerin, das müsse schnell und hart gehen. Man könne aber die Gang- und Jugendgewalt nicht allein mit Strafverfolgung lösen, deswegen müsse man früh einsetzen: "Wir müssen die Lebensgeschichten der jungen Menschen verändern, die tot oder verwundet in unseren Straßen enden oder in einem Kreislauf der Gewalt eingesperrt sind." Schon zuvor gab die Regierung aus, dass man das Leben von den 120.000 riskantesten Familien verändern müsse, um künftige Unruhen zu verhindern.

Prävention ist das Zauberwort. Man will gefährdete - oder verdächtige? - Kinder, die sich irgendwann Gangs anschließen oder in Gewalt verfallen könnten, möglichst von Geburt an beobachten. Dazu sollen mehr als 4000 Gesundfürsorger eingestellt werden und die Betreuung der Mütter verbessert werden. Zudem soll häusliche Gewalt besser aufgedeckt werden, weil betroffene Kinder später ebenfalls zur Gewalt greifen können. In der Schule müsse für strenge Disziplin gesorgt und die Schüler sollen für die Arbeitswelt inspiriert und vorbereitet werden.

Der fürsorgliche Staat in Gestalt von May macht aber auch gleich deutlich, dass diejenigen, die die staatliche Hilfe ablehnen, "mit der ganzen Macht der verstärkten Gesetze konfrontiert werden, um die Gemeinden vor Verbrechen und Unordnung zu schützen". Unordnung ist kein Verbrechen, aber ein Verhalten, das schon unter Blair mittels staatlicher Sanktionen und Gewalt korrigiert werden sollte. Dazu wurden 1998 die berühmt-berüchtigten ASBOs eingeführt und seither ständig ausgebaut. Anti-Social Behaviour Orders werden auch erlassen, wenn man öffentlich pinkelt, etwas wegwirft, spuckt oder bettelt.

Wer seinen "gewalttätigen Lebensstil" trotz Unterstützung oder einem Aussteigerprogramm nicht verändern will, soll dann härter bestraft werden. Durch Überwachung, Strafverfolgung und Festnahme auch für kleinste Delikte sollen die riskantesten Gang-Mitglieder identifiziert und geführt werden. So sollen Jugendliche ab 16 Jahren immer mit Arrest bestraft werden, wenn sie mit einem Messer jemanden bedroht haben, zudem sollen auch schon 14-17-Jährige mit Auflagen diszipliniert werden, beispielsweise ein Gebiet nicht zu betreten, in der Öffentlichkeit keine gefährlichen Hunde bei sich zu haben und von ihnen zu verlangen, "positive Aktivitäten" zu unternehmen. Zudem soll ihnen verboten werden können, bestimmten andere Jugendlichen oder Erwachsene zu treffen. In einem Bericht des Innenministeriums wird auch erwogen, Ausgangssperren zu verhängen und Hoodies zu verbieten. Die Polizei soll die 30 gefährlichsten Städte und Stadtteile identifizieren