Keine neuen Autobahnen und Bundesstraßen

Statt angesichts steigender Schulden und schrumpfender Bevölkerung weiter neue Straßen zu bauen, verlangt eine Petition ein Moratorium und den Unterhalt des bestehenden Straßennetzes

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Seit dem 8. 11. 2011 ist vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags die Petition für ein sofortiges Straßenbau-Moratorium freigegeben worden. Angesichts der Finanzlage, aufgrund derer schon das vorhandene Straßennetz nicht unterhalten werden kann und Forderungen nach einer PKW-Maut laut werden, wird gefordert, alle Straßenprojekte des Bundes "kritisch und ergebnisoffen auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen". Hinter der Petition steht eine Bürgerinitiative für ein Straßenmoratorium, die von UMKEHR (Informations- und Beratungsbüro für Verkehr und Umwelt), dem Verkehrsclub Deutschland (VCD), FUSS (Fachverband Fußverkehr Deutschland), den Grünen in Sachsen und anderen Organisationen und Initiativen unterstützt wird.

Wie man in Berlin vor der Wahl sehen konnte, ist der Ausstieg aus einem Straßenbauprojekt wie der geplanten Verlängerung der Stadtautobahn damit verbunden, dass das vom Bundesbauministerium bereit gestellte Geld der Kommune oder der Region entzogen wird und nicht in alternative Verkehrsprojekte fließen kann. Daher wird dann, weil ein angeblicher Zwang besteht, meist fleißig weiter gebaut, auch wenn die Notwendigkeit umstritten bleibt. Aus diesem Grund fordert die Petition, dass bei einem Moratorium die frei werdenden Mittel in den Unterhalt der bestehenden Straßen umgeschichtet werden müssen. Zudem müssten Vorschläge zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene erarbeitet werden.

Die Bürgerinitiative vermeidet die Falle der Autofeindlichkeit und argumentiert mit dem Erhalt der bestehenden Infrastruktur. Bild: Bürgerinitiative für ein Straßenmoratorium

Die Initiative geht von Sachsen aus, weil dort der Widerstand gegen den Bau einer neuen vierspurigen Trasse zwischen Zittau und der A4 wächst. Die alte Trasse der Bundesstraße soll erhalten bleiben, die Unterhaltung müssten Landkreis und Kommunen tragen, die Unterhaltungslast für die neue, 50 km lange Straße liegt angeblich bei 10.000 Euro pro km jährlich. Ein dringender Bedarf für den Neubau ist nicht zu erkennen. UMKEHR weist darauf hin, dass nach den demografischen Prognosen die Bevölkerung schon jetzt deutlich sinkt. So soll die Bevölkerung zwischen 2005 und 2020 um 18 Prozent, die Zahl der Erwerbspersonen gar um 35 Prozent zurückgehen.

Dennoch prognostizieren die Planer zur Planrechtfertigung einen Anstieg der Verkehrsbelastung innerhalb von nur 15 Jahren im beklagten Abschnitt von täglich 9.500 Fahrzeugen (gezählt 2005) auf etwa 20.300 (Prognose für 2020). Das entspräche einer Zunahme um (+)114 %, bei nur noch 65 % der Erwerbspersonen, was einem Anstieg der Verkehrsbelastung pro Kopf der Erwerbspersonen um das 3,3 fache bzw. auf 330 % entspräche. Eine völlig unrealistische Annahme.

Während angesichts der Staatsverschuldung von 2 Billionen Euro tatsächlich langfristig das Geld für die erforderliche Sanierung der vorhandenen Straßeninfrastruktur, die in den westlichen Bundesländern weitaus notwendiger und dringender ist als in den östlichen, nicht vorhanden sein wird, schrumpft bekanntlich nicht nur in Sachsen, sondern bundesweit die Bevölkerung. Schön wird in der Petition vorgerechnet, dass schon damit und ohne jeden Neubau die Netzdichte pro Kopf in den nächsten Jahren deutlich ansteigen wird. Und weil zudem die Zahl der Erwerbstätigen sinkt, steigen auch die Unterhaltungskosten pro Kopf deutlich an. Dazu kommt, dass vermutlich mit den steigenden Ölpreisen und dem von der Initiative angeführten "Bedeutungsverlust" der Autos bei den jungen Menschen der Bedarf für den Individualverkehr weiter zurückgehen könnte. Mit jedem Kilometer einer neuen Autobahn oder Bundesstraße fallen eben nicht nur die einmaligen Baukosten an, die meist teurer werden, als ursprünglich geplant, sondern klettern die dauerhaft anfallenden Unterhaltungskosten für das Straßennetz weiter in die Höhe. Dass die "Unterhaltungslast der Straßen die öffentlichen Haushalte ersticken" wird, mag zwar übertrieben sein, aber dass Bund, Länder und Kommunen jetzt schon überfordert sind, ist vielfach nicht zu übersehen. Trotzdem sollen nach dem Bundesverkehrswegeplan weitere 1.900 km Autobahnen gebaut, 2.200 km Autobahnen erweitert und 5.500 km Bundesstraßen neu- oder ausgebaut werden.

Im Ministerium geht man davon aus, dass zwischen 2005 und 2025 der motorisierte Verkehr um 7,1 % zunehmen wird: "Die Verkehrsleistung erhöht sich aufgrund des überproportional wachsenden Fernverkehrs und steigender Fahrtweiten deutlich stärker, nämlich insgesamt von 1.161 Mrd. Pkm in 2004 auf 1.368 Mrd. oder um 17,9 %. Bei Betrachtung allein des motorisierten Verkehrs liegt der Zuwachs bei 19,4 %, was jeweils einem durchschnittlich jährlichen Wachstum von 0,8 % per annum im Prognosezeitraum entspricht." Dagegen wird erwartet, dass der Fahrrad- und der Fußwegverkehr eher zurückgeht.

Unterzeichnet haben die Petition allerdings nur erst knapp mehr als 1.200 Menschen. Sie läuft noch bis zum 20. Dezember. Auch wenn sie direkt nichts bewirken wird, könnte sie doch auch dazu dienen, mal ein wenig Nachdenklichkeit aufkommen zu lassen.