Deutsche Rohstoffagentur untersucht die Potenziale für Schiefergas in Deutschland

Die bislang vermuteten Vorkommen würden für etwa zwei bis drei Jahre ausreichen

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Der Hunger nach Energie der vergangenen Jahre macht es möglich. Gasfelder, deren Abbau sich bislang nicht gelohnt haben, geraten immer häufiger auf den Radarschirm der Energiewirtschaft. In den USA boomt die Förderung von Erdgas aus Schiefergestein bereits seit einigen Jahren. Für Deutschland werden seit Beginn dieses Jahres die Potenziale begutachtet. Experten gehen davon aus, dass hierzulande etwa 230 Milliarden m3 Schiefergas vorhanden sein könnten.

Erdgas aus Schiefergestein wird für die Energieindustrie zunehmend ein interessanter zusätzlicher Energieträger. Nachdem sich die USA in den vergangenen Jahren durch den Abbau eigener Schiefergasvorkommen von Gaslieferungen aus anderen Staaten unabhängig machen konnten, wollen nun auch andere diesem Beispiel folgen. Die Deutsche Rohstoffagentur bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover (Neue Rohstoffpolitik rückt Regierung und Industrie noch enger zusammen) untersucht derzeit die Potenziale für die Förderung von Schiefergas in Deutschland. Bereits seit Februar 2011 läuft das Projekt NIKO (Kürzel für Nichtkonventionelle Kohlenwasserstoffe).

Eines der großen Probleme für die Gasförderer hierzulande ist derzeit jedoch noch, dass es bislang "keine akzeptierte Methodik der Quantifizierung von Schiefergaspotenzialen gibt", erklärt Dr. Ulrich Berner, stellvertretender Projektleiter für NIKO. Die Schätzung der deutschen Potenziale beruhten daher in erster Linie immer noch auf "großmaßstäblichen Annahmen und Vereinfachungen der geologischen Gegebenheiten". Im besten Fall könne dies nur einen "Eindruck von der Größenordnung vermitteln". Die Annahme von 230 Milliarden m³ stamme dabei von der US Energy Information Administration (EIA). Das Projekt NIKO soll nun eine fundierte Abschätzung der deutschen Schiefergas-Potenziale bringen und damit die Förderung von Erdgas aus Schiefer- oder Tongestein vorantreiben.

Die Förderung von Schiefergas ist in Europa nicht unumstritten. Bereits Probebohrungen sorgen in Deutschland für Aufregung und führen zu großen Widerständen in der Bevölkerung. In Frankreich haben sich die Konzerne Total und Schuepach kürzlich noch eine Schlappe eingehandelt und eine Absage für den Abbau von Schiefergas erhalten. Doch auch in den USA wird der Widerstand gegen den Abbau von Schiefergas immer stärker.

Hysterie und Panikmache bei den Gegnern?

Anfang September dieses Jahres haben in Philadelphia mehrere Hundert Umweltschützer gegen die Industriekonferenz "Shale Gas Insight" protestiert. Die Konferenz wurde abgehalten von der Marcellus Shale Coalition (MSC), die sich als Hauptpromoter für die Förderung unkonventioneller Erdgasvorkommen ansieht. Einer der Redner auf der Konferenz, der ehemalige Gouverneur von Philadelphia, Tom Ridge (Republikaner) warf dabei den Demonstranten Hysterie und Panikmache vor.

Für die Umweltschützer dagegen ist die Förderung von Schiefergas schlichtweg eine Katastrophe. "Die Gasindustrie verseuche die Wasserversorgung, die Luft und die Häuser von Menschen, überall wo sie hinkommt", so Josh Fox, Autor und Regisseur des Films Gasland. Für die Umweltschützer sind die Gefahren, die sich aus einer Förderung von Schiefergas ergeben deutlich schwerwiegender als der Nutzen für die Wirtschaft durch günstige Energie.

Das große Problem bei der Förderung von Schiefergas ist in erster Linie die Technik des Frackings. Da das Gas nicht in einer großen Blase vorhanden ist, sondern sich vielmehr in den Ritzen des Gesteins verteilt, muss das sogenannte Muttergestein zunächst einmal aufgesprengt werden. Dazu wird Wasser mit hohem Druck in die Lagerstätte gepresst, um so "Wegsamkeiten zu schaffen". Berner sagt: "Fracks, die nur Wasser verwenden sind unproblematisch."

Verwendung von Additiven und das Ausströmen von Methan

In Deutschland jedoch wird das Erdgas in erster Linie in Tongestein vermutet. Bei Tongestein jedoch muss zusätzlich noch ein sogenanntes Stützmittel in die Bohrung verpresst werden. Der Anteil dieser Additive richte sich, so Berner, "an den gesetzlichen Vorschriften aus". Für Umweltschützer sind es jedoch insbesondere diese Additive, die ein Problem darstellen. Zwischen 15 und 80 Prozent der in ein Bohrloch verpressten Flüssigkeit komme an anderer Stelle wieder zu Tage, so das Argument der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Der Rest der Additive verschwinde irgendwo im Erdboden und werde dort zu einer latenten Gefahr für das Trinkwasser.

Darüber hinaus könnte durch Schiefergas noch ein weiteres Problem entstehen. Im Gegensatz zu anderen fossilen Brennstoffen gilt Erdgas immer noch als deutlich weniger klimaschädlich. In einer Studie der Cornwall Universität warnen die Autoren davor, dass dieser Vorteil durch die Abbautechnik verloren gehen könne. Verantwortlich dafür sei das Ausströmen von Methan aus den Bohrlöchern oder aus aufgerissenem Gestein. Durch die Spülung des Bohrloches könne Methan in die Spülflüssigkeit und damit an die Oberfläche gelangen. Die bessere Klimabilanz bei Erdgas könnte sich auf diese Weise schnell in Luft auflösen.

Für die Forscher des BGR stellt sich die Frage nach der Umweltverträglichkeit von Schiefergas derzeit noch nicht. Denn erst 2015 soll in einem endgültigen Bericht der Öffentlichkeit vorgestellt werden, wie es um die deutschen Potenziale bestellt ist. Die bislang vermuteten Vorkommen würden für etwa zwei bis drei Jahre ausreichen.