Sprung-Klassiker

Segas "Sonic Generations" und Sonys "Ratchet & Clank: All 4 One"

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Sonic wird in diesem Jahr zwanzig und blickt mit "Sonic Generations" auf die eigene Geschichte zurück. Dabei legt er einen trickreichen Spagat zwischen dreidimensionalem und Sidescroller-Gameplay hin. Ratchet und Clank sind immerhin seit knapp zehn Jahren gemeinsam auf Sonys Konsolen unterwegs und setzen mit dem neuen Spiel mehr auf Multiplayer.

Blauer Igel auf Selbstfindungstrip

Es war einmal ein Igel, dessen Stacheln waren blau und mit seinen Beinen konnte er schneller rennen als jede andere Figur, die je ein Videospiel beherrschte. Die Gamer liebten Segas rasantes Maskottchen, solange die Fernseher dick und die Spiele zweidimensional waren. Doch als die Fernseher dünner, dafür aber die virtuellen Welten plastischer wurden, tat sich Sonic schwer mit der neuen Freiheit.

Sega hat vieles versucht, um den Igel wieder zu dem Erfolg der Anfangszeiten zurückzuführen. Immerhin ist dem Igel in Sonic Colours letztes Jahr ein guter, wenn auch mit einigen Mängeln behafteter Auftritt auf der Wii gelungen. Der wichtigste Grund, warum "Sonic Colours" mehr Spaß macht als die meisten anderen dreidimensionalen Vorgänger, ist der Verzicht auf Schnickschnack. Sonic Unleashed und Sonic und der schwarze Ritter wollten mit Gewalt neue Ideen einbringen und bremsten damit das Kernelement der Serie aus: Das rasante Gameplay.

Eben auf diese Grundtugend besinnt sich jetzt Sonic Generations und belebt gleichzeitig das alte zweidimensionale Level-Design wieder. Dazu benutzen die Entwickler einen interessanten Kniff: Jeder Level existiert doppelt. Der Spieler entscheidet, ob er das dreidimensionale Gameplay im Stil von "Sonic Colours" oder den Retro-Sidescroller der ersten Sonic-Titel bevorzugt. Dabei darf er zwischen den Levels beliebig wechseln und freilich beide Varianten probieren, wenn er mag. Beim Umschalten ändert sich auch das Aussehen des Igels zwischen einer plastischen und einer zwar ebenfalls dreidimensionalen, aber offensichtlich auf dem alten Sprite basierenden Variante.

Die Geschichte dringt noch mehr in den Hintergrund als bisher. Lange Dialoge oder mühsames Gerenne zwischen zwei Level-Zugängen entfallen. Die Rahmenhandlung thematisiert Sonics "Doppelleben" - so entdecken der flache und der dreidimensionale Igel nach dem ersten Bosskampf ihre gegenseitige Existenz. Das Zeitgefüge ist durcheinander geraten und bringt Sonic und seine Freunde mit ihren vergangenen Egos zusammen.

Der alte und der neue Sonic haben zwar vieles gemeinsam, teilen in der Geschichte auch Erinnerungen, aber das Gameplay der Welten unterscheidet sich in mehr als nur der Perspektive. In den dreidimensionalen Levels kann Sonic wie in anderen 3D-Sonic-Spielen mit der sogenannten Homing-Attack von Gegner zu Gegner direkt springen, sie damit besiegen und gleichzeitig Hindernisse überwinden. Diese Fähigkeit bleibt dem Retro-Sonic konsequenterweise verwehrt.

Die dreidimensionalen Levels benutzen dieselbe Mischung, die sich bei "Sonic Colours" bewährt hatte und wechseln gelegentlich auf ein Sidescrolling-Gameplay. Diese Passagen unterscheiden sich von den Retro-Levels unter anderem durch die offensivere Spielweise. Insgesamt ist auch in der vollen 3D-Ansicht der Weg stärker vorgegeben als beispielsweise bei Super Mario Galaxy 2 (vgl. Mario, grüß mir die Sterne!).

Trotzdem gibt es gewohnt viele Wege ans Ziel, die meist übereinander starten. Dabei gilt die Faustregel: Je höher ein Pfad ist, desto schneller führt er ans Ziel und desto bessere Belohnungen warten. Gleichzeitig sind die höheren Strecken schwerer zu erreichen und die Zugänge nicht immer offensichtlich. Die verpassten Abzweigungen laden zum wiederholten Spielen bereits geschaffter Passagen ein.

Das Level-Design ist insgesamt gut gelungen. Zwar gibt es vereinzelte Frustmomente, aber deutlich weniger unfairen Stellen als in "Sonic Colours". Abstürze und verlorene Leben kann der Spieler fast immer nachvollziehen und in einem der nächsten Anläufe vermeiden. Das war beim Vorgänger leider nicht immer der Fall.

Die Welten sind den Sonic-Spielen der vergangen zwanzig Jahre entliehen. So beginnt der Igel in der "Green Hill Zone" aus dem ersten Sonic the Hedgehog und reist durch die Serienhistorie bis zum "Planet Wisp" aus "Sonic Colours".

Sowohl die zwei- als auch die dreidimensionalen Levels geben dem Spieler das Gefühl der Geschwindigkeit, für das Sonic steht. Der Igel wird nie willkürlich ausgebremst, sondern lediglich an einigen Stellen, die mehr Präzision fordern. Danach geht es aber stets schnell wieder in rasante Passagen über.

Neben den normalen Levels muss der Spieler zum Vorankommen zusätzliche Challenges bestehen. Diese öffnen sich, sobald die normalen Stufen eines Bereichs in einer der beiden Formen durchgespielt sind. In einigen läuft er ein Wettrennen gegen diverse Figuren der Serie. In anderen nutzt Sonic die Hilfe seiner Freunde oder speziellen Fähigkeiten in speziellen Levels und schwebt beispielsweise an den Beinen des flugbegabten Fuchses Tails durch einen Hindernisparcours. Die Auswahl der Herausforderungen ist groß und der Erfolg wird mit diversen Extras belohnt. Einige Challenges muss der Spieler bestehen, um die jeweiligen Bosse freizuschalten.

Die Boss-Kämpfe waren nie die größte Stärke der Sonic-Titel und daran ändert sich auch bei "Generations" nichts. Sie sind rar und im Vergleich zu anderen Spielen wenig originell. Ähnlich sieht es mit den Rivalen-Kämpfen gegen die düsteren Ebenbilder des Helden aus vergangenen Spielen Shadow, Metal und Silver Sonic aus.

Die Stärke liegt eindeutig in den normalen Levels. Auch wenn Retro-Fanatiker ähnlich über die 3D-Welten schimpfen werden wie über ein neues Album einer 70er-Rockband, zeigt "Sonic Generations" sowohl in den klassischen zweidimensionalen als auch in den dreidimensionalen Levels, warum das Spiel damals so viele Gamer begeistern konnte. "Sonic Colours" war schon deutlich besser als seine Vorgänger. "Sonic Generation" sei jedem ans Herz gelegt, der sich in den letzten Jahren von der Serie abgewandt hat oder einfach zu jung ist, um vor zwanzig Jahren die erste Begeisterung miterlebt zu haben.

Im Team durchs All

Ratchet und seinen Roboterkumpel Clank verbindet seit dem ersten Spiel für die PS2 eine tiefe Freundschaft. Die Charaktere sind dabei recht unterschiedlich: Ratchet, der wüstenfuchsähnliche Lombax, ist der Draufgänger. Clank wird dem Roboter-Klischee gerecht und ist eher der bedächtige Typ. Die Paarung könnte aus einem Buddy Movie stammen.

Aber nicht nur vom Charakter, auch von der Spielweise unterscheiden sich die beiden. Die Ratchet-Passagen setzen auf Action mit einem während des jeweiligen Spiels wachsenden Waffenarsenal. Übernimmt Clank die Kontrolle, wird das Spiel mehr zum Puzzle.

Die beiden Protagonisten ergänzen sich in den Haupttiteln der Serie zwar, kämpfen aber fast nie gemeinsam. Ratchet & Clank: All 4 One setzt dagegen komplett auf Multiplayer. Die beiden kämpfen Seite an Seite und bekommen, wie die "4" im Titel vermuten lässt, Unterstützung zweier Mitstreiter. Der dritte im Bunde ist der Möchtegernsuperheld Qwark, bekannt für seine gnadenlos überhöhte Selbsteinschätzung und der unglücklichen Begabung, ständig im Weg zu stehen. Ausgerechnet das wahnsinnige Robotergenie Dr. Nefarious, seit Ratchet & Clank 3 Nemesis der beiden Helden, komplettiert das Quartett.

Die vier Kämpfer sind hinsichtlich ihrer Fähigkeiten und Ausrüstung gleichberechtigt. Das Gameplay ist auf Kooperation ausgelegt - sowohl offline an einem Bildschirm als auch online. Dabei gilt das in vielen Coop-Spielen gebräuchliche Prinzip, dass alle gemeinsam die Gegner bekämpfen, aber jeder für sich selbst die meisten Schätze in Form von Schrauben sammelt. Zusätzlich erhalten die Spieler Bonuspunkte für kooperatives Vorgehen. Am Ende der Sektionen gibt es eine individuelle Bewertung der jeweiligen Leistung, die wiederum mit Bonus-Schrauben belohnt wird.

Eine Aufteilung in verschiedene Rollen wie Nahkämpfer und Fernkämpfer ist zwar möglich, aber es gibt keine definierte Zuordnung der Figuren wie in Rollenspielen. "All 4 One" belohnt umgekehrt sogar den konzentrierten Einsatz identischer Waffen durch mehrere Gefährten auf denselben Gegner. Für einige Bosse ist diese Form der Kooperation unerlässlich. Die Wirkung wird optisch und akustisch gekennzeichnet und endet in einer Zeitlupensequenz der Gegnerexplosion - beim Spiel mit Freunden eine wunderbare High-Five-Einladung.

Der überwiegende Teil des Spiels besteht aus Actionsequenzen mit zahlreichen Gegnern, die sich dem Team in den Weg stellen. Das Gameplay ist somit an die Ratchet-Sequenzen der anderen Serientitel angelehnt. Selbst im Vergleich dazu treten die Geschicklichkeitspassagen zugunsten der Action zurück. Erst in der zweiten Spielhälfte gibt es längere Strecken, in denen das Quartett die Waffen ruhen lässt und beispielsweise einen Schacht in Jetpacks heruntergleitet oder gemeinsam ein Floß lenkt. Letzteres wird mit mehreren, gleichberechtigt lenkenden Flößern durchaus zur Herausforderung.

Immer wieder erfordern einzelne Stellen Teamarbeit. Beispielsweise gibt es Lücken, die für einen Sprung zu breit sind und nur durch katapultieren eines Mitstreiters überquert werden können. Zeitgesteuerte Schalter sind zuweilen so aufgestellt, dass die Wege für einen einzelnen zu lang wären.

Echte Puzzle-Elemente wie die grandiosen Clank-Passagen aus dem Vorgänger Ratchet & Clank: A Crack in Time (vgl. Spiel mit der Zeit) fehlen völlig. Einige optionale Herausforderungen zur Herstellung der ultimativen Waffe des Spiels gehen noch am ehesten in diese Richtung. Sie verzichten auf Kämpfe und setzen auf präzise Kooperation unter Zeitdruck.

"Ratchet & Clank: All 4 One" funktioniert auch mit einem Spieler. Da aber viele Stellen mindestens zwei Charaktere erfordern, übernimmt das System die Steuerung eines virtuellen Mitstreiters. In den meisten Fällen agiert dieser relativ intelligent und nimmt beispielsweise meist denselben Gegner mit der gleichen Waffe ins Visier, um den Schaden zu maximieren. Auch gibt er gelegentliche Hinweise oder teilt dem Spieler mit, wenn ihm für den Angriff des Spielers die Munition fehlt. Nur selten erschwert der Computer-Mitstreiter das Weiterkommen, weil er nicht an der benötigten Position bleibt, sondern treudumm dem Spieler hinterherdackelt.

Insomniac hatte bei der Entwicklung von "All 4 One" definitiv nicht den Einzelspieler im Blick. Das durchaus durchdachte kooperative Gameplay macht mit einem computergesteuerten Gefährten deutlich weniger Spaß als mit menschlichen. Und solo stört die Action-Ausrichtung des Spiels auf Kosten der Vielseitigkeit der älteren Titel deutlich mehr als beim Spiel mit Freunden. Die schwierigeren Sprungpassagen und Clanks Puzzle-Sequenzen wurden zum Opfer der Mehrspieler-Optimierung. Auch verkommen die Bosskämpfe vor allem zum Schützenfest.

"Ratchet & Clank: All 4 One" hat den gegenteiligen Ansatz von "Sonic Generations": Letzteres belebt alte Tugenden wieder, ersteres begibt sich auf Neuland. Dabei entfernt es sich nicht so weit vom Kern wie Playstation Move Heroes oder Ubisofts "Rayman Raving Rabbids" (vgl. Schüttel-Party mit Hasen). Die witzige Geschichte, das grundlegende Spielprinzip und die Dauer sind den Vorgängern ähnlich.

Das kooperative Gameplay ist gelungen, geht aber zu Lasten einiger Stärken der Serie. Als Mehrspieler-Actiontitel - besonders offline mit einem oder mehreren Freunden - macht "Ratchet & Clank: All 4 One" Spaß. Wer mehrere Stunden gehobenes Jump-And-Run für Solospieler erwartet, wird jedoch enttäuscht. Bleibt zu hoffen, dass Insomnica "All 4 One" als interessanten Multiplayer-Ausflug sehen, in Zukunft aber auch wieder die Fans der bisherigen Serie bedienen.

Gerade ist übrigens ein weiterer Klassiker zu seinen Wurzeln zurückgekehrt: "Rayman Origins" von Ubisoft verdient aber noch eine Weile der Betrachtung und mehr als einen Nebensatz.

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