Der Parasit, der das Verhalten seines Wirts verändert

Britische Wissenschaftler wollen nachgewiesen haben, dass Toxoplasma gondii, der weltweit auch in den Gehirnen von Menschen verbreitet ist, das Verhalten durch die Beeinflussung der Dopamin-Konzentration im Gehirn steuert

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Schon lange gibt es die Vermutung, dass der Gehirnparasit Toxoplasma gondii, ein Einzeller, nicht nur das Verhalten von Mäusen und Ratten verändert, sondern auch das von Menschen beeinflussen könnte. Jetzt wollen britische Wissenschaftler erstmals dafür den Beweis erbracht haben, wie diese Verhaltensveränderungen durch den Einzeller bewirkt werden.

Zyste von Toxoplasma gondii in einer Nervenzelle, gefüllt mit Hunderten von Bradyzoiten. Bild: PLoS One

Endwirt des Parasiten sind eigentlich Katzen, in deren Darm er sich sexuell vermehren kann. Asexuell kann er sich aber auch in anderen Wirten wie Vögeln und allen Säugetieren vermehren, die oral Oozysten im Katzenkot aufnehmen. Wie bei Katzen kann er sich im Gehirn oder in Muskeln durch Teilung reproduzieren und in Zysten teils über Jahre überdauern. Im mit Katzenkot kontaminierten Boden können diese viele Monate überleben und so durch Berührung und orale Aufnahme Wirte infizieren. Auch durch rohes oder nicht ausreichend gekochtes Fleisch können Zysten neue Wirte wie den Menschen infizieren, wo sie allerdings nur selten gefährlich und meist nach der Infektion vom Immunsystem ohne auffällige körperliche Symptome gebändigt werden. Aber womöglich führt der Parasit zu Verhaltensveränderungen, die auch Kulturen prägen können.

Interesse hat der Parasit vor allem deswegen ausgelöst, weil er das Verhalten von Zwischenwirten wie eben Mäusen oder Ratten so verändert, dass diese weniger ängstlich werden oder gar von Katzengeruch angezogen werden, allerdings nicht von den Gerüchen anderer Fressfeinde. Daraus wurde abgeleitet, dass der Parasit seine Zwischenwirte so verändert, dass sie eher zur Beute von Katzen, seinem Endwirt, werden, wo er sich sexuell reproduzieren kann. Vermutet wird, dass der Parasit im Gehirn auf Neurotransmitter wirkt. So wird durch Psychopharmaka wie Haloperidol das durch den Parasiten induzierte Verhalten wieder rückgängig gemacht (Neurotisch durch Parasiten?).

In manchen Ländern ist die Mehrzahl der Menschen Zwischenwirt dieses Parasiten. Weltweit soll die Hälfte der Menschheit von diesem Parasiten infiziert sein, der in drei Genvarianten vorkommt. Bei 90 Prozent der Menschen fällt die Infektion nicht auf. Selten kommt es zu einer grippeähnlichen Lymphknotentoxoplasmose oder auch zu einer Enzephalitis. Gefährlich ist er hingegen für schwangere Frauen und immunsupprimierte Personen. In Deutschland geht man von einer Durchseuchung von 50 Prozent aus, in älteren Menschen sind die Parasiten bis zu 70 Prozent verbreitet. In Großbritannien liegt eine Durchseuchung von 10-20 Prozent der Bevölkerung vor. Offenbar kapert der Parasit nach der Aufnahme in den Körper die dentritischen Zellen des Immunsystems, die hyperaktiv werden, den ganzen Körper durchwandern und die Parasiten über den ganzen Körper einschließlich des Gehirns verbreiten.

Die Wissenschaftler von der University of Leeds haben herausgefunden, dass Toxoplasma gondii in seinem Genom während der Entwicklung von Zysten Tyrosinhydroxylase codiert, das in Gehirnen von Menschen und anderen Säugetieren den Dopamin-Metabolismus beeinflusst. In der neuen Studie, die in der Open-Access-Zeitschrift PLoS One erschienen ist, haben die Wissenschaftler bestätigen können, dass eine Infektion von Gehirnzellen die Dopamin-Konzentration anstößt und deutlich größere Mengen des vielfältig wirkenden Neurotransmitters ausschütten, der die Belohnungs- und Lustzentren und emotionale Reaktionen reguliert. Dopamin spielt auch bei vielen psychischen Störungen wie Schizophrenie, Parkinson oder der Aufmerksamkeitsstörung ADHS eine Rolle.

Beobachtet wurde die Dopamin-Produktion in vivo in den Gehirnen von Mäusen und in infizierten Nervenzellen in vitro. Danach ist die Dopamin-Konzentration in den Gehirnen von infizierten Mäusen um 14 Prozent höher als bei normalen. Veränderungen bei anderen Neurotransmittern konnten nicht festgestellt werden, die Wissenschaftler weisen aber darauf hin, dass durch die Immunreaktion auf die Infektion durch den Parasiten auch andere Neurotransmitter wie Serotonin oder Glutamat beinflusst werden könnten. Gefunden wurden erhöhte Dopaminwerte in den in infizierten Nervenzellen befindlichen Zysten, die Hunderte von Bradyzoiten des Erregers enthalten. Mit am stärksten infiziert waren die Zellen des Limbischen Systems, das für Belohnung, Lust, Motivation, Kognition und die emotionale Bewertung von Informationen, also etwa auch für Angst, eine wichtige Rolle spielt.

Um zu sehen, ob die infizierten Zellen auch mehr Dopamin ausschütten, wurden in vitro infizierte Nervenzellen beobachtet. Die Dopaminausschüttung erhöhte sich hier mit der Infektionsrate. Gegenüber ähnlich gezüchteten, aber nicht infizierten Zellen waren die Dopaminwerte um das Dreifache erhöht. Damit habe man das erste Mal nachgewiesen, dass ein Parasit über die Beeinflussung der Dopamin-Konzentration das Verhalten eines Wirts steuern kann.

Zum Schluss ihrer Studie ziehen die Autoren weitreichende Schlussfolgerungen. So könnten in Menschen die chronischen Infektionen durch Toxoplasma gondii etwa eine der Ursachen für Schizophrenie sein, vermuten sie, weil dort eine Fehlsteuerung von Dopamin eine wesentliche Rolle zu spielen scheint. Haloperidol könne sowohl die Symptome der Schizophrenie und diejenigen, die durch die Infektion des Parasiten bei Nagetieren ausgelöst werden, stoppen. Möglicherweise ist mit dem Parasiten auch eine Reihe anderer neurologischer, mit dem Dopamin-Metabolismus zusammenhängender Erkrankungen verbunden. Da die Parasiten irgendwo im Gehirn des Menschen landen können, hängt dessen Wirkung wohl auch davon ab, welche Areale von ihm infiziert werden.