Offenes Lehrmaterial

Sind Schulbuchverlage noch zeitgemäß?

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Der letzte Woche öffentlich gewordene Schultrojaner-Vertrag stieß ungewollt auch eine Debatte an, wozu sich der Steuerzahler im Digitalzeitalter überhaupt Schulbuchverlage leistet, wenn ein Austausch der von Lehrern erstellten Arbeitsmaterialien eine nicht nur praktisch kostenlose, sondern auch sehr viel schneller aktualisierbare und praktischere Lösung wäre.

Ein Grund dafür liegt sicherlich in der engen Vernetzung des von vier Unternehmen beherrschten Schulbuchverlagsoligopols mit der Politik und der Ministerialbürokratie. Ein anderer ist, dass es zwar massenhaft von Lehrern selbst erstelltes Unterrichtsmaterial gibt, aber keine zentrale Stelle wie Sourceforge, Wikipedia oder Flickr, in der es geordnet und mit Creative-Commons-Lizenzen versehen zugänglich ist. Allerdings entstand mit der Affäre auch ein verstärktes Interesse für das Wikibooks-Projekt Offene Schulbücher auf dem viele angefangene Werke liegen. Komplett fertiggestellt scheinen dort lediglich ein Lehrbuch zur anorganischen und eines zur organischen Chemie.

Einen anderen Ansatz verfolgt der Lehrer Torsten Larbig, der nach eigenen Angaben kein "Fan von Zentralisierungsorganen in einem Netz [ist], das von seiner Weite und Dezentralität lebt". Er will deshalb kein neues Portal aufbauen, sondern eine Kennzeichnung anbieten mit der Websites, die freie Bildungsinhalte anbieten, sich kennzeichnen sollen. Via Twitter sucht er gerade einen Designer, die ein Logo für sein Projekt entwirft und will demnächst in seinem Blog "kurzfristig umsetzbare erste Schritte" dazu zur Diskussion stellen. Am 12. November treffen sich Larbig und andere vernetzt arbeitende Lehrer außerdem mit den Betreibern der Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet und beraten, ob und wie man diese Plattform "stärken und ausbauen" könnte.

Den Aufbau einer "Infrastruktur für freie Lehrmittel" befürwortet auch die Piratenpartei die unter anderem in Bayern und Baden Württemberg entsprechende Beschlüsse zu diesem landespolitischen Thema fasste. Sie sieht durchaus Raum für kommerzielle Anbieter von Schulbüchern, fordert aber, dass diese nur dann gekauft werden sollen, wenn sie unter Creative-Commons-Lizenzen stehen, wie das auch die Kapstädter Erklärung für offene Unterrichtsmedien vorsieht. Damit wären Lehrer und Schüler vor "rechtlichem Glatteis" geschützt, wenn sie kreativ mit ihnen umgehen und das Material an ihre Bedürfnisse anpassen.

In der von jüngeren Mitgliedern geprägten Partei teilt man die Erfahrung, dass ein Großteil der Unterrichtsmaterialien schon heute von Lehrern erstellt wird, die auf die von der Schule gekauften Bücher häufig verzichten. Sie werden zwar zum Anfang des Schuljahres ausgeteilt und zum Ende wieder eingesammelt, aber der Unterricht findet weitgehend oder sogar ganz ohne sie statt. Durch eine bessere Vernetzung der Lehrer könnten solche Individualvorlagen ausgetauscht, diskutiert und verbessert werden. Das, so Christian Hufgard von der hessischen Piratenpartei, würde nicht nur zu erheblichen Steuergeldeinsparungen führen, sondern auch die Kompetenzen der Lehrer fördern und ihre Rolle stärken.

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