Energiewende ausbremsen?

Die Energie- und Klimawochenschau: Wirtschaftsminister bläst zum Sturm auf die Energiewende, während Klimawissenschaftler vor mehr Extremwetter warnen

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Philip Rösler mag keinen Solarstrom, und mit Energieeffizienz hat er auch so seine Probleme. Derzeit sperrt er sich gegen die Vorgaben aus einer EU-Richtlinie, wonach der Energieverbrauch aller Sektoren außer des Verkehrs jährlich um 1,5 Prozent gesenkt werden soll.

Das Motiv scheint klar. Der Wirtschaftsminister ist ein großer Freund der Exportindustrie. Mitte des Monats hatte er auf dem FDP-Parteitag getönt, er werde sich niemals für deutsche Exportüberschüsse entschuldigen, und beim "Führungstreffen Wirtschaft" der "Süddeutschen Zeitung" äußerte er letzte Woche in Berlin Unverständnis über seine EU-Kollegen, die seine Begeisterung für die deutschen Handelsbilanzüberschüsse nicht teilen mögen.

Ist ja auch wirklich nicht zu begreifen, weshalb die anderen Ländern nicht so darauf stehen, von Produkten aus dem Billiglohnland Deutschland überschwemmt zu werden. Aber wer eine derart aggressive Wirtschaftspolitik verfolgt, der darf sich natürlich auch umwelt- und energiepolitisch keine Fesseln anlegen lassen. Denn dann könnten die deutschen Exporte ja nicht weiter ungehemmt wachsen (und andere Volkswirtschaften aus dem Gleichgewicht bringen).

Schlechte Aussichten also nicht nur für die Eurozone, sondern auch für das Klima. Denn der forsche Wirtschaftsminister möchte gerne dafür sorgen, dass nicht nur weiter ungehemmt Energie eingesetzt wird, sondern dass auch der damit verbundene Treibhausgas-Ausstoß hoch bleibt.

Die Energiewende nämlich, die den Energieverbrauch zumindest etwas umweltfreundlicher machen könnte, und insbesondere der Erfolg der Solarindustrie, die heuer mit einem Zuwachs von fünf Gigawatt Leistung rechnet, scheint Rösler geradezu Angst zu bereiten. Jedenfalls rührt er gemeinsam mit dem Wirtschaftsflügel der Unionsparteien die Werbetrommel für eine Beschränkung des Zubaus. Nur noch ein Gigawatt an neuer PV-Leistung will er jährlich zulassen. Der Markt soll regelrecht ausgebremst werden. Man könnte fast meinen, dass der Minister es mit aller Macht darauf anlegt, die ohnehin reichlich gebeutelten deutschen Hersteller wie Solar World oder Q-Cells vollends in den Ruin oder zumindest außer Landes zu treiben (siehe auch Licht und Schatten über der Solarindustrie).

Solarstrom zu teuer?

Als Begründung müssen einmal mehr die angeblich zu hohen Kosten des Solarstroms herhalten. Dabei sind die Anlagenpreise bereits drastisch gepurzelt; allein in den ersten 10 Monaten 2011 um ein rundes Drittel. Rösler könnte also, wenn er meint, die Anlagenpreise sinken schneller als die Förderung, zum Beispiel fordern, noch einmal über die Degression zu sprechen.

Aber die ist ohnehin schon steil. Zum 1. Januar 2012 werden die Vergütungssätze für dann neu errichtete Anlagen um weitere 15 Prozent gekürzt. Ab dann gibt es für Anlagen mit mehr als einem Megawatt Leistung nur noch 18,33 Cent je Kilowattstunde (ct/kWh). Und selbst in der teuersten Kategorie, bei den Kleinanlagen auf Hausdächern, gibt es nur noch 24,43 ct/kWh. Im ersten Halbjahr 2010 reichte die Spanne noch von 29,37 bis 39,14 ct/kWh, wobei die günstigste Kategorie, die Freilandanlagen, inzwischen ganz aus der Förderung rausgenommen ist.

Langer Atem

Entsprechend weist Carsten Körnig vom Bundesverband der Solarwirtschaft darauf hin, dass Solarstrom "kein Kostentreiber mehr (sei), sondern auf dem besten Wege (ist), zum Preisbrecher zu werden". Körnig verlangt vom Minister, sich zur Energiewende zu bekennen und sieht die Forderung nach einem Deckel für den PV-Ausbau "aus dem politischen Umfeld der konventionellen Energiewirtschaft" kommend.

Dieses scheint einen langen Atem zu haben, was auch nicht weiter verwunderlich ist. RWE zum Beispiel gehörte in den ersten drei Quartalen 2011 mit einem Umsatz von 38,2 Milliarden Euro und einem Betriebsergebnis von 4,3 Milliarden Euro noch immer zu den ganz großen unter den deutschen Konzernen. Da können selbst die Stars der grünen Wirtschaft, wie SolarWorld (erwarteter Jahresumsatz rund eine Milliarde Euro, Verluste im dritten Quartal) oder der dänische Windanlagenhersteller und Weltmarktführer Vestas (6,4 Milliarden erwarteter Jahresumsatz, Gewinnmarge lediglich vier Prozent kaum mithalten.

Mehr Extremwetter-Ereignisse

Klima, so lautet eine Meteorologen-Weisheit, ist über einen längeren Zeitraum gemitteltes Wetter. Sozusagen eine Wetterstatistik. Doch daraus zu schließen, dass es beim Klimawandel nur um die Veränderungen von Mittelwerten geht, wäre falsch. Ebenso wichtig, wenn nicht gar wichtiger sind Aussagen über die Variabilität, also zum Beispiel über jährliche und mehrjährige Schwankungen, und last but not least über Extremwerte, wie Hitze- und Kältewellen, Dürren, Orkane, Starkniederschläge, späte Frosttage und was das Wetter sonst noch so für Unannehmlichkeiten für die Menschen auf Lager hat.

In den vergangenen Jahren hat es eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten gegeben, in den Klimaforscher versucht haben, den Klimamodellen Prognosen über die Verschiebungen in Variabilität und Extremereignissen zu entlocken. Auch wurde verschiedentlich bereits der Zusammenhang zwischen dem globalen Klimawandel und konkreten Ereignissen, wie den verheerenden russischen Waldbränden im Sommer letzten Jahres oder der mehr oder weniger zeitgleichen großen Flut in Pakistan hergestellt (Ist das schon der Klimawandel?).

Nun hat der IPCC, der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimawandel oder UN-Klimarat, wie er in der hiesigen Presse meist genannt wird, die Erkenntnisse der internationalen Forschergemeinde auf diesem Gebiet in einem Sonderbericht zusammengefasst. Dieser kursiert derzeit zur Feinabstimmung zwischen den Wissenschaftlern und Regierungen und soll im nächsten Frühjahr veröffentlicht werden. Am Freitag vergangener Woche haben sich die beteiligten Regierungen im ugandischen Kampala schon mal auf eine Zusammenfassung geeinigt, die der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Ein etwas eigenartiges Vorgehen, wie Rasmus Benestad auf dem Wissenschaftler-Blog Real Climate anmerkt. Aber wie dem auch sei, die Ergebnisse liegen nun in geraffter Form vor. Demnach gibt es zum Beispiel wenig Zweifel, dass die Zahl der warmen Tage in den meisten Regionen zu und die Zahl der kalten Tage abgenommen hat. Diese Verschiebung der Verteilung ist aber gleichbedeutend mit einer Zunahme der Wahrscheinlichkeit von Hitzeereignissen, wie untenstehende Grafik veranschaulicht. Und entsprechend wurden in einigen Regionen auch bereits längere bzw. häufigere Hitzewellen beobachtet.

Bild: IPCC

Was Starkniederschläge angeht, gibt es erhebliche Unterschiede von Region zu Region. In einigen Regionen gibt es statistisch signifikante Trend in der Häufigkeit besonders starker Regenfälle und wahrscheinlich - was in der IPCC-Sprache mit 66-100prozentiger Wahrscheinlichkeit heißt - überwiegen die Regionen, die eine Zunahme zu verzeichnen haben. Derart verschwurbelt - und schlimmer - ist übrigens der ganze Text, was vermutlich auf den enormen politischen Druck zurückzuführen ist, der in den vergangenen Jahren auf die Wissenschaftler durch Medienkampagnen und (vor allem) US-Politiker ausgeübt wurde.

Des Weiteren gebe es wahrscheinlich bereits in einigen Regionen intensivere und längere Dürren, während sie aber in zweien auch abgenommen haben. Außerdem geht der Bericht davon aus, das mit über 66prozentiger Wahrscheinlichkeit die Zunahme extremer Hochwasser an den Küsten bereits auf den Meeresspiegelanstieg zurückzuführen sei, der derzeit drei Zentimeter pro Jahrzehnt beträgt.

Ein Blick in die Zukunft

Für die Zukunft sei es sehr wahrscheinlich - zu 90 bis 100 Prozent sicher -, dass der Anstieg des mittleren Meeresspiegel auch dazu führt, dass die Extremhochwasser höher ausfallen werden. Außerdem wird der Rückzug der Gebirgsgletscher und des alpinen Dauerfrosts die Berghänge destabilisieren, zu Erdrutschen führen und zu Sturzfluten aus Schmelzwasserseen führen. Nicht zuletzt für die Menschen an den südlichen Himalayahängen könnten diese zur Gefahr werden, wie in den vergangenen Jahren verschiedentlich Wissenschaftler gewarnt haben.

Auch die Dürren werden zumindest in einigen Regionen zunehmen, entweder als eine Folge reduzierter Niederschläge oder als das Ergebnis höherer Verdunstungsraten wegen gestiegener Temperaturen.

Größere Unsicherheit gibt es immer noch bei den tropischen Zyklonen, die je nach Ozean Hurrikan, Taifun oder auch nur tropische Zyklone genannt werden. Ihre mittlere Windstärke, also ihre Intensität, wird vermutlich zunehmen, aber nicht unbedingt in allen Ozeanbecken. Ihre Zahl wird wahrscheinlich konstant bleiben oder eher abnehmen. Das Problem ist, dass einige der Faktoren, die die Formation einer tropischen Zyklone bestimmen, nur schwer mit den globalen Klimamodellen untersucht werden können.

Zu forschen gibt es also immer noch genug, aber das große Bild ist längst klar: Das globale Klima erwärmt sich und die Ursache dafür ist zweifelsfrei die Veränderung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre, die durch diverse menschliche Aktivitäten, vor allem durch die Verbrennung fossiler Energieträger, hervorgerufen wird. Schon jetzt führt diese globale Erwärmung in einigen Fällen zu einer Zunahme von Extremereignissen und wesentlich mehr davon ist für die Zukunft zu befürchten, wenn nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden.