China rüstet für den Cyberwar auf

Bei Drohnen und den Cyberwaffen hat der Rüstungswettlauf begonnen, China fordert, auf UN-Ebene "Verkehrsregeln" für den virtuellen Raum zu etablieren, um die friedliche Entwicklung zu sichern

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Die Chinesen werden gerne beschuldigt, wenn es um Angriffe auf Server von Regierungen, Behörden, Militärs oder Rüstungsfirmen und um Datenklau geht. Die Sorgen plagt allerdings auch die Volksarmee, die aber meldet, mit der Netzwerksicherheit eigentlich keine Probleme zu haben. Das für die Netzwerke zuständige Institut hat die Geheimhaltungsanforderungen im Sicherheitsbereich überprüft und einige Fehler gefunden, melden staatliche Medien. Zudem seien 60 Konstruktions- und Ingenieurprogramme während des 11. Fünf-Jahres-Plans überprüft worden, es habe keinen Vorfall gegeben, dass vertrauliche Informationen weiter gegeben oder durch Nachlässigkeit verbreitet worden seien. WikiLeaks, so wohl auch die Devise, hätte hier keine Chance.

Verteidigung der Netzwerke und Verhinderung vor Einbrüchen heiße nicht mehr wie früher, einfach die Computer vom Netz zu nehmen. Man setze auf frühzeitige Prävention, umfassende Kontrollen, dynamische Beobachtung, gute Ausbildung des Personals und "elektromagnetische Signalverlässlichkeit". Sicherheit ist auch deswegen angesagt, weil das chinesische Militär nun erstmals- und angeblich unabhängig - ein alle Dienste und Abteilungen umfassendes und integrierendes Informationssystem entwickelthabe. Gesprochen wird von einem "qualitativen Sprung" und einem wichtigen Durchbruch für das Kommando verbundener Operationen. Ein Reporter preist das System, das er kürzlich im Einsatz gesehen habe: "Wenn der Kommandeur mit der Maus auf einem Kommandoposten der Feldarmee klickt, werden enorme Informationsmengen wie ein Wasserfall fließen und die Befehle werden schnell und präzise in alle Richtungen übermittelt. Ein riesiges Netzwerk wird sofort auf dem Land, im Himmel und auf dem Meer verbunden. Die auf dem Informationssystem basierenden systemischen Kampfkapazitäten wurden sehr verbessert."

Auch um Stärke und Fortschritt in der Militärtechnologie zu demonstrieren, wurden im September bereits auf einer Waffenmesse neben der mit zwei Raketen bewaffneten Stealth-Drohne WJ-600, die mit einer Geschwindigkeit von 900 km/h fliegen soll, erstmals ein unbemannter Hubschrauber namens Z-5 ausgestellt, der aber offenbar nicht mit Waffen ausgestattet ist. Schon lange versucht die Volksarmee in der Entwicklung von Drohnen die westlichen Länder und Israel einzuholen. 1994 wurde von Israel eine unbekannte Anzahl der Kamaikaze-Drohne Harpy gekauft, die eine Zeit lang über einem Gebiet fliegen und dann auf ein Ziel gestürzt werden kann. Auch bei anderen UCAVs wurden ausländische Modelle als Vorbild genommen, beispielsweise der Predator für die Yi-long-Drohne.

In einem Bericht auf People's Daily heißt es, dass es bei der Entwicklung von Drohnen zu einem neuen weltweiten Rüstungswettlauf gekommen sei. Führend seien im Augenblick die USA und Israel. Die Vorteile von Drohnen seien, dass sie billiger und leichter als bemannte Flugzeuge sind, die Piloten nur kurz ausgebildet werden müssen, das eigene Personal nicht gefährdet wird, sie leicht bedient und über eine Entfernung von tausenden Kilometern auch über gefährlichem Gebiet gesteuert werden können. Drohnen bieten allerdings den Militärs nicht nur neue Angriffs- und Überwachungsmöglichkeiten, sie müssen auch geschützt werden, wie das Beispiel USA zeigt. Im Irak konnten Aufständische Videos herunterladen, vor kurzem wurde im Steuerungssystem der Drohnen ein Computervirus gefunden.

Cyberangriffe aus China?

Aber natürlich geht es der Volksbefreiungsarmee nicht nur um die Verteidigung der Netzwerke, sondern auch um die Entwicklung von Angriffsmöglichkeiten im Cyberspace. Daher hört man hier ähnliche Äußerungen wie aus den USA (Das Wettrüsten im Cyberspace beginnt). So sagte Leutnant Si Guangya von der National Defense University, dass der Cyberspace eine wichtigere Festung als der Ozean sei und dass man die Führung im Krieg übernehmen könne, "wenn man den Cyberspace kontrolliert, der sich über die ganze Welt erstreckt". Ein Reporter der japanischen Zeitung Ashai Shimbun durfte kürzlich eine Schule, die The Lanxiang-Berufsschule in Jinan, besuchen, in der Soldaten unter anderem in der Arbeit an Computern ausgebildet werden. Die Lanxiang-Schule gehört allerdings nicht der Volksarmee, auch wenn dort Soldaten ausgebildet werden, sie ist aber die einzige private Ausbildungsschule für Techniker der Armee.

Die Schule wurde 2010 bekannt, als der Vorwurf erhoben wurde, dass von ihr aus amerikanische Unternehmen wie Google und Menschenrechtsaktivisten angegriffen worden seien. In Verdacht stand eine Klasse, die angeblich von einem ukrainischen Lehrer geführt wurde. Wird dort womöglich auch in der Realität geübt? Die Berufsschule wies alle Anschuldigungen zurück. Xinhua berichtete, in China habe man sich darüber lustig gemacht, dass eine Berufsschule, an der man elementare Computerkenntnisse, aber auch Kochen und andere handwerkliche Fähigkeiten lehre, solche Angriffe überhaupt ausführen könne. In die Abteilung, in der die Computerausbildung stattfindet, durfte der japanische Reporter nach seinen Angaben nicht. Dort werde angeblich hohe Geheimhaltung gepflegt.

Zwar streitet man in China im Gegensatz zum Pentagon immer wieder ab, dass man sich auch auf Angriffe im Cyberspace vorbereite, allerdings hatte eine Sendung im chinesischen Staatsfernsehen im Sommer den Eindruck entstehen lassen oder eher damit geworben, dass das Militär durchaus Angriffe durchführen kann. Vorgestellt wurde ein Angriffssystem, das die Informations- und Ingenieursuniversität der Volksarmee entwickelt hat. Danach könne das System eine große Zahl an Emails mit Computerviren aussenden, die Websites wie die der Falun Gong ausschalten.

Ab Juli fanden Angriffe auf Computer in Japan, beispielsweise auf solche des Parlaments, statt. Vermutet wurde wieder, dass China hinter den Angriffen stecke, da sie angeblich auf einen Server in China zurückverfolgt werden konnten. Eingeschmuggelt worden sei ein Trojaner, der Passwörter und andere Daten nach China senden sollte. Schuld soll ein Politiker gewesen sei, der einen Anhang einer Email geöffnet und damit den Trojaner auf seinem Computer installiert hatte. Auch der Rüstungskonzern Mitsubishi Heavy sei zum Ziel solcher Angriffe geworden. Allerdings musste auch eingeräumt werden, dass selbst dann, wenn die Emails auf einen Server in China zurückverfolgt werden können, dies noch lange nicht heißt, dass Chinesen oder gar die chinesische Regierung diese versendet haben. Vor kurzem wurde berichtet, dass die Angriffe auf die Politiker und das Parlament aus 7 Emails bestanden, die auf Computern gefunden wurden. Die chinesische Regierung wies die Beschuldigungen wiederum als unverantwortlich und grundlos zurück.

Nach Asahi kommen 90 Prozent der Emails mit Schadprogrammen, die zu japanischen Personen, Behörden und Unternehmen gelangen, aus China, bislang aber habe man nicht nachweisen können, dass das chinesische Militär irgendetwas damit zu tun hat. Indessen heißt es aus China, man sei selbst das größte Opfer von Hackerangriffen und Internetkriminalität. Eine Million IP-Adressen in China seien 2009 vom Ausland gesteuert, mehr als 40.000 Websites gehackt und 18 Millionen Computer alleine mit dem Conficker-Virus infiziert worden. In den letzten 5 Jahren sei die Zahl der zirkulierenden Viren um 80 Prozent jährlich angestiegen, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit schätzt, dass 80 Prozent der mit dem Internet verbundenen Computer infiziert seien. Daher hatte man beschlossen, so das Oberste Gericht und die chinesische Generalstaatsanwaltschaft, gegen Internetkriminelle ab September schärfer vorzugehen und sie härter zu bestrafen. Wer Hackingtools oder illegal erworbene Daten anbietet oder erwirbt, werde bestraft.

Chinesisches Cyberkommando und Cyber-Eliteeinheit

Die Volksarmee hat 2010 jedenfalls, kurz nach Gründung des US-Cyberkommandos (Das Recht, bei einem Angriff im Cyberspace wild zurückzuschießen), ebenfalls ein solches gegründet und dies bekannt werden lassen. Betont wurde, dass es dabei nicht um ein Hackerteam gehe, sondern um die Ausbildung Cyber-Verteidigung. Neben den Boden-, Luft- und Wassergrenzen müssten eben auch die Grenzen im virtuellen Raum geschützt und verteidigt werden. Im Mai wurde verkündet, man habe eine Cyber-Eliteeinheit aus 30 Mann gebildet und eine Ausbildungsplattform erstellt, da China in Bezug auf Cybersicherheit noch sehr schwach und oft Opfer von Angriffen sei. Im Oktober wurde schließlich die erste große Cyberwar-Übung durchgeführt.

Viel Neues kann der japanische Reporter nicht berichten, dafür warnt er: "China hat 500 Millionen Internetnutzer, mehr als alle anderen Länder, darunter sind viele Hacker." Natürlich rüsten alle Staaten, die es können, auch für einen offensiven Krieg im Cyberspace auf. Dazu gehören auch Meldungen, die demonstrieren, dass man angeblich gerüstet ist. Noch gibt es für den virtuellen Raum keine internationalen Abkommen, was den Cyberwar oder Cyberkriminalität betrifft. China drängt darauf, auch weil man sich noch unterlegen fühlt, verbindliche Regeln auf der Ebene der Vereinten Nationen durchzusetzen, um den Cyberspace sicher zu machen und friedlich zu lassen. Dabei müsse die Souveränität der Staaten anerkannt und ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit gefunden werden. Es gehe aber nicht an, so heißt es in Richtung USA und die westlichen Staaten, "Machtpolitik im Cyberspace im Namen der Cyberfreiheit" zu machen. Es sei eine Kooperation aller Staaten vonnöten.

China würde dazu auch gerne "Verkehrsregeln" für die "Datenautobahn" auf der Ebene der Vereinten Nationen sehen. Es sei beunruhigend, dass im virtuellen Raum, wo ein sehr starker Verkehr herrsche, keine umfassenden Verkehrsregeln vorhanden seien. Deshalb komme es permanent und immer öfter zu "Verkehrsunfällen", sagte der chinesische UN-Gesandte, weswegen "internationale Normen und Regeln" dringend eingeführt werden müssten. Zusammen mit Russland, Usbekistan und Tadschikistan hatte China bei der UN-Generalversammlung im September einen solchen International Code of Conduct for Information Security eingereicht (Eine partizipatorische Internetpolitik entwickelt ein neues Politikmodell). Hintergrund ist dabei nicht nur der Weltfrieden, sondern auch, die eigenen Gesetze, was Demokratie, Meinungs- oder Pressefreiheit angelangt, zu schützen und nicht weiter im Rüstungswettlauf zurückzufallen, obgleich China da langfristig wohl keine Angst haben müsste.

US-General Keith Alexander, Chef des Geheimdienstes NSA und Kommandeur des Cyberkommandos, ist davon gar nicht begeistert. Er sei gegen eine Regulierung des Cyberspace, auch davon, dass dies auf der Ebene der Vereinten Nationen geschehen solle, hält er nichts.

Offenbar hat die Volksarmee ebenfalls wie alle anderen Armeen Probleme, für das Hightech-Militär die richtigen Rekruten zu finden. Daher wurden gerade die Anforderungen gesenkt. Jetzt dürfen Rekruten auch bis zu 2 cm große Tätowierungen im Gesicht und Nacken und gepiercte Ohren haben, zudem dürfen sie 25 Prozent über- und 15 Prozent untergewichtig sein. Plattfüße, Achselschweiß oder Probleme beim Körperstrecken sind aber weiterhin verpönt für eine militärische Karriere. Die jungen Menschen hätten Tätowierungen und seien übergewichtig, heißt es vom Militär, da müsse man sich anpassen. Man will vor allem auch gut ausgebildete Menschen gewinnen. Die Universitäten in Peking lehnen schon mal Studienbewerber ab, wenn sie nicht ein Zertifikat für den Militärdienst vorlegen. Wer freiwillig dient, erhält mehr Geld, Studenten, die nach dem Militärdienst zurück an die Uni wollen, erhalten ein Stipendium.